UBS-Milliardenskandal: «Adoboli hat getrickst wie Kerviel»
20minuten.ch (25. November 2011) – Der UBS-Derivate-Crash erinnert mehr und mehr an jenen der Société Générale. Dass daraus keine Lehren gezogen wurden, legt totales Versagen der Kontrolle nahe.
Die UBS ist nicht mehr die gleiche Bank wie vor 2 Monaten. Ihr CEO ist weg, der Präsident geht früher, die Strategie ist neu. Und am wichtigsten: Der Glaube an das eigene Können ist erschüttert.
Das hat mit Adoboli zu tun. Kweku Adoboli, 31-jähriger Derivate-Händler, hat der UBS im September 2 Milliarden Verlust beschert. Wie dieser Gau möglich war, will die UBS durch eine interne Untersuchung ergründen. Die wesentlichen Erkenntnisse liegen vor, bleiben aber geheim.
Kerviel-Betrug wurde von allen genau studiert
Was bereits durchsickert, spricht nicht für die Bank. «Was bei der UBS passierte, ist im Prinzip eine Wiederholung des Milliardenverlusts bei der französischen Société Générale mit ihrem Derivate-Trader Kerviel», sagt ein UBS-Mann. Alle grossen Investmentbanken hätten Kerviel und seinen Betrug genau studiert. «Die Folge war für alle klar: Die Kerviel-Tricks gilt es auszuschliessen.»
Genau das ist der UBS, wie es heute scheint, missglückt. Sowohl Kerviel als auch Adoboli haben mit fiktiven Absicherungsgeschäften unerlaubten Eigenhandel kaschiert; sowohl Kerviel als auchAdoboli mussten dafür das interne Kontrollsystem austricksen.
So weit die Parallelen. Nun zu Adoboli. Der Ghanaer aus gutem Haus und mit englischer Schulbildung schloss dem Schein nach Absicherungsgeschäfte mit Gegenparteien ab, also hauptsächlich anderen grossen Banken oder sonstigen gewichtigen Playern in diesem Geschäft. Weil die sogenannten Hedges nur fiktiv waren, fehlten Bestätigungen dieser Gegenparteien.
«Achtung, Gross-Risiko!»
Das sei ein klares Alarmzeichen, sagt der UBS-Insider. «Liegt die Bestätigung einer Gegenpartei nicht innert spätestens 24 Stunden vor, müssen alle Sirenen aufheulen.» Denn was es im Kern bedeute, wenn eine solche Bestätigung ausbleibe, sei simpel: «Dann gibt es keine Gegenpartei.» Mit anderen Worten: Der Händler hat eine offene, ungedeckte Position mit entsprechendem Verlustpotenzial. Und das, so die Quelle, heisse für alle Involvierten: Achtung, Gross-Risiko!
Es dürfe schlicht nicht vorkommen, dass eine fehlende Gegenpartei-Bestätigung auf die leichte Schulter genommen werde. «Wir sind doch hier nicht im Kindergarten, schliesslich geht es um riesige Summen mit den entsprechenden Risiken», begründet die Quelle.
Es sei offensichtlich, dass hier die Kontrollprozesse «völlig» versagt hätten. Die Folgen würden weit reichen, prophezeit der erfahrene Banker. «Die UBS muss ihr Risikokontrollsystem zusammen mit den aufgebauten Prozessen von Grund auf hinterfragen.»
Risiko-Chefs werden geschont
Ein Sprecher der UBS wollte keine Stellung nehmen. Ob der Adoboli-Bericht bereits vorliege und wann er offengelegt werde, werde nicht kommentiert. Die Bank könne lediglich frühere Aussagen wiederholen, dass sie nicht frei sei bei der Offenlegung der Untersuchungsergebnisse. Das Sagen hat diesbezüglich offenbar die Londoner Polizei. Diese ermittelt gegen Adoboli.
Trotzdem könnte die Bank personell hart durchgreifen. Sie tut das aber nur punktuell. Während Adobolis Co-Leiter sowie weitere Händler und Chefs an der Front ihren Job verloren, wurden die zuständigen Kontrolleure im Hintergrund bisher weitgehend geschont.
Es macht den Anschein, dass bei der UBS im Handel und ganz oben Köpfe rollen, nicht aber in der Risiko-Kontrolle. Das erinnert an frühere Fälle mit Grossverlusten in den Jahren 1997, 1998 und 2008.