Ein Mann, neun Millionen und die 180-Grad-Kehre

20minuten.ch (18. November 2011) – Die erstaunlichste Personalie bei der UBS ist nicht die Wahl von CEO Ermotti oder der frühzeitige Abgang von Präsident Villiger, sondern der oberste Investmentbanker Carsten Kengeter.

Carsten Kengeter baute die Investmentbank der Grossbank zuerst aus, jetzt muss er sie zurückbauen. Wie passt das zusammen? Der Deutsche wird nächsten Frühling erst 45, hat es aber bereits an die Spitze des krisengeschüttelten Handelsgeschäfts der Schweizer Grosssbank gebracht. In dieser Funktion stand Kengeter für Aufbruch zu alten Ufern: gross und rentabel, aber sehr riskant.

Die Karriere macht sich bezahlt. 2009 mit 13 Millionen und 2010 mit neun Millionen war Kengeterzweimal der bestbezahlte UBS-Topmanager. In 24 Monaten 22 Millionen macht 900 000 Franken Brutto-Monatslohn, rund das Doppelte dessen, was ein Bundesrat im Jahr verdient.

Erstaunliche Spitzkehre

Seit aber die UBS durch einen Derivate-Crash in London vor zwei Monaten erschüttert wird, kämpftKengeter um sein Karriere-Überleben. Selbst wirtschaftsfreundliche Zeitungen wie die NZZ zeigen sich zunehmend befremdet darüber, dass Kengeter als einer der Hauptverantwortlichen des Zwei-Milliarden-Verlusts seinen Job behalten kann.

Fast noch erstaunlicher ist die Spitzkehre, die Kengeter am gestrigen Investorentag in New York vollzogen hat. Nachdem er an den beiden Anlässen der letzten Jahre die UBS Investmentbank nach vorne peitschte, legte er diesmal den Rückwärtsgang ein. Wie der gleiche Manager Gas geben und dann wieder bremsen soll, ist eines der Rätsel, das die UBS am gestrigen Tag aufgeworfen hat.

Wichtig ist die Frage, wie riskant ein Verbleib von Kengeter für die neue Ära von CEO Sergio Ermotti wird. Ermotti sagte bei seiner definitiven Nominierung Anfang Woche auf die Frage, obKengeter bleibe, dass es für eine Antwort zu früh sei. Er sage weder ja noch nein zu Kengeter oder irgendeinem Mitglied der Führungscrew, meinte Ermotti. Für den Moment würden alle Kollegen der obersten Mannschaft an Bord bleiben.

Angst vor Führungsvakuum in der Investmentbank

Ermottis Zeitspiel mag in der jetzigen Situation clever sein. Die Verkleinerung der Investmentbank ist für viele Top-Investmentbanker keine attraktive Aufgabe. Somit hätte Ermotti möglicherweise Mühe, eine fähige Person von aussen für den Job zu gewinnen.

Als Alternative bräuchte es einen internen Ersatz, um Kengeter abzulösen. Dass dies bis jetzt nicht geschehen ist, deutet darauf hin, dass die Personaldecke unter Ermotti-Vorgänger Grübel dünn geworden ist.

Rohner machte schlechte Erfahrungen

Bleibt noch die intermistische Führung durch CEO Ermotti selbst. Dieses Risiko will der Tessiner offenbar nicht eingehen. Zu Recht. In frischer Erinnerung ist Ermottis Vor-Vorgänger Marcel Rohner, der nach dem Debakel mit den Subprime-Papieren neben dem CEO- monatelang auch den Investmentbank-Hut getragen hatte. Zuletzt war Rohner an beiden Orten überfordert.

Kengeter auf Zeit, lautet somit wohl Ermottis Losung. Doch die hat einen Haken. Ist Kengeter so gut, wie ihn sein Förderer Grübel einschätzte, könnte er die UBS-Investmenbank erfolgreich verkleinern. Dann aber fehlt CEO Ermotti eine gute Begründung für eine Trennung.


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