Der Weg ist frei für einen UBS-Neuanfang

20minuten.ch (15. November 2011) – Sergio Ermotti ist ab sofort CEO, Axel Weber beerbt Kaspar Villiger und soll ab Frühling neuer Präsident werden. Die personelle Weichenstellung ermöglicht eine neue UBS. Gut so.

Es wurde Zeit für die grosse Rochade. Jetzt ist sie da, die UBS kriegt praktisch gleichzeitig zwei neue Köpfe an der Spitze und damit die Chance für einen echten Neuanfang, statt «more of the same».

Sergio Ermotti als CEO hat sich zuletzt abgezeichnet. Gegen ihn schossen viele Gegner aus dem Versteckten, die Situation war unwürdig. Von seinem Leistungsausweis her hat Ermotti eine Chance verdient. Er muss sie packen.

Villiger war das Problem

Nun zu Kaspar Villiger. Dass der Ex-Magistrat über seinen Schatten springt und sein Präsidialamt ein Jahr früher als geplant – schon auf nächsten Frühling – abgibt, kommt überraschend. Dieser Schritt wurde für Anfang 2012 erwartet. Dass Villiger über seine Zukunft Klarheit schafft, verdient Respekt.

Der frühere langjährige Finanzminister kann mit Recht sagen, er habe die Bank in fähige Hände gelegt. Als Villigers Nachfolger ist der deutsche Ex-Bundesbanker Axel Weber gefordert. Weber muss CEO Ermotti bei der Neupositionierung der UBS zur Seite stehen.

Ist somit alles paletti bei UBS? Schauen wir kurz zurück. Der 70-jährige Villiger hatte vor zweieinhalb Jahren zusammen mit dem hochgelobten Oswald Grübel als CEO das Steuer beim damals leck geschlagenen UBS-Tanker übernommen. Die Rollenverteilung versprach Erfolg. Hier Grübel als gestandener operativer Chef, der sanieren und Gewinne erwirtschaften würde; dortVilliger mit seinem Gespür für die Politik, der in Bern Sympathien holen würde.

Beides ist missglückt. Die Zeit des Duos Villiger/Grübel wird als verlorene Zwischenphase in die Analen der Grossbank eingehen. Der Hauptgrund liegt nicht bei Banker Grübel, sondern beiPolitiker Villiger.

Der Luzerner aus mittelständischer Unternehmerfamilie ist ein intellektueller Freisinniger, der im Haifischbecken des Finanzmultis mit vielen starken Egos von Anfang an überfordert war. Das ist der wahre Grund, warum die UBS heute erneut in einer Krise steckt und einen nächsten Neuanfang nötig hat.

Villiger enttäuschte fast auf der ganzen Linie. Er schaffte es nicht, die UBS in der nationalen Politikbeliebt zu machen; er verpasste es, innerhalb der UBS eine klare, glaubwürdige Abkehr vom irren Bonus-Wahn einzuleiten; Villiger scheiterte auch mit der Nachfolgeplanung; und vor allem hatte er seinen Verwaltungsrat nicht im Griff, der heute in Einzel-Fraktionen zersplittert ist. Mit einem uneinigen VR war es für die UBS unmöglich, eine klare Richtung einzuschlagen.

Big Politiker ist kein Big Banker

Wer Villiger kennt, erwartete mehr. Viele trauten ihm zu, eine neue Kultur in der Bank zu etablieren: eine, die nicht das eigene Salär und die eigene Erfolgsbeteiligung als zentrales Element hatte, sondern zufriedene Kunden und Eigentümer als oberste Maxime anstrebte. Ein solcher Wandel wäre Villigers wichtigste Aufgabe gewesen. Damit wären die übrigen grossen Fragen, darunter das Verhältnis zur Politik und die Strategie, im Grundsatz vorgegeben gewesen.

Warum ist Villiger derart gescheitert? Die Antwort mag banal klingen, trifft aber wohl trotzdem den Kern. Der Mann kam aus einer anderen Welt; aus der Verwaltungsprovinz Bern, wo es gemütlicher und gemächlicher zu und her geht. Big Banking hingegen ist brutal, hart, und an der Spitze herrscht ein tägliches Gerangel um Einfluss und Macht. Der ehrliche Kleinbürger Villiger wurde in diesem Teich zum Spielball von Figuren, denen er nie die Stirn bieten konnte.

Bände für diese persönliche Überforderung sprach, als Villiger in einem Auftritt in der Arena des Schweizer Fernsehens vor anderthalb Jahren sagte, er habe lernen müssen, dass Top-Banker halt Top-Boni benötigen würden. Die UBS habe erfolgreiche Teams an die Konkurrenz verloren, weil sie ihre Entschädigungen zu stark reduziert hätte. So vernünftig das klingen mag, in so schiefes Licht stellt die Aussage Villiger als UBS-Leader. Wer, wenn nicht er als oberster Kopf und Präsident der Bank, hätte dieser unseligen Bonus-Kultur ein Ende bereiten können?

Kunden und Aktionäre ins Zentrum stellen

Unter Villiger hatte Grübel freie Hand, und der CEO nutzte dies für eine Strategie zurück zum Alten: grosses Investmentbanking, viel Risiko, Vollgas. Mit dem 2-Milliarden-Crash von London vom September endete das «Back to the future» im Debakel. Die UBS war an einem neuen Tiefpunkt.

Die dringend nötige Um-Positionierung der Bank muss nun das neue Führungsgespann anpacken. CEO Sergio Ermotti und Präsident Axel Weber haben als dringlichste Aufgabe, aus der UBS eine Grossbank zu machen, die vor allem für zwei Gruppierungen Werte generiert: die Kunden und die Eigentümer.

Die Kunden waren in der Boomphase zufrieden mit Gewinnen, die dank den Märkten zustande kamen. Als der Wind drehte, erlitten sie horrende Verluste. Seither sind absolute Gewinne Mangelware. Doch nur solche interessieren die Kunden, die schliesslich ihre Banker bezahlen. Am Ende eines Jahres verlangt ein Klient, mehr auf seinem Konto zu haben als am Anfang. Mit einer relativen Performance zu argumentieren, also dem Vergleich mit anderen Produkten, zielt daneben.

Dann die Aktionäre: Sie bluten seit Jahren bei der UBS, kriegen keine Dividende, haben enorme Verluste auf ihre Einsätze erlitten. Die UBS muss nun rasch nachhaltige Gewinne erwirtschaften, um endlich auch ihre Eigentümer zufriedenzustellen.

Wie soll das gelingen? Indem Weber/Ermotti den Hebel umlegen und sich glaubwürdig von der Huldigung des Investmentbank-Fetisch abwenden. Bis zu Grübel war es das Ziel jedes UBS-Chefs, die Bank unter den grossen 5 in der Welt des Casino-Bankings zu etablieren. Das hat ins Verderben geführt. Die UBS hat ausgewiesene Stärken in der Investmentbank, so im Handel mit Aktien und Devisen. Aber im Zinsengeschäft und in der Kapitalmarktberatung sollte sie massiv zurückfahren.

Werden Ermotti/Weber diesen Weg gehen? Noch herrschen Zweifel. In zwei Tagen wird Ermotti mit seiner Konzernleitung aufzeigen, wie die UBS ihre Investmentbank verkleinern will. Insider erwarten tiefe Schnitte, aber keine völlige Aufgabe der grossen Risikobereiche.

Vermutlich wird der Donnerstags-Wurf noch nicht das Ende der Geschichte sein. Der UBS wie vielen anderen Grossbanken, darunter der CS, stehen lange Jahre einer Gesundschrumpfung bevor. Zumindest hat die Nummer eins der Schweiz eine schwierige personelle Situation einigermassen gut gelöst. Wenigstens das hat Villiger gut gemacht. Dafür kann ihm die Bank dankbar sein.


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