Die Dorfbank und die Bank der Reichen

20minuten.ch (13. Oktober 2011) – Es wäre ein Kulturschock erster Güte, sollte die Genossenschaftsbank Raiffeisen die Basler Privatbank Sarasin kaufen. Zwei völlig verschiedene Kulturen würden aufeinanderprallen.

Das Rennen um Sarasin ist offiziell eröffnet. Nachdem die Sarasin-Mehrheitsaktionärin Rabobank aus Holland offenbar monatelang Optionen geprüft hat, sichtet sie nun konkrete Offerten. Die Handelszeitung machte am Mittwoch ein Angebot der Zürcher Privatbank Julius Bär bekannt. Für Sarasinhätte eine Übernahme durch Bär wohl ein Job-Kahlschlag zur Folge.

Der «Tages-Anzeiger» brachte derweil die Raiffeisen-Genossenschaftsbank als zweite Sarasin-Bewerberin ins Spiel. Für das Sarasin-Management wäreRaiffeisen ein Geschenk des Himmels. Unter der Führung der Sankt-Galler könnten die heutigen Chefs wohl bleiben und die Privatbanken-Ambitionen desRaiffeisen-Zampanos Pierin Vincenz umsetzen.

Vincenz will endlich aus der Provinz ausbrechen

Was aber ist in Vincenz gefahren, dass er angeblich Sarasin kaufen will? Der «Tages-Anzeiger» vermutet eine Enttäuschung hinter der Zusammenarbeit mit Vontobel. Vincenz hatte vor Jahren eine Beteiligung an der kleinen Zürcher Privatbank erworben. Diese hat bisher womöglich nicht die erhoffte Ernte gebracht.

Ein Berater, der mit der Strategie der Raiffeisenbank vertraut ist, skizziert noch einen anderen Hintergrund. In der UBS- und CS-Krise von 2008 floss viel Kundengeld den vermeintlich sicheren Regional- und Kantonalbanken zu. Die grössten wie die Zürcher Kantonalbank und die Raiffeisen wurden regelrecht überrannt von Klienten der Grossbanken, die Angst um ihr Vermögen hatten.

Damals, so der Berater, habe Raiffeisen-Chef Vincenz seine Privatbankenstrategie überarbeitet. Ein Projekt musste die Frage klären, wie sich die Raiffeisen aufzustellen habe, um die vielen neuen Kundengelder nicht rasch wieder zu verlieren, kaum würde sich das Geschehen beruhigen.

Eine erste sichtbare Folge dieser neuen Strategie waren gediegene Raiffeisen-Filialen in den grösseren Schweizer Städten. Allein in Zürich meldete Vincenz vor ein paar Monaten seine Ambitionen an. Er wolle in der Finanzcity an zahlreichen Standorten präsent sein, so der Raiffaisen-Boss.

Sarasin-Kauf statt Eigenaufbau

Doch ein solcher Aufbau aus eigener Kraft ist kräfteraubend und geht langsam vonstatten. Die Raiffeisen muss sich das Knowhow im Markt einkaufen, da die Bank intern zu wenig Manager mit Private-Banking-Wissen hat.

Mit Sarasin, die zum Verkauf steht, eröffnet sich Vincenz die Chance, auf einen Schlag eine Kraft im Schweizer Banking für die Gutbetuchten zu werden. Ein Zukauf für rund 2 Milliarden Franken könnte für Vincenz machbar sein.

Eine andere Frage ist, ob Vincenz respektive seine Raiffeisen mit der BaslerSarasin glücklich würde. Die Kultur könnte kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite eine typische Dorfbank mit einer Abwicklungszentrale in der Ostschweiz, auf der anderen eine Privatbank von Rang und Namen aus Basel, wo es den sprichwörtlichen «Daig» gibt. Vermögende mit Hang zu grösster Diskretion, die nicht über Geld sprechen.

Der schlaue Provinz-Bänkler und die elitäre Basler Privatbank – das passt wie die berühmte Faust aufs Auge. Doch Vincenz hat Ambitionen in der Vermögensverwaltung, und das Rennen macht immer derjenige, der eine Chance beim Schopf zu packen weiss.


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