Eine Polit-Kritik: Abzocker-Debatte ist ein rechtes Trauerspiel

20minuten.ch (1. Juni 2011) – FDP, CVP und SVP könnten die Manager-Lohndebatte in die gewünschte Bahn lenken. Dass die Rechte indes wie ein Hühnerhaufen agiert, zeigt, wie schwach der einstige Machtblock ist.

Wirtschaftsthemen erledigten die Bürgerlichen früher im Alleingang, der Linken blieb das Poltern. Vor allem die Freisinnigen hielten das Steuer in der Hand, an ihnen führte noch in den 1990er-Jahren kein Weg in der Wirtschaftspolitik vorbei. Weil CVP und SVP meist blind folgten, herrschte «Ordnung» im Land.

Tempi passati. Exemplarisch zeigt das die Debatte um die Abzocker-Initiative, die heute zum x-ten Mal im Parlament behandelt wurde. Bonus-Steuer ja oder nein, indirekter oder direkter Gegenvorschlag, Aktionärs-Mitsprache nur bei den VR-Entschädigungen oder auch bei jenen der Geschäftsleitung – diese und weitere Fragen werden zwischen den beiden Räten zerredet.

Dass kaum mehr jemand weiss, wo genau das Geschäft steht, was genau wem gegen den Strich geht und wann über das Vorhaben abgestimmt wird, ist bedenklich genug. Dass damit ein wichtiges Anliegen, nämlich die Verhinderung von Auswüchsen bei Löhnen und Boni für Bank-Manager, auf die lange Bank geschoben wird, macht die Sache schlimm.

Keine Leadership

Wichtig wäre, dass ein politisches Lager die Zügel in die Hand nimmt. Doch eine solche Leadership fehlt nicht erst, seit die Abzocker zum politischen Thema wurden. Doch rund um das Anliegen des Einzelkämpfers Thomas Minder, eines Schaffhauser Kleinunternehmers, der vor Jahren eine Initiative gegen Lohnmissbräuche zustande gebracht hatte, zeigt sich die tektonische Plattenverschiebung in der Parteienlandschaft Schweiz besonders deutlich.

Hätten die Bürgerlichen noch Kraft wie einst, dann hätten sie dieses für sie schwierig zu fassende heisse Eisen längst nach eigenem Gusto geschmiedet. Es wäre wohl zu ein paar Retuschen am geltenden Recht gekommen, da und dort wäre man der Vox populi entgegengekommen. Doch am Grundsatz einer möglichst unregulierten, aufs freie Unternehmertum ausgerichteten Landschaft wäre festgehalten worden.

Von solch kräftiger Interessenpolitik sind die Bürgerlichen weiter entfernt denn je. Was ist passiert mit einer Rechten, die selbst ihre Kernanliegen nicht einmal im Ansatz durchbringt? Die Antwort lautet: SVP. Genauer: der Aufstieg der ehemaligen Bauernpartei zur vorherrschenden Kraft im bürgerlichen Lager und der gleichzeitige Niedergang des Freisinns als Wirtschaftspartei.

Schlecht fürs Land

Von rund 10 Prozent Wähleranteil Anfang der 1990er-Jahre ist die SVP auf 29 Prozent bei den letzten nationalen Wahlen vor 4 Jahren hochgeschossen. Umgekehrt sank die FDP von ihrer führenden Position im rechten Lager auf noch 16 Prozent und konnte sich damit nur noch knapp vor der ebenfalls schrumpfenden CVP mit 14,5 Prozent halten. Diesen Herbst kämpfen die früheren Platzhirsche darum, wer 2 Bundesratssitze besetzen darf respektive wer sich mit einem abfinden muss.

SVP allein auf weiter Flur und immer mal wieder in unheiliger Allianz mit der Linken – das hat die politische Landschaft der Schweiz umgepflügt und führt heute gerade in der entscheidenden Wirtschaftspolitik oft zu Blockaden, Leerläufen und Scheinlösungen. An der Nase nehmen müssen sich alle Bürgerlichen, von der SVP bis zur CVP. Sie müssen sich vorwerfen lassen, das Heft in Wirtschaftsfragen fast schon mutwillig aus der Hand gegeben zu haben.

Economie who?

Zum Befund passt der Bedeutungsverlust der Wirtschafts-Dachorganisation Economiesuisse. Als diese noch Vorort hiess, galt deren Chef als achter Bundesrat, der die Landesregierung in den wirklich relevanten Fragen, nämlich jenen der Wirtschaft, auf dem Pfad der «Tugend» halten konnte. Heute müssen die obersten Economiesuisse-Köpfe froh sein, wenn ihnen die bürgerlichen Parlamentarier ihr gesuchtes Ohr hinhalten.

Für den Wirtschaftsstandort ist die Entwicklung schlecht. Doch wie beim Bankgeheimnis, das ebenfalls von den grossen Playern der Industrie selbst zum Abschuss freigegeben wurde, sind es oft die Insider, die das eigene Erfolgsmodell zerstören.


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