Bankgeheimnis: Noch mehr Daten und Milliarden für die USA
20minuten.ch (10. Juni 2011) – Bern will Washington erneut Bankkundendaten und mehrere Milliarden geben. Im Gegenzug sollen die Chefs von CS, Julius Bär & Co. problemlos in die USA einreisen können.
Der Deal ist hochexplosiv. Der Schweizer Unterhändler Michael Ambühl verspricht den USA in Absprache mit seiner Chefin, Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, nochmals geschützte Bankkundendaten und viel Geld. Im Gegenzug lassen die USA die Schweizer Banken springen. Das berichtet heute die Nachrichtenagentur Reuters mit Bezug auf US-Justizquellen. Die Information klingt glaubwürdig.
Seit längerem ist bekannt, dass Unterhändler Ambühl versucht, mit den USA einen umfassenden Deal auszuhandeln. Im Frühling winkten die USA noch ab. Sie wollten lieber im Einzelsprung jede Bank mit US-Steuersündern als Kunden ins Visier nehmen, weil sie sich mit dieser «Kriegstaktik» mehr Geld und Kundendaten versprachen.
Nun bieten die Amerikaner offenbar Hand zu einer generellen Lösung, die gemäss Reuters zu einem Deal bereits im Juli führen könnte. Es wäre nach dem UBS-Staatsvertrag vom August 2009 der zweite staatlich ausgehandelte Vertrag zwischen der Schweiz und den USA zur Bereinigung der Schwarzgeld-Vergangenheit mit Amerikanern.
Geld und Namen
Für Bern wäre ein solches Abkommen eine schwere Niederlage, auch wenn Ambühl und Widmer-Schlumpf das Gegenteil behaupten dürften. Bereits beim UBS-Abkommen vor 2 Jahren hatte die Schweiz kapituliert. Entgegen dem Kleingedruckten im Vertrag machte Bern der Schweizer Bevölkerung damals aber weis, dass der UBS-Vertrag den Bankgeheimnis-Frieden mit den USA bringen würde.
Das Gegenteil trifft zu. Widmer-Schlumpf und Ambühl, die beide beim 2009er-Abkommen wichtige Rollen spielten, müssen nochmals tief in die Taschen greifen, wie sich jetzt zeigt. Aus der einen zaubern sie weitere US-Kundennamen hervor und löchern damit das bereits weitgehend aufgeweichte Bankgeheimnis noch stärker; aus der anderen überschütten sie die USA mit Milliarden, die von den Banken zu zahlen sind.
Verlorene Ehre
Waren Ambühl, Widmer-Schlumpf und die übrigen Beteiligten des UBS-Deals von 2009 naiv? Wollten sie der bedrängten UBS helfen? Oder war damals nicht mehr herauszuholen? Die Fragen bleiben offen. Klar ist, dass die obersten politischen Verantwortlichen der Schweiz im ersten Anlauf keinen wasserdichten Deal abgeschlossen haben, der das US-Problem gelöst hätte.
Das ist schlimm. Denn schon der UBS-Staatsvertrag trug der Schweiz den Ruf einer Bananenrepublik ein, die Recht zulasten des Auslands zurechtbiegt.
Stiftungen im Visier
Nun geraten offenbar US-Stiftungsgeber ins Visier, die entgegen dem Zweck des Vehikels weiter aufs Stiftungsvermögen zugriffen.
Wie beim UBS-Staatsvertrag würden damit rückwirkend die Regeln geändert. Damals stempelte die Schweiz 4500 US-Kunden im Nachhinein zu schweren Steuersündern, wenn sie mehr als eine Million Franken in der Schweiz hielten und damit drei Jahre hintereinander über 100 000 Franken pro Jahr einnahmen.
Wie der Dreh mit der schweren Steuerhinterziehung wäre auch die neue Auslegung bei den Stiftungen ein juristischer Murks, um den eigenen Kopf aus der US-Schlinge zu ziehen. Der Ruf einer Bananenrepublik, den sich die Schweiz in Teilen der Welt eingehandelt hat, würde zementiert.
And the winners are … die Schweizer Bankenchefs
Das Vorgehen von Ambühl und Widmer-Schlumpf soll mit den wichtigsten Bankenchefs der Schweiz abgesprochen sein. Diese haben eine persönliche Sorge, die offensichtlich über dem Wohl ihrer ausländischen Kunden steht. Sie müssen nämlich derzeit befürchten, bei der Einreise in die USA von den Behörden verhaftet oder zurückbehalten zu werden.
Deshalb, so ist aus Zürcher Finanzkreisen zu hören, würden viele Topshots des Bankenplatzes auf einen zweiten Deal mit den USA drängen. Sie würden so ihren Bewegungsspielraum zurückgewinnen, den sie verloren haben. Die Zeche hätten ihre US-Kunden zu zahlen, von deren Gebühren sie und ihre Banken lange profitiert hatten.
Bern scheint bereit, den Bankenchefs aus der Patsche zu helfen. Der Preis wäre hoch: Der Verkauf des letzten Stücks Bankgeheimnis-Seele würde einen dunklen Schatten auf das Land werfen.