Whistleblower – umstritten, aber nötig

20minuten.ch (20. Januar 2011) – Elmer, Assange, Birkenfeld: Als Personen nicht über jeden Zweifel erhaben, ihre Wirkung auf die Mächtigen der Welt ist aber heilsam.

Rudolf Elmer, der seine Ex-Arbeitgeberin Julius Bär in die Enge treibt und sich dem Kampf gegen Steuerhinterziehung verschrieben hat, wurde vom Gericht in Zürich verurteilt. Als Person ist er wie viele Whistleblower und Helfershelfer umstritten. Das liegt in der Natur der Sache.

Rudolf Elmer behagt das mediale Scheinwerferlicht. Am Montag übergab der Ex-Manager der Privatbank Julius Bär an einer stark beachteten Pressekonferenz in London Wikileaks-Chef Julian Assange zwei neue CDs, auf denen Tausende noch unbekannter Bankkundendaten stehen sollen.

Eigene Vergehen werden ausgeblendet

Auch beim Prozess am Mittwoch in Zürich liess Elmer die Chance, sich medial in Szene zu setzen, nicht ungenutzt verstreichen. In der Pause vor der Urteilsverkündung seines Strafprozesses erklärte er der Finanzindustrie und ihrer Steuerhinterziehungspraxis den Krieg.

Bei all diesen Auftritten stellt sich Elmer als uneigennütziger Kämpfer gegen das Monster einer intransparenten, zerstörerischen Banken-Offshore-Praxis dar. Die eigenen Vergehen blendet er aus.

Wirkungsvolle Kämpfer, fragwürdige Persönlichkeiten

Damit erinnert Elmer an UBS-Whistleblower Bradley Birkenfeld. Der Amerikaner bedrängte seine Ex-Arbeitgeberin anfänglich aus Rachelust. Dass er sein eigenes illegales Tun den Ermittlern verheimlichte, kostete ihn zuletzt die Freiheit.

Auch Wikileaks-Gründer Julian Assange, der Elmer unterstützt, ist umstritten. Er soll wegen Vergewaltigungsvorwürfen an Schweden ausgeliefert werden. Elmer, Birkenfeld und Assange, die alle grosse Schlagzeilen schreiben und für ihren Mut im Kampf gegen das System gelobt werden: Es sind Typen mit Schattenseiten.

Davon zu trennen ist die Wirkung, die sie mit ihren Aktionen auf die Mächtigen der Welt erzielen. Julius Bär versuchte anfänglich, Elmers Datenpublikationen auf Wikileaks durch einen Gerichtsentscheid zu verhindern. Der Schuss ging nach hinten los, Wikileaks und Elmer wurden auf einen Schlag bekannt, die Weltpresse stürzte sich auf die geheimen Daten.

Spezieller Kampf braucht spezielle Typen

Was die Whistleblower und deren Beschützer Assange auslösen, ist grundsätzlich gut. Sie bringen mehr Licht in trübe Geschäfte und Praktiken, was der Gesellschaft hilft, Hintergründe zu erkennen. Die Machthaber, sei es in der Politik, sei es in der Wirtschaft, werden sich bewusst, dass sie dereinst verantwortlich gemacht werden für ihre Entscheide und Manöver. In Zukunft wird öfters geahndet, wenn Versprechen und Taten zu stark auseinanderklaffen.

Der Trend zu mehr Transparenz und Verantwortungsbewusstsein hat schon früher eingesetzt. Doch es brauchte berühmte Whistleblower-Fälle, damit klar wurde, dass ein neues Zeitalter begonnen hat. Das ist das Verdienst von Elmer, Birkenfeld, Assange und anderen.

Ihre eigenen Verfehlungen, ihr spezieller Charakter und ihre Persönlichkeit, stehen auf einem anderen Blatt Papier. Möglicherweise hängt das Eine mit dem Anderen zusammen. Wären es nicht spezielle Typen, die über Leichen gehen können, würden sie den Kampf gegen die Macht kaum derart kompromisslos führen.


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