Interlaken ist das intimere Davos

20minuten.ch (2. Juni 2010) – Das Swiss Economic Forum im Berner Oberland ist zwar in der Öffentlichkeit weit weniger bekannt als das World Economic Forum in Davos, bei Insidern aber sehr beliebt.

Am Swiss Economic Forum in Interlaken treten ab nächstem Donnerstag Tony Blair, Philipp Hildebrand und Paul Krugman auf. Auch weniger Bekannte wie der neue UBS-Schweiz-Chef Lukas Gähwiler referieren. Der Anlass ist beliebt – nicht zuletzt wegen der imposanten Bergkulisse.

Paul Krugman, einfluss- und geistreicher Kommentator der Zeitung «New York Times», zeigt sich selten an Wirtschaftskongressen. Das World Economic Forum (WEF) in Davos besuche er höchstens alle paar Jahre, sagte er kürzlich der «Bilanz». «Mir ist das zu viel Show, zu viel Aufregung, zu viel Selbstdarstellung», meinte der Nobelpreisträger, und fuhr fort: «Aber auf Interlaken freue ich mich. Ich werde meine Frau mitnehmen – und meine Wanderschuhe».

Ein kleines Who-is-who der Welt- und Schweiz-Elite

Am Kurort zwischen Thuner- und Brienzersee findet ab nächstem Donnerstag die diesjährige Ausgabe des Swiss Economic Forums statt. Dieses hat es unter den Grossen in Politik und Wirtschaft innert kurzer Zeit zu erstaunlichem Ansehen gebracht. Dass es dieses Jahr wegen einem Umbau in Thun, wo die Tagung sonst durchgeführt wird, in den Tourismusort mit Blick auf das Alpen-Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau verschoben wurde, ist offenbar nur von Vorteil.

Die Teilnehmerliste von 2010 liest sich wie ein kleines Who-is-who. Unter vielen anderen treten auf: Tony Blair, Ex-Premier von England, Doris Leuthard, Bundespräsidentin, Philipp Hildebrand, Nationalbank-Präsident, Pascale Bruderer Wyss, Nationalratspräsidentin, Adolf Muschg, Schriftsteller, Peter Sloterdijk, Philosoph. Hauptmoderatoren sind die Fernsehfrau Christine Maier und Nahost-Experte Erich Gysling.

UBS will an neuem Image feilen

Doch nicht nur die Aufritte der Superstars geben zu reden. Auch die Teilnehmer von Panels, in denen mehrere Persönlichkeiten über ein Thema diskutieren, versprechen interessant zu werden. An einem dieser Workshops tritt mit Lukas Gähwiler ein UBS-Hoffnungsträger erstmals in seiner neuen Funktion ins öffentliche Rampenlicht.
Gähwiler, seit zwei Monaten zuständig für das wichtige Schweiz-Geschäft der sich aufrappelnden Grossbank, diskutiert in Interlaken mit Ex-Sulzer-Präsident Ulf Berg und Multi-Verwaltungsrat Thomas Staehelin zum Thema «Schweizer Wirtschaft und Banken».

Vordergründig geht es beim Panel, das von der UBS gesponsert wird, um die Partnerschaft zwischen Finanzplatz und Industriestandort. Für die UBS ist der Auftritt ihres neuen Schweiz-Chefs jedoch Teil einer Strategie, die vor Monaten verabschiedet wurde und nun in die Tat umgesetzt wird. Sie heisst: Auf den finanziellen Turnaround muss jener beim Ruf, bei der Reputation folgen – und der beginnt in der Schweiz.

Gähwiler soll dem Image-Turnaround ein Gesicht geben

Zum Gesicht für den Stimmungsumschwung soll ausgerechnet der 45-jährige Gähwiler werden, der zuvor jahrelang für Konkurrentin Credit Suisse gearbeitet hatte. Der Familienvater wird in Interlaken und bei späteren internen und externen Auftritten versuchen, seine neue Arbeitgeberin als geläutertes Unternehmen darzustellen.

Vorbei sein sollen die Zeiten, als die UBS mit irrwitzigen Wetten und illegalen Geschäftspraktiken ihren Gewinn maximiert und damit die Schweiz an den Rand einer Staatskrise geführt hatte. Stattdessen will Gähwiler das Bild einer neuen Bank zeichnen, die wieder für alle Schweizer Privatkunden und Firmen, ob gross oder klein, die erste Adresse für Finanzgeschäfte sein kann.

UBS will zum «good corporate citizen» werden

Gähwilers Interlaken-Auftritt und viele weitere in den kommenden Monaten sind für die Bank von grösster Bedeutung. Die angestrebte Wandlung vom arroganten, heimatlosen Finanzmulti zum «good corporate citizen», einem Unternehmensbürger mit Sinn fürs Gemeinwohl, ist für «New UBS» von zentraler Bedeutung.

Die Grossbank will hier, in ihrer Heimat, beweisen, dass sie es ernst meint mit den wohlklingenden Versprechen. Der «grossen Dankbarkeit» nach der Rettungsaktion im Herbst 2008 und dem Daten-Notabwurf vom Februar 2009 sollen nun Taten folgen. Diese müssen auf eine bescheidene, bodenständige und für die Schweizer Volkswirtschaft verantwortungsbewusste Bank hinwirken.

Gähwilers Auftritte können der UBS bei ihrem Neustart helfen. Entscheidend wird aber sein, dass der 66-jährige CEO Oswald Grübel und sein Team an der Spitze der Bank den Wandel tatsächlich in die Tat umsetzen wollen. Immer noch deutet vieles auf das Gegenteil hin.


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