Rezession, Konsum und das Tal der Tränen

20minuten.ch (1. Dezember 2009) – Die Rezession ist formell zu Ende. Doch Aymo Brunetti, der Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Seco, wagt keine Prognose, wann der Aufschwung für die Schweizer spürbar wird.

Herr Brunetti, Sie sprechen von «gefühlter Rezession». Was ist das?
Aymo Brunetti: Die Veränderungen beim Bruttoinlandprodukt sind nur ein sehr grobes Mass. Wir hatten vier negative Quartale, jetzt sind wir leicht im Plus. Das freut uns, sieht aber vor allem auf dem Papier gut aus. Ein richtiger Aufschwung, eben ein von den Menschen «gefühlter», ist das noch nicht. Im Arbeitsmarkt gehts weiter bergab. Darauf kommt es an.

Wie stark wird die Arbeitslosigkeit steigen?
In zwei Wochen werden wird die neue Prognose publizieren. Das Bild wird sich nicht fundamental verändern. Der Anstieg wird einfach weitergehen. Das ist die schlechte Botschaft.

Die Industrie krankt weiter. Warum?
Industrie ist ein weites Feld. Aber nehmen wir die Maschinenindustrie, die für das Land wichtig ist. Die ist abhängig von der weltweiten Investitionsfreudigkeit. Und diese ist derzeit gering. Die Produktionen sind immer noch schwach ausgelastet, Unternehmen sitzen weiterhin auf leeren Kapazitäten. Das ist einfach nicht der Moment für Investitionen. Und darunter leidet die Schweizer Maschinenindustrie.

Ist diese Exportabhängigkeit also die Achillesferse eines Teils der Schweizer Industrie?
Das würde ich nicht sagen. Weltweit herrscht eine Investitionsflaute, die Schweiz ist gar nicht so schlecht aufgestellt und relativ breit diversifiziert.

Sind wir vor allem von Europa abhängig?
Hauptsächlich ja. Generell gilt aber, dass die Schweizer Exportindustrie weniger stark getroffen ist, da sie eine gute Diversifikation aufweist. Sie ist auch in Schwellenländern präsent.

Die Leute scheinen die Krise zu ignorieren, das Weihnachtsgeschäft läuft. Ein Widerspruch?
Das ist tatsächlich das Spezielle in der jetzigen Situation. Der Konsum ist nach wie vor deutlich höher als erwartet. Die Stimmung ist offenbar relativ gut. Auch hier wird ein negativer Effekt durch die höhere Arbeitslosigkeit eintreten. Aber wir rechnen nicht mit einem Einbruch. Die Immigration, ausgelöst durch die Personenfreizügigkeit, wirkt als Stimulus für den Konsum.

Wo steht die Schweiz auf dem Weg durch das Tal der Tränen?
Wir sind gar nie so stark in dieses Tal der Tränen geraten. Sicher wird 2009 das schlechteste Jahr seit Jahrzehnten. Die grosse Frage aber lautet: Was passiert 2010 und 2011? Die weltweite Finanzkrise ist noch nicht ausgestanden, siehe Dubai. Der Schweiz erging es bisher besser als anderen Ländern. Aber eine Prognose ist diesmal speziell schwierig.


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