Flotte Sprüche statt Lösungen
20minuten.ch (17. September 2009) – Stabwechsel bei der Bankiervereinigung: Mirabaud geht, Odier kommt. Ein guter Moment, um nochmals auf den Tisch zu hauen. Auf diesem hätte man allerdings lieber Lösungen zur Bewältigung der Schwarzgeld-Gelder. Statt dessen reitet Mirabaud eine letzte Attacke gegen den deutschen Peitschenknaller.
Eines muss man dem Mann lassen: Pierre Mirabaud, scheidender oberster Bankier der Schweiz, sagt, was er denkt. Pointiert, schnörkellos und konkret. Das ist mutig, das ist selten im kleinen Land mit den hohen Bergen und den dicken Banktresormauern.
Bei letzteren beginnen aber bereits die Probleme des 61-jährigen. Mirabaud nimmt zwar kein Blatt vor den Mund, was er aber sagt, bleibt widersprüchlich. Zum Beispiel an der heutigen Pressekonferenz zum Stabwechsel: Mirabaud zieht die OECD-Beamten ins Lächerliche, weil diese zwar Steuerparadiese attackierten, selbst aber keine Abgaben leisten müssten.
Mag ja sein. Nur: Darum geht es nicht. Die OECD, bei der die Schweiz nota bene das Vizepräsidium innehat, findet Steuerschlupflöcher unethisch, weil die Bewohner eines Steuerparadieses die Bürger einer Steuerwüste schädigten. Jeder Euro aus Deutschland, der schwarz in der Schweiz oder in Liechtenstein landet, erhöht die Steuerlast der zurückbleibenden Bevölkerung.
Letzte Attacke auf den deutschen Peitschenknaller
Sowieso: Beim Thema Deutschland sieht Mirabaud immer noch rot. «Auch finde ich es gar nicht ethisch, wenn ein schnellsprechender, aber langsam denkender deutscher Finanzminister die Schuld an den hohen Staatsschulden bei anderen Ländern sucht und nicht bei einem über Jahrzehnte aufgeblähten Klientelhaushalt oder einem für seine Bürger viel zu komplizierten Steuersystem»“, sagte der scheidende Präsident Mirabaud am Donnerstag vor den Medien.
Abgesehen davon, dass unklar bleibt, in welchem Sinne der angesprochene Peer Steinbrück langsam denkt, stösst auch diese Mirabaudsche Attacke ins Leere. Die Deutschen mögen unter ihrer Steuerlast und der Bürokratie ächzen und stöhnen, so viel sie wollen, das ändert nichts an der Tatsache, dass dies nicht unser Bier ist.
Vor der eigenen Tür wischen
Wir pflegen unser System, die Deutschen ihres. Einmal mehr die alte Platte vom hässlichen deutschen Staat auflegen, der die Bürger in die Flucht treibt und die nur dank der humanitären Tradition der Schweizer Finanzindustrie noch Asyl finden, kann nicht die richtige Verteidigungsstrategie sein. Wir müssen unsere Probleme lösen, das Ausland die seinen. Mit dem Finger auf den Anderen zeigen, ist im besseren Fall nutzlos, im schlechteren kontraproduktiv.
Ganz abgesehen davon: Das Bild der wohltätigen Finanzinstitute überzeugt auch nicht wirklich. Dass sich die UBS in ihrem US-Steuerstreit nicht besonders menschenfreundlich verhalten hat, wissen wir inzwischen zur Genüge. Die Zeche bezahlen insgesamt über 5000 amerikanische Kunden.
Nachfolger Odier muss neue Vorschläge bringen
Von Mirabaud bleiben flotte Sprüche und markige Worte in der Erinnerung. Seinem Nachfolger Patrick Odier überlässt er, die Herausforderungen zu meistern. Deren sind viele. Vor allem die Aufarbeitung des Geschäfts mit dem Schwarzgeld, politisch korrekt ausgedrückt mit den steuerunehrlichen Vermögen, wird zu einer herkulinischen Aufgabe.
Denn es geht ja längst nicht mehr nur um die USA. Diese haben ihren Sieg errungen, lassen wohl Zehntausende von Steuerpflichtigen zur Ader, und haben mit ihrem Kanonendonner dafür gesorgt, dass sich keine Schweizer Bank mehr die Finger mit unversteuerten US-Geldern verbrennen will.
Die Vergangenheit ruht noch lange nicht
Die Franzosen schiessen ebenfalls scharf, wie die 3000er Liste des französischen Budgetministers deutlich macht. Die Engländer haben die grösste Datensammelaktion ihrer Geschichte gestartet, auch deutsche Massnahmen drohen. Die Vergangenheit ruht noch lange nicht.
Darauf müssen Patrick Odier und seine Bankiervereinigungen eine Antwort finden. Wie sollen Schweizer Banken ihre Kunden mit hinterzogenen Geldern in die Zukunft begleiten, in der es in der Schweiz nur noch deklarierte Vermögen zur Anlage geben soll?
Abgeltungssteuer ist ein richtiger Schritt in die neue Welt
Die vom operativen Chef Urs Roth präsentierte Abgeltungssteuer löst das Problem der Vergangenheit nicht. Das sei «keine Amnestie zum Nulltarif», stellte Roth klar. Das Modell, bei dem die Schweizer Banken die Vermögenserträge und Kapitalgewinne zum gleichen Satz besteuern, wie er im jeweiligen Ausland gilt, verdient trotzdem Respekt. Endlich kommt ein Vorschlag der Bankiervereinigung, der nicht nur die Vergangenheit betoniert, sondern die Zukunft mitgestaltet.
Vielleicht kann der Vorschlag den drohenden automatischen Informationsaustausch zwischen der EU und der Schweiz noch abwenden. Sicher ist das nicht, doch ein interessanter Gegenvorschlag zum transparenten Bankkunden ist die Abgeltungssteuer der Bankiervereinigung allemal. Wenn vom neuen Mann an der Spitze der helvetischen Finanzindustrie noch mehr proaktive Ideen kommen, kann neue Hoffnung spriessen.