Die Schweiz – das Land der Duopole
20minuten.ch (25. November 2009) – Orange und Swisscom, Novartis und Roche, UBS und CS, Migros und Coop, Axpo und Alpiq. Im kleinen Land gibt es in vielen Branche zwei Grosse und viele Kleine, während das mittlere Segment verschwindet. Das muss nicht schlecht sein.
Da waren es nur noch zwei. Dieses Lied kennt seit heute eine neue Strophe. Die Mobilanbieterin Orange, die zur France Télécom gehört, übernimmt Konkurrentin Sunrise. Deren dänische Mutter TDC wird Minderheitspartnerin. Damit erhält auch der Schweizer Telekommarkt jene Struktur, die in vielen Branchen vorherrscht. Zwei Grosse teilen sich den Markt auf. Für kleine Anbieter öffnen sich spannende Nischen, dazwischen gibt es kein Überleben.
Im Telekommarkt fordert Orange künftig Marktleaderin und Ex-Monopolistin Swisscom heraus. Im Pharmamarkt liegen Novartis und Roche unangefochten an der Spitze. Beim Strom haben sich die beiden Konsortien Axpo und Alpiq herausgeschält. Bei den Banken halten UBS und CS rund 50 Prozent Marktanteil in der Schweiz. Im Detailhandel kommt niemand an Migros und Coop vorbei. Haus- und Autoversicherungen kaufen Herr und Frau Schweizer meist bei Axa Winterthur oder der Zürich Versicherung.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Auch in weniger beachteten Branchen beherrschen oft zwei Firmen das Geschehen. In der Spezialitätenchemie Ciba und Clariant, in der Logistik Panalpina und Kuehne + Nagel, bei den Pharma- und Chemiezulieferern Lonza und Ems Chemie. Als Beispiele aus der klassischen Industrie könnte man ABB und Holcim als Powerduo bezeichnen, auch wenn sie in unterschiedlichen Märkten zuhause sind.
Die Ausnahmen bestätigen die Regel. Den Uhrenmarkt dominiert eine einzige Unternehmung, die Swatch Gruppe. Und in der lukrativen Medtech-Industrie verfügt die Schweiz über drei Weltklasseunternehmen, nämlich Synthes, Straumann und Nobel.
Mehrheitlich aber sind es zwei Riesen und der Rest, die sich für das Land offenbar als ideale Kombination herauskristallisiert hat. Warum? Für drei Unternehmen war es offensichtlich zu schwierig, die in den 90er Jahren einsetzende Globalisierung zu meistern. Also spannten zwei zusammen, um genügend Kraft für die Konsoliderung auf Weltstufe zu haben.
Wenn der Schwächere im Stärkeren aufgeht
1996 fusionierten Ciba und Sandoz zur Novartis. Das Unternehmen sprang auf den zweiten Platz der Welt-Pharmaliga und liess Roche anfänglich weit hinter sich. 1998 legten sich UBS und Bankverein zusammen und setzen sich eine Zeitlang von der Credit Suisse ab. Unter dem Axpo-Dach bündelte die Deutschweizer Stromindustrie ihre Kräfte, bis es ihr die Westschweizer unter der Alpiq-Marke gleichtaten. Der Medtech-Konzern Synthes entstand durch Übernahmen von Mathis und der früheren Straumann.
Es sind Beispiele, bei denen der Schwächere im Stärkeren aufging, um im Kampf gegen den Marktführer bestehen zu können. Auch die heutige Übernahme von Sunrise durch Orange fällt in diese Kategorie. Als Variante dazu gibt es ausländische Übernahme-Offensiven wie der Kauf der Winterthur-Versicherung durch Axa. Den Franzosen schien eine milliardenschwere Akquisition offenbar erfolgversprechender als ein zäher Aufbau aus eigener Kraft. Auch der Kauf der Swiss durch die deutsche Lufthansa könnte man in dieses Kapitel schlagen, auch wenn von echten Kauf bei einem Preis von wenigen hundert Millionen Franken kaum die Rede sein kann.
Duopole müssen für die Kunden nicht schlecht sein
Eine Wirtschaft mit zwei dominanten Playern nennt man Duopol. Im Unterschied zum Monopol, bei dem ein Marktführer das Geschehen bestimmt, stehen sich zwei Firmen gegenüber. Die Gefahr besteht, dass sie sich das Leben nicht unnötig schwer machen. Im schlechten Fall richten sie ihre Preise nach jenen des Konkurrenten aus, statt mit günstigen Offerten Marktanteile zu gewinnen.
In der Fliegerei springen die Nachteile von Duopolen ins Auge. Bedienen drei Airlines die gleiche Strecke, profitiert der Kunde von tiefen Preisen. Sind es hingegen nur zwei, liegen die beiden Angebote meistens sehr nah beieinander – nämlich deutlich höher als im Fall von echter Konkurrenz.
In der heutigen Wettbewerbslandschaft muss ein Duopol trotzdem nicht zwingend zum Preis-Schrecken führen. Das beste Beispiel dafür, dass sich die Zeiten geändert haben und auch Duopolisten an den Kunden denken, sind Coop und Migros. Seit Coop unter der Führung von Hansueli Loosli beschloss, Branchenprimus Migros zu entthronen, profitiert der Konsument von tieferen Preisen und attraktiveren Produkten. Allerdings geschah der Aufbruch nicht zuletzt unter dem drohenden Einfall ausländischer Harddiscounter wie Lidl und Aldi.
Im Fall von Swisscom und Orange dürften Billigstangebote verschwinden. Es war oft Sunrise, die mit Discountofferten versuchte zu überleben. Doch insgesamt könnte der Konsument auf seine Rechnung kommen. Er hat die Wahl zwischen den Produkten von zwei ungefähr gleich starken, professionell geführten Telekomkonzernen. Duopole richten in der Schweiz, so scheint es, keinen nachhaltigen Schaden mehr an.