Polizisten schikanieren Sandwich-Unternehmer
20minuten.ch (28. August 2009) – In der Wirtschaftskrise braucht es Unternehmertypen mit Ideen und Engagement, sonst landen noch mehr Leute in der Arbeitslosigkeit. Doch statt Kleinbetrieben zu helfen, legt ihnen die Zürcher Wirtschaftspolizei Steine in den Weg. Ein kleines Beispiel aus der grossen Wirtschaftsmetropole.
«Menüfoif» heisst der Sandwichshop beim Zürcher Escher-Wyss-Platz, wo der Journalist mit seinen Bürokollegen regelmässig das Mittagessen einnimmt. Der Laden ist vielleicht drei auf vier Meter gross, hat einen breiten Kühlschrank mit selbst gemachten Sandwiches, Salaten, Müesli und Schoggikuchen. Beim Fenster zur Strasse ist eine Art Theke, auf der Flyers liegen.
Zur Freude des Besitzers und seiner zwei Teilzeit-Angestellten kommt das Angebot an. Die KV-Lehrlinge der nahen «Business-School» frequentieren den Shop ebenso häufig wie Angestellte und Freischaffende aus dem Quartier. Die meisten machen Take-away, ein paar Kunden – darunter wir – geniessen das Essen an der Theke, im Sommer verweilen wir auf einer kleinen Sitzbank vor dem Laden oder stellen uns an einen der zwei Bartische mit Sonnenschirm. Wände und Sitzbank in grellem Rosa sind das Markenzeichen des sympathischen Ladens.
Der Shop erinnert an «Smoke» von Paul Auster in New York
Die Betreiber des Mini-Shops, der Erinnerungen an den Film «Smoke» mit Harvey Keitel in der Rolle eines New Yorker Kioskbesitzers weckt, kriegten vor drei Tagen Besuch der ungebetenen Sorte. Zwei Beamte der Zürcher Wirtschaftspolizei nahmen über die Mittagszeit schwungvoll die zwei Stufen zum Laden, steuerten schnurstracks auf den Besitzer zu und lasen ihm die Leviten.
Mehrere Gäste, so ihre Beobachtung, hätten im Innern die gekauften Esswaren verzerrt oder sich gar mit ihrem Essen an einen der Bartische draussen vor dem Shop gestellt. Vor Ort verfügten die Stadtpolizisten, dass dem Treiben bis um 14 Uhr ein Ende bereitet werden müsse. Seither steht auf einer Tafel vor dem Laden die Warnung «Das Konsumieren unserer Produkte ist im und vor dem Geschäft verboten», und auch im Innern des kleinen Shops liegen entsprechende Hinweise auf.
Die Massnahme der Stadtpolizei erinnert an die Zeit Anfang der 90er-Jahre, als es in Zürich noch Rayonverbote für Restaurants und Bars gab. Die Folgen kennen wir: Ein Spitzenbeamter des Kantons liess sich damals für die benötigten Bewilligungen bestechen. Als das unsinnige Verbot an der Urne fiel, verwandelte sich die grösste Schweizer Stadt innert kürzester Zeit aus einer Gastrowüste in eine lebendige Ausgeh-Metropole.
Behördenschikane wie zu Zeiten der Zürcher Wirteaffäre
Der Fall des Sandwichshops ist anders gelagert, fällt aber ebenfalls unter das Kapitel «Behördenschikane». Um Gäste wie wir, die gerne eine Zeitlang im Laden verweilen und mit den Angestellten über Gott und die Welt sprechen, weiterhin zufriedenzustellen, müssen die Betreiber Toiletten einbauen – eine für das weibliche Publikum, eine zweite für das männliche.
Da jetzt schon kaum Platz für das Essen, das angrenzende Büro, die Gäste und den Lagerraum vorhanden ist, ist der Einbau von zwei WC-Kabinen keine Alternative. Somit bleibt nur, der Verfügung der Beamten Folge zu leisten und die Gäste wegzuschicken, sobald sie eingekauft haben.
Die Folgen sind nicht zu unterschätzen. Jener Teil der Stammkundschaft, der über den Mittag gerne im Laden bleibt, könnte sich nach Alternativen umsehen. Bleibt in Zukunft jeder zehnte Gast fern, bedeutet dies ein Umsatzeinbruch um 10 Prozent. Für ein Geschäft, das knapp kalkulieren muss, sind das keine Peanuts.
Solche Überlegungen scheinen für die Beamten der Zürcher Stadtpolizei nicht im Zentrum zu stehen. Vielmehr gilt: Gesetz ist Gesetz. «Wer ein ‹Klein- und Mittelverkaufspatent› hat, darf Getränke und Esswaren nicht zum Genuss an Ort und Stelle abgeben», sagt Michael Wirz von der Stadtpolizei Zürich. «Sonst braucht es ein Gastgewerbepatent, und dies erfordert weitere Auflagen.»