Mr. Swiss Banking sieht keine schweren Fehler
20minuten.ch (22. Juni 2009) – Die Bankiervereinigung, neudeutsch Swiss Banking, erhält im Herbst mit dem Genfer Privatbankier Patrick Odier einen neuen Präsidenten. Odier übernimmt von Pierre Mirabaud, der nichts von gravierenden Fehlern wissen will. Dabei fehlt im Steuerstreit seit Beginn eine klare Strategie.
Die USA haben die Schweiz in ihrem Kampf gegen die UBS gedemütigt; Deutschlands Finanzminister Peer Steinbrück hat gute Chancen auf einen ähnlichen Erfolg; und der Bundesrat brach am 13. März ein und gab das Bankgeheimnis in alter Form auf.
Und was sagte Pierre Mirabaud, scheidender Präsident der Bankenlobby Swiss Banking, an der heutigen Pressekonferenz auf die Frage, ob er im Rückblick einen wichtigen Fehler gemacht habe? «Ich sprach im Zusammenhang mit Deutschland von Gestapo-Methoden, was Ihre Gilde mit ‚Pfui‘ quittierte, während das Schweizer Volk applaudierte.» Sonst sei er vielleicht ab und zu zu forsch gewesen für den Verwaltungsrat von Swiss Banking.
Salbungsvolle Worte statt klare Strategie
Mehr war da nicht, schon gar keine echte Selbstkritik. Kein Wort verlor Mirabaud, dessen Markenzeichen die runde Hornbrille, der Zwirbelschnauz und das Brusttüchlein sind, zum Debakel beim Bankgeheimnis. Die Schweiz steht seit Wochen unter dem Trommelfeuer der USA, Deutschlands und weiterer grosser Staaten. Doch von einer klaren Position, was der Finanzplatz zu geben bereit ist und was unverhandelbar ist, ist weit und breit nichts zu sehen.
Da nützten salbungsvolle Worte wenige, wie sie heute von Mirabaud und seinem Nachfolger, dem Genfer Privatbankier Patrick Odier von Lombard Odier Darier Hentsch geäussert wurden. Es brauche ethische Banker, oder eben Banquiers, die durch «Nachhaltigkeit, Berechenbarkeit, ethische Ansprüche, Kundennutzen, Partnerschaft und Masshalten» auszeichnen würden, sagte Odier. Der Ruf der Branche, so der designierte Präsident weiter, habe in der Krise gelitten. «Es ist mir ein Hauptanliegen, wieder Vertrauen zu schaffen.»
Vertrauen als Worthülse
Odier fährt fort, was Mirabaud aufgegleist hat. Trotz Lehman-Missberatung, trotz UBS-Debakel, trotz Mithilfe zum Steuerbetrug in den USA und Massenverlusten der Kundschaft beten die obersten Verantwortlichen des Schweizer Finanzplatzes gegenseitig nach, was die Branche aus der Krise führen könne: neues Vertrauen schaffen. Weil konkrete Massnahmen und Strategien aber fehlen, wird der Begriff zur leeren Worthülse.
Der Schweizer Bankenplatz steht vor enormen Herausforderungen. Morgen findet die zweite Steuerparadies-Konferenz der grossen europäischen Staaten in Berlin statt, bereits heute Abend wird Finanzminister Hans-Rudolf Merz mit seinem Pendant Steinbrück über ein zukünftiges Doppelbesteuerungsabkommen sprechen. Das Ziel aus Schweizer Sicht lautet nur noch, die schlimmstmögliche Wendung abzuwehren: den automatischen Datenaustausch. Alles Andere, nämlich die Datenherausgabe auf Anfrage bei vermuteten Steuerdelikten, gibt das Land her.
Es war unter der sechsjährigen Leadership von Monsieur Mirabaud, in der die einst mächtige und strategisch agierende Bankiervereinigung als Swiss Banking vom Weg abkam. Die Vereinigung hätte eine Liste erstellen müssen, mit den wichtigsten Verhandlungspunkten wie Zinssteuer ausweiten ja/nein, Datenaustausch auf Anfrage ja/nein, gleicher Marktzugang für Schweizer und ausländische Banken ja/nein etc. Bei jedem Punkt hätten die Lobbyisten festhalten müssen, was verhandelbar wäre und was so genannte No-gos sind.
Schützengraben-Mentalität
Doch auf die Frage, welche Strategie der Schweizer Finanzplatz verfolgen würde, um weg vom Schwarzgeld zu kommen, antwortete Mirabaud: «Ich verstehe die Frage nicht. Schwarzgeld? Die Schweizer Banken haben keine Strategie bezüglich Schwarzgeld.» Schon seit Jahren fusse das Wachstum der Branche nicht mehr auf steuerhinterzogenem Geld.
Die Episode legt nahe, dass unter Mirabauds Präsidentschaft die Devise galt, dass unter allen Umständen der Eindruck eines sauberen Finanzplatzes aufrecht zu erhalten war. Die Schweiz sollte jeglichen Vorwurf, Helfershelferin von internationalen Steuersündern zu sein, rigoros dementieren.
Dazu passte, das verschärfte Vorgehen Europas und der USA zu ignorieren. Vor lauter Dementis merkte die Bankenlobby nicht, dass sich die Stimmungslage im Ausland massiv zu Ungunsten des Schweizer Finanzplatzes entwickelte. Als sie ihren Kopf endlich aus dem Reduit-Graben streckte, war der Krieg bereits verloren.