UBS – USA: Der Schmusekurs ist gescheitert

20minuten.ch (14. Januar 2009) – Die US-Justiz jagt den UBS-Topmann Raoul Weil. Ausserhalb der Schweiz ist er nirgends mehr sicher. Der Schmusekurs, den die UBS-Chefs Marcel Rohner und Peter Kurer gegenüber den USA fahren, scheint gescheitert. Geraten sie selbst bald ins Visier der US-Ermittler?

Die US-Strafbehörden haben gestern die Nummer drei der Grossbank, Raoul Weil, als flüchtigen Angeklagten ausgeschrieben. Weil der Arm der Amerikaner weit reicht, kann der Generaldirektor die Schweiz nicht mehr verlassen, ohne Angst vor einer Inhaftierung haben zu müssen, wie frühere Beispiele zeigen.

Man kennt den Ausdruck aus US-Thrillern: «Fugitive», Flüchtender. Ein solcher ist nun offiziell Raoul Weil. Der 49-Jährige wurde von einem US-Richter auf Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Festnahme ausgeschrieben. Damit kann der dritthöchste UBS-Banker, der bis November die weltweite Vermögensverwaltung der Bank mit Zehntausenden von Mitarbeitern und bisher stolzen Milliardengewinnen, nicht mehr risikofrei die Heimat verlassen.

Weil wird vorgeworfen, 19 000 UBS-US-Kunden mit 18 Milliarden Dollar Vermögen bei der Steuerhinterziehung geholfen und damit Amerika um jährlich bis zu 300 Millionen Franken Steuereinnahmen betrogen zu haben. Weils Anwälte bezeichneten die Anklage, die vor zwei Monaten erfolgte, als haltlos, und wollen für ihren Mandanten vor Gericht einen Freispruch verlangen.

Flüchtige sind fast nirgends sicher vor US-Zugriff

Andere Fälle von Wirtschaftsanklagen zeigen, wie unzimperlich die Amerikaner mit gesuchten Angeklagten umgehen können. Im Sommer 2003 führte die südkoreanische Polizei auf Geheiss der US-Behörden den Zürcher Wirtschaftsanwalt Hans Bodmer am helllichten Tag ab.

Bodmer sass gerade für seinen Universitäts-Sportverband auf dem Podium einer Veranstaltung in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, als ihn ein Hotelangestellter von der Ankunft einer mehrköpfigen Polizeicrew informierte. Dem Schweizer blieb gerade noch Zeit, ins Zimmer zu eilen, das Nötigste einzupacken und seine Angehörigen und Anwaltskollegen in der Heimat ins Bild zu setzen. Dann wurde Bodmer abgeführt, in eine Limousine gesteckt, den zuständigen Gremien vorgeführt und in eine Haftanstalt gesteckt.

Bodmer half nur noch eine Kooperation

Für den zähen, sportlichen Rechtsanwalt begann wohl eine der härtesten Prüfung seines Lebens. Monatelang schlief er auf einer dünnen Matte, ernährte sich von dürftigen Reisportionen und war lange Zeit von der Schweiz abgekoppelt. Die Amerikaner liessen den Anwalt schmoren, dem sie Mithilfe bei einem Rohstoff-Deal über Hunderte Millionen Dollar in einer Ex-Republik der Sowjetunion vorwarfen, bei dem mächtige US-Anleger zu Schaden gekommen waren.

Bodmer kam zum Schluss, dass ihm nur noch Kooperieren aus seiner misslichen Lage helfen kann. Er offerierte den US-Behörden, auf Einsprachen gegen seine Auslieferung zu verzichten. Im Jahr 2004 holten ihn US-Beamte in Seoul ab und flogen ihn nach Washington. Nach einer Weile wurde er aus der Haft entlassen, musste aber noch während Monaten eine elektronische Fussfessel tragen, durfte einen bestimmten Bewegungsrayon nicht verlassen, musste jeden Abend pünktlich in seinem provisorischen Zuhause sein und den Ermittlern ständig für Einvernahmen zur Verfügung stehen. Erst als sich Bodmer in einem Punkt schuldig bekannte, liessen ihn die Amerikaner laufen.
Wie weiter mit Raoul Weil bei der UBS?

Das Schicksal von Hans Bodmer könnte für UBS-Generalgeneraldirektor Raoul Weil eine Warnung sein. Eine Verhaftung droht Personen, die den US-Status eines Flüchtigen tragen, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Drittländern. Überall dort, wo die US-Behörden ihren Einfluss geltend machen können, besteht eine potenzielle Verhaftungsgefahr. Schon Italien könnte für Raoul Weil ab sofort zur Sperrzone werden. Wirklich sicher vor einem Zugriff der US-Häscher ist der UBS-Manager nur noch in der Schweiz.

Der neue Status eines «Fugitive» bedeutet eine scharfe Zäsur für den Mann, der bis vor kurzem den für die Bank wichtigsten Geschäftsbereich leitete und in den Jahren, als die UBS noch stolze Gewinne schrieb, auf ein Jahreseinkommen von rund zehn Millionen Franken gekommen sein dürfte.

Selbst Kurer und Rohner könnten bald gejagt werden

Für die Grossbank stellt sich nun ebenfalls die Status-Frage für ihr langjähriges Kadermitglied. Offiziell ist Raoul Weil seit der Anklage vom vergangenen November von seiner Funktion befreit, um sich auf seinen Prozess vorbereiten zu können. Auf der UBS-Website wird Weil aber immer noch als Mitglied der Konzernleitung und damit als einer der obersten zwölf operativen Manager des Finanzmultis aufgelistet. Für die US-Behörden bedeutet dies, dass die UBS Raoul Weil trotz der Anklage nicht fallen lassen will.

Möglicherweise haben ihre Ermittler auch deshalb den Druck erhöht. Für die UBS-Spitze unter Präsident Peter Kurer und CEO Marcel Rohner ist seit der Anklageerhebung gegen Raoul Weil klar, dass der zuvor eingeschlagene Schmusekurs – die UBS hatte sich im Sommer 2008 für ihre Mithilfe bei der Steuerhinterziehung in den USA öffentlich entschuldigt und ihren Rückzug aus dem Geschäft mit reichen US-Kunden in der Schweiz angekündigt – nicht erfolgversprechend ist. Sowohl Kurer als auch Rohner können nämlich nicht ausschliessen, als Nächste ins Visier der USA zu geraten.


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