AIG-Rettung hilft Swiss Re – zumindest vorerst

20minuten.ch (17. September 2008) – Swiss Re, der weltgrösste Rückversicherer, rechnet mit maximal 250 Millionen Franken Verlusten auf Lehman- und AIG-Obligationen. Trotz Erholung der Aktie verunsichern die Milliarden-Investments in undurchsichtigen US-Wertpapieren die Anleger.Neben der UBS gab es vor allem einen grossen Schweizer Titel, der in den letzten Tagen stark einbrach: die Aktie des Rückversicherungskonzerns Swiss Re. Der Kurs sank von über 67 Franken auf noch knapp 54 Franken, minus 20 Prozent. UBS brachen um fast 30 Prozent ein.Die Gegenreaktion von heute fiel nicht heftig aus. Am Mittag kostete eine Swiss-Re-Aktie rund 56 Franken, ein Plus von etwa 4 Prozent. Noch immer liegt der Kurs rund 50 Prozent tiefer als letzten Herbst.

Die Investoren begrüssten die heutige Offenlegung der Swiss-Re-Engagements gegenüber der konkursiten US-Investmentbank Lehman und des weltgrössten Erstversicherungskonzerns AIG, der in der Nacht auf heute von der US-Regierung gerettet wurde. Gefährdet sind 50 Millionen Franken bei Lehman und 200 Millionen bei AIG. «Unser Exposure gegenüber Lehman und AIG besteht hauptsächlich in Unternehmensanleihen», sagt Swiss-Re-Sprecherin Simone Lauper.

Zuvor hatte die UBS maximal 300 Millionen Dollar Ausstände gegenüber Lehman Brothers gemeldet, die Münchner Rück, Nummer 2 im Rückversicherungsmarkt, sprach von 350 Millionen.

AIG-Kollaps würde Domino-Effekt auslösen

Der Swiss Re kommt die Rettung der US-Versicherung AIG zugute. Nachdem sich alle privaten Hilfsaktionen zerschlagen hatten, sprang gestern Abend die US-Notenbank Fed ein und sprach dem schlingernden amerikanischen Versicherungskonzern einen Notkredit über 85 Milliarden Dollar zu. Im Gegenzug übernimmt der Staat 80 Prozent der AIG-Aktien.

«Nicht betroffen von den aktuellen Entwicklungen ist unser traditionelles Rückversicherungsgeschäft mit AIG», sagt Swiss-Re-Sprecherin Simone Lauper.

Die US-Notenbank und das US-Finanzdepartement befürchteten, dass ein unkontrollierter Kollaps von AIG einen Dominoeffekt zur Folge haben könnte. AIG hat einen Milliardenberg hochkomplexer Kreditpapiere versichert. Fällt AIG als Versicherer dieser Papiere aus, müssen Banken und Investoren ihre Positionen in undurchsichtigen Wertschriften weiter abschreiben und neue Kapitalerhöhungen durchführen. Wer aber soll ihnen noch Geld geben?

Swiss Re könnte Marktanteile von AIG gewinnen

Vontobel-Versicherungsanalyst Uwe Otten in Köln sieht Vorteile für die Swiss Re, wenn sich AIG, die auch eine grosse Konkurrentin im Rückversicherungsgeschäft ist, in Zukunft stärker auf die Erstversicherung konzentrieren will, weil «damit der Druck auf die Prämien weniger lange anhalten» werde. An ihrer jährlichen Konferenz in Monte Carlo zeigte sich, dass die Erstversicherer für 2009 tiefere Rückversicherungsprämien zahlen. Entsprechend sinken die Einnahmen für Swiss Re & Co.

Swiss Re sitzt auf Tonnen exotischer Kreditpapiere

Die schwierige Zukunft im Kerngeschäft erklärt nicht, warum die Swiss Re von der Börse seit Monaten stärker bestraft wird als die meisten Konkurrenten. Während der Börsenwert des Unternehmens nur noch 70 Prozent der ausgewiesenen Werte in der Swiss-Re-Bilanz ausmachen, liegt diese Kennziffer bei der Münchner Rück bei 90 und bei der deutschen Allianz bei 100.

Der Grund dafür ist der gleiche wie bei der UBS. «Swiss Re ist von den Anlegern härter abgestraft worden, weil ihr Engagement in gefährlichen Kreditpapieren in den USA viel grösser ist als jenes anderer Versicherer», sagt Vontobel-Analyst Otten. Im November vor Jahresfrist gab Swiss Re aus heiterem Himmel einen Abschreiber von 1,2 Milliarden Franken bekannt, nachdem der Rückversicherer noch zwei Wochen zuvor einen stolzen Quartalsabschluss präsentierte.

Swiss-Re-CEO Jacques Aigrain versprach damals ein «erfolgreiches ganzes Jahr», falls nicht noch unerwartete Naturkatastrophen das Ergebnis verhageln würden. Der happige Verlust mit US-Kreditpapieren wird zwar auch als Katastrophe in die Swiss-Re-Geschichte eingehen, aber nicht als eine unvermeidliche Tragödie, sondern eher als selbst verschuldete Vertrauenskrise.


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