Hat die UBS die US-Behörden systematisch hintergangen?

20minuten.ch (20. Juni 2008) – Die Geständnisse des Ex-UBS-Kundenberaters Bradley Birkenfeld erhöhen den Druck auf die UBS, den US-Ermittlern Kundendaten offenzulegen. Die Strategie der Schweizer besteht darin, «wenige» schwarze Schafe auszuliefern und möglichst rasch den Fall hinter sich zu bringen. Gelingt das?

Ein hoher UBS-Manager sagte kürzlich, die Bank wolle «wenige» Kundennamen offenlegen, bei denen UBS-Berater die feine Grenze zwischen Hilfe zu Steuerhinterziehung und Beihilfe zu Steuerbetrug überschritten hätten. Dass es sich um <20 000 Kunden mit 20 Milliarden Dollar Vermögen handelt, wie die «New York Times» kürzlich schrieb, bezeichnete ein Zürcher UBS-Manager als «Quatsch». Zutreffend sei, dass die Bank so viele US-Gelder aus der Schweiz aus verwalten würde.

Hinter den Kulissen laufen seit Wochen Verhandlungen zwischen der UBS und den US-Behörden. Diese werden derzeit von lautem Kampfgebrüll der ermittelnden Staatsanwälte übertönt. Die Ermittler präsentierten gestern den Deal mit ihrem Kronzeugen, dem ehemaligen UBS-Kundenberater Bradley Birkenfeld (43), der am Abend Schweizer Zeit ein umfassendes Geständnis vor einem Gericht in Fort Lauderdale nördlich von Miami in Florida ablegte. Birkenfeld erhofft sich, die Maximalstrafen von fünf Jahren Gefängnis und 250 000 Dollar Busse zu umgehen. Das Urteil wird für den 13. August erwartet.

Mit Diamanten in der Zahnpasta

Das Kerndokument, das die US-Staatsanwälte mit Birkenfeld ausgehandelt haben und mit dem diese die UBS in den Schwitzkasten nimmt, trägt den Namen «Statement of Facts» (Tatsachenaussage). Der US-Bürger Birkenfeld listet die Vergehen auf, die er als UBS-Manager von 2001 bis 2005 begangen hat. Unter anderem beschreibt er, wie er Diamanten in einer Zahnpastatube zu einem vermögenden Kunden in die USA schmuggelte.

Es sind aber nicht Anekdoten, welche die von der Kreditkrise geschwächte Schweizer Grossbank teuer zu stehen kommen könnte. In der Tatsachenaussage zeichnet Birkenfeld die UBS als eine Bank, die systematisch eine zentrale Abmachung mit den USA missachtet habe. Es handelt sich dabei um das so genannte Qualified Intermediary (QI), das die UBS mit den USA 2001 aushandelte und womit sich die Schweizer verpflichteten, Namen und Vermögen der US-Kunden, die sie aus der Schweiz aus betreute, den Behörden offenzulegen. Sollte der Kunde die Offenlegung ablehnen, durfte er nicht mehr in US-Wertschriften investieren und sich nicht mehr in den USA von den UBS-Beratern betreuen lassen.

„Falsche und irreführende“ Steuerformulare eingereicht

Beide Vorgaben wurden systematisch missachtet, behauptet Birkenfeld. «Die Manager der Bank erlaubten und animierten Birkenfeld und andere Kundenberater, in die USA zu reisen, um neue Kunden zu akquirieren sowie bestehende zu betreuen.» Birkenfeld und andere Kundenberater der UBS hätten zusammen mit ihren US-Kunden «falsche und irreführende» Steuerformulare eingereicht, die zeigen sollten, dass «die Besitzer der Konten vorgetäuschte Offshore-Einheiten» gewesen seien.

Birkenfelds Aussagen betreffen vor allem dessen Tätigkeit für den vermögenden Immobilienunternehmer Igor Olenicoff, der sich ebenfalls schuldig bekennt hat und mit einer 52-Millionen-Busse eine Gefängnisstrafe abwenden konnte. Olenicoff war offenbar der einzige grosse Kunde, den Birkenfeld betreute. 2001 wechselte Birkenfeld von der Schweizer Filiale der englischen Barclays Bank zur Genfer US-Abteilung der UBS und nahm seinen Topkunden mit. Damals unterzeichnete die Barclays Bank ebenfalls ein QI-Abkommen mit den USA und entschied darauf, die Offshore-Betreuung von US-Kunden einzustellen. Im Unterschied zur Barclays wollte die UBS nicht auf die Einnahmen von jährlich bis zu 200 Millionen Dollar mit ihren US-Offshore-Kunden verzichten. Sie wagte einen schwierigen Spagat, indem sie sowohl deklarierte als auch nicht deklarierte US-Kunden betreute.

UBS zahlte Birkenfeld eine halbe Million Dollar

Erst vier Jahre später, im Juni 2005, zeichnete sich offenbar auch bei der UBS ein Umdenken ab. Birkenfeld und sein Partner Mario Staggl, ein Liechtensteiner Finanzberater, empfahlen ihrem reichen Kunden Olenicoff, dessen Vermögen von der UBS auf eine Liechtensteiner Bank zu überweisen, weil das Fürstentum «bessere Bankgeheimnis-Gesetze als die Schweiz» habe. Wenige Wochen darauf kündigte Birkenfeld und verliess die UBS sofort, sein Arbeitsvertrag endete im Frühling 2006. Er drohte der UBS mit einem Prozess vor Arbeitsgericht, worauf ihm die UBS eine halbe Million Franken überwies.

Die UBS sagt seit Wochen, sie kooperiere mit den Behörden. Eine andere Wahl bleibt ihr kaum. Im Tatsachenbericht, den Birkenfeld mit den US-Behörden ausgehandelt hat, steht, dass «Bankmanager und Kundenberater wussten, dass sie ohne Lizenz Finanz-Dienstleistungen anboten, Anlageempfehlungen machten und Transaktionen mit Wertschriften ermöglichten mit Kunden in den USA». Weil die UBS-Berater, die aus der Schweiz aus arbeiteten, keine solchen Services anbieten durften, ermittelt die US-Finanzaufsicht SEC in einem zweiten Verfahren gegen die Schweizer.

Der Bundesrat unterstützt die UBS im Fall Birkenfeld

Einen Ausweg erkennt die UBS in der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Birkenfelds Taten fallen unter Steuerbetrug, weil er zusammen mit seinem Liechtensteiner Berater Offshore-Konstrukte erstellt und Belege gefälscht hatte. Laut einem UBS-Manager in den USA, der nicht öffentlich Stellung nehmen will, ist es nur bei einem verschwindend kleinen Teil der <20 000 US-Kunden, welche die Bank aus der Schweiz aus betreute, zu solchen Betrügereien gekommen. Der überwiegende Teil der Berater hätte sich an die Vorschrift gehalten, nicht deklarierte Vermögen ihrer US-Kunden nicht in amerikanische Wertschriften zu investieren. Allerdings wusste die Bankenleitung, dass ihre Berater ihre US-Kunden vor Ort berieten, was gegen das Abkommen mit den Amerikanern verstiess.

Die Schweizer Behörden und der Bundesrat unterstützen die UBS in ihrem Bemühen, den Fall Birkenfeld und US-Vermögensverwaltung rasch zu bereinigen und wieder nach vorn blicken zu können. Ein möglicher Deal ist eine hohe Busse und ein völliger Verzicht auf Offshore-Dienstleistungen. Die UBS hat ihre US-Abteilung bereits im November geschlossen. Offen ist, ob hohe UBS-Manager angeklagt werden. UBS-Generaldirektor Martin Liechti (47) muss weiterhin in einem Hotel in Miami den US-Ermittlern für Befragungen zur Verfügung stehen und darf das Land nicht verlassen. Die UBS hat zudem für viele Mitarbeiter ein Reiseverbot in die USA erlassen.


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