Steuertrick des Bank-Chefs wird geduldet

20minuten.ch (11. Oktober 2011) – An der Goldküste leben, in Liechtenstein versteuern: Dieses Modell pflegte der Chef der Bank Clariden Leu. Für die lokale Behörde ist das in Ordnung, nicht aber für den Kanton.

Gelebt hat Jaquet in der Zeit ab 2002 aber nicht in der vermutlich günstigen Wohnung im Ländle, deren Gebäude an einen Plattenbau erinnert, sondern in einem Doppeleinfamilienhaus am Hang in Männedorf, einem idyllischen Kleinstädtchen an der Zürcher Goldküste. Dort hatte Jaquet 2001 ein eigenes Anwesen überbaut, wie das Grundbuchamt von Männedorf bestätigt.

Jaquets Lebenszentrum sei die ganze Zeit ab 2002 in der Gemeinde am See gelegen, sagt die Sprecherin von Clariden Leu. Dies hatte zuvor die «SonntagsZeitung» publik gemacht.

Alles in Ordnung für Männedorf

Trotz dieser Konstellation geht für den obersten Finanzchef der Gemeinde Männedorf alles mit rechten Dingen zu. Giampaolo Fabris von der Freisinnigen Partei (FDP) begründete seine Einschätzung gestern gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: Banker Jaquet habe in seiner früheren Funktion Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein haben müssen.

Das ist exakt die gleiche Argumentation von Private-Banker Olivier Jaquet respektiv seiner Sprecherin. Als Ex-Chef der Credit-Suisse-Tochtergesellschaft Life&Pensions sei ein Wohnsitz in Liechtenstein nötig gewesen.

Doch ab 2006 war die Ausgangslage eine andere. Life&Pensions wurde in den CS Trust integriert, eine weitere Tochter der Credit Suisse. Olivier Jaquet wurde damals Chef von CS Trust. Der Sitz von CS Trust lag nicht in Liechtenstein. Die Vorgabe, wonach der Geschäftsführer einer Liechtenstein-Gesellschaft im Ländle Wohnsitz haben muss, bestand somit nicht mehr.

Offizielles Domizil im Ländle

Trotzdem behielt Jaquet, ein studierter Jurist, sein offizielles Domizil im Fürstentum. Begründet wird das von seiner Sprecherin damit, dass er nur auf diese Weise die Funktionen von Life&Pensions weiter ausüben konnte, nun eben als oberster Chef der Firma CS Trust. Der Trust habe die Aufgaben der früheren Liechtenstein-Tochter übernommen. Auch die Pressestelle der Muttergesellschaft Credit Suisse argumentiert legalistisch. Man habe die Vorschriften der lokalen Behörden einhalten müssen, heisst es dort.

Ob die Liechtensteiner Regelung mit Wohnsitz in Vaduz für Banker Jaquet weiterhin galt, bleibt offen. Unabhängig davon erkennt der oberste Steuerchef des Kantons Zürich Adrian Hug im Konstrukt ein Problem.

Für Hug ist klar, dass nicht die Vaduzer Firmenvorschriften entscheidend sind für die Frage, wo jemand seine Steuern zahlt. «Für sich allein ist das kein Grund, einen Wohnsitz zu verneinen», sagt Hug auf Anfrage von 20 Minuten Online. «Entscheidend für unsere Steuersicht ist der Wohnsitz.»

Gestützt wird Hugs Einschätzung von einer Antwort der Zürcher Regierung von 2008 auf eine parlamentarische Initiative. Das Hauptsteuerdomizil einer natürlichen Person sei der Ort, «wo sich der Mittelpunkt» der Lebensinteressen befinden würde, schrieb der Regierungsrat mit Bezug auf das Bundesgericht. Entscheidend seien die «äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen», unabhängig von den «Wünschen der steuerpflichtigen Person».

Männedorfer Finanzvorstand und Clariden-Gutzwiller sind Parteifreunde

Damit konfrontiert meinte der Männedorfer Finanzvorstand Giampaolo Fabris, dass die Lage eben nicht eindeutig sei. «Entscheidend ist doch, wo Herr Jaquet die meiste Zeit gelebt hat, ob hier bei uns in Männedorf oder in Vaduz.» Dies könnten die Behörden nicht ohne Weiteres beurteilen. «Wir überwachen unsere Bürger nicht», meinte Fabris.

Dass Clariden-Chef Jaquet via seine Sprecherin ausrichten lässt, die fragliche Zeit in Männedorf gelebt zu haben, lässt Fabris unberührt. Er sei froh, wenn der Banker ab nächstem Jahr seine Steuern im Seeort bezahle. Das sei die Absicht, sagte Jaquets Sprecherin dem «Tages-Anzeiger».

Zufall oder nicht: Der Männedorfer Finanzpolitiker Fabris, der nicht gewillt ist, trotz klaren Anzeichen für ein aussergewöhnliches Steuerkonstrukt aktiv zu werden, gehört der gleichen Partei an wie eine wichtige Figur an der Spitze der Privatbank Clariden Leu. Die Rede ist vom freisinnigen Ständeratskandidaten Felix Gutzwiller. Gutzwiller sitzt im Verwaltungsrat der Clariden Leu und präsidiert den Nominierungsausschuss der Privatbank.

Der FDP-Spitzenpolitiker war damit entscheidend bei der Wahl von Olivier Jaquet zum CEO der Clariden-Privatbank diesen Frühling. Auffällig war damals, dass Clariden Leu lange externe Kandidaten geprüft hatte. Obwohl sie laut Insidern fündig geworden war, zauberte sie plötzlich den internen CS-Juristen Jaquet aus dem Hut. Gutzwiller war für eine Stellungnahme nicht innert nützlicher Frist erreichbar.


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