Steuerstreit mit den USA: Um Mitternacht läuft die Deadline aus
20minuten.ch (6. September 2011) – Die Drohung stammt von oberster Stelle: Die USA geben Bern bis heute Dienstagnacht Zeit, den Umfang der Steuerhinterziehung via CS offenzulegen.
US-Vize-Justizminister James Cole schrieb den Schweizer Verhandlungspartnern letzte Woche, dass der Countdown jetzt laufe. Man wolle sofort «volle Auskunft» über die Anzahl US-Kunden, die via Konten bei der Credit Suisse (CS) Steuern hinterzogen haben könnten, steht in Coles Brief. «Wir sind gewillt, diese Deadline bis zum 6. September zu verlängern, aber dieses Datum erachten wir als entscheidend».
Knickt die Schweiz ein, oder bleibt sie standhaft? Die Antwort ist: Sie wird wohl nachgeben. Justiz-Kadermann Cole drohte in seinem Schreiben nämlich an, dass sonst zu befürchten sei, «dass uns kaum eine andere Wahl bleibt, als andere Mittel anzuwenden, die uns zur Verfügung stehen». Dass die USA imSteuerstreit das tun, was sie ankündigen, haben sie in diesem Konflikt bewiesen.
Entscheidend für diese Einschätzung ist, dass die Schweiz die angeforderte Auskunft erteilen kann, ohne das Bankgeheimnis zu verletzen oder Notrecht anzuwenden. Was nämlich viele Politiker und andere Meinungsführer nicht zu begreifen scheinen, ist, dass die USA im jetzigen Stadium lediglich Informationen über Art und Ausmass der Steuerhinterziehung von US-Bürgern via Schweizer Bankkonten einfordern. Es geht nicht um konkrete Namen, sondern um eine Offenlegung des Ausmasses der Steuerhinterziehung, zu dem die Schweizer Banken Hand geboten haben.
Als Nächstes droht der Dammbruch
Daraus folgt, dass Bern hinter den Kulissen durchaus auf die US-Forderungen eingehen und gleichzeitig so tun kann, als ob man standhaft bleiben würde. Damit würden die Politiker scheinbar Stärke demonstrieren – nicht zuletzt, um sich im laufenden Wahlkampf keine Blösse zu geben.
Doch wer meint, dass mit der Herausgabe des Mengengerüsts noch nichts Schlimmes passiere, irrt. Die Amerikaner wollen nicht nur «ein wenig» wissen, wie viele US-Bürger Gelder auf Schweizer Bankkonten versteckt hielten oder immer noch halten. Vielmehr verlangen sie äusserst präzise Auskünfte über die Frage, wie viele Kunden bei welcher Bank auf welche Art und Weise Steuern hinterzogen haben. Kurz, Amerika will alles haben, ausser die konkreten Namen.
Das ist clever. Auf eine vorschnelle Offenlegung der konkreten Namen der US-Kunden können die USA vorerst verzichten. Hat Bern erst das Mengengerüst geliefert und weiss Washington, um wie viele Kunden mit welchem Vermögen es geht, dann ist die Offenlegung einer grossen Zahl von US-Bankkunden nur noch eine Frage der Zeit und des nötigen Drucks.
Und dann ein «Super-Super-Amtshilfegesuch»
Wie der US-Vize-Justizminister in seinem Drohbrief ausführt, würden die Amerikaner nach einer Offenlegung der geforderten «statistischen Information» – die neben der CS die Datenmenge von 9 weiteren Banken umfasst – ein ordentliches Amtshilfebegehen bei der Schweizer Regierung stellen.
Schliesslich müsste Bern rasch die «nötigen» Schritte zur «erleichterten und beschleunigten» Datenherausgabe ergreifen. «Wenn wir auf diese Weise alle Informationen bis zu einem bestimmten Datum für eine bestimmte Anzahl von Konten erhalten, werden wir die angedrohten Zwangsmassnahmen schubladisieren», locken die USA.
Das obige Szenario würde zu einer fast vollständigen Offenlegung von US-Kundendaten führen, mit vermutlich Zehntausenden von Steuersündern, die in den USA gebüsst oder gar im Gefängnis landen würden. Es wäre das gleiche Vorgehen wie im Fall UBS mit zuletzt 4450 Namen, die die Schweiz offenlegen musste. Damals war die Rede von einem Super-Amtshilfegesuch, nun droht also ein Super-Super-Verfahren.
Anklage gegen Wegelin oder Basler Kantonalbank
Die Alternative wäre, dass die Schweiz hart bleiben und den USA rundweg eine Abfuhr bezüglich den geforderten statistischen Informationen erteilen würde. Dann ist als Vergeltung mit einer strafrechtlichen Anklage der USA gegen eine der 10 betroffenen Banken zu rechnen.
Treffen könnte es als Erstes ein Institut, das für die Stabilität des Welt-Finanzmarkts nicht entscheidend ist; also nicht die Credit Suisse, sondern beispielsweise die Basler Kantonalbank (BKB) und/oder eine Privatbank, beispielsweise die Sankt-Galler Wegelin.
Im Szenario mit der BKB stünde eine Bank mit offizieller Staatsgarantie am Pranger. Damit wäre nicht nur das Institut herausgefordert, sondern der ganze Kanton und sogar die Schweiz. Im Fall eines unkontrollierten Niedergangs der BKB müsste der Staat die Gläubiger schadlos halten.