Die fieberhafte Suche nach einem Deal

20minuten.ch (6. April 2011) – Seit die USA Kundenberater der Credit Suisse (CS) ins Visier nehmen, sucht der Bund verzweifelt nach einer Strategie gegen die US-Offshore-Ermittlungen.

Seit die US-Justizbehörden (DOJ) gegen Kundenberater der Credit Suisse (CS) ermitteln, ist definitiv klar, dass aus dem Westen eine zweite Offensive gegen die Schweiz bevorsteht. Die frühere Berner Taktik des Augen-Verschliessens wurde unmöglich, die Vermutung, dass der UBS B”rsenkurs-Staatsvertrag erst der Auftakt war, zur Gewissheit.

Hinter den Kulissen herrscht seither fiebrige Aufgeregtheit. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und ihr Staatssekretär für Finanzfragen Michael Ambühl haben in den letzten Wochen Vertreter verschiedener Schweizer Banken empfangen, um von diesen zu erfahren, wie sie die Lage bezüglich US-Offshore-Geschäft einschätzen, wie von Bankmanagern und aus dem Finanzdepartement zu erfahren ist.

Bern mauert

Mario Tuor, Sprecher des Staatssekretariats für Internationale Finanzfragen (SIF), will auf Anfrage von 20 Minuten Online die Gespräche nicht bestätigen. Er verweist lediglich auf regelmässige Unterredungen mit den USA. «Es ist noch verfrüht, über konkrete Lösungsansätze zu sprechen», sagt Tuor.

Ein Bankenvertreter, der nur anonym Auskunft geben will, spricht von hilflosen Versuchen der politischen Verantwortlichen. «Sie haben keine Idee, wie sie die Amerikaner stoppen wollen», sagt der Banker. Das Ziel der Unterredungen sei offenbar die Agenda von Widmer-Schlumpf im Wahljahr, meint die Quelle. «Sie weiss, dass sie den Finanzplatz für sich gewinnen muss, wenn sie im Herbst wiedergewählt werden möchte».

«USA halten CS B”rsenkurs im Schwitzkasten»

Dass hinter den laufenden Gesprächen mit den Banken nicht mehr stecken würde, belege das offensichtliche Desinteresse der USA an einer Bereinigung der alten Schweizer Steuerbeihilfe-Praxis, sagt die Auskunftsperson. «Die Amerikaner haben die UBS in die Knie gezwungen, nun halten sie die CS im Schwitzkasten», sagt der Banker. «Bisher haben sie ihr Ziel immer problemlos erreicht. Warum sollten sie nicht weitermachen, bis sie alle Banken mit einigermassen grossem US-Offshore-Geschäft zur Rückgabe der in ihren Augen unrechtmässig erzielten Gewinne gezwungen haben?» Die Hoffnungen auf ein glimpfliches Ende für die CS, wie sie letzte Woche der US-Botschafter ausdrückte, seien jedenfalls unrealistisch.

Donald Beyer, Botschafter der USA in Bern, hatte der NZZ mit Blick auf einen zweiten grossen Fall, diesmal mit der CS im Mittelpunkt, letzten Dienstag gesagt: «Wir haben die Hoffnung und die Erwartung, dass sich die Angelegenheit auf wenige Einzelpersonen beschränkt». Soweit er es beurteilen könne, habe die Credit Suisse über Strukturen verfügt, «welche einen systematischen Betrug durch ihre Mitarbeiter» verhindert hätten.

US-Anwalt: DOJ ermittelt weiter

Dass die US-Justizbehörden (DOJ) die CS nicht ungeschoren davonkommen lassen würde, davon ist auch ein amerikanischer Anwalt überzeugt, der mehrere amerikanische CS-Kunden betreut. «Die DOJ-Leute wollen sich mit uns über die Aktivitäten der CS-Kundenberater unterhalten», sagt der Anwalt, der sich nicht namentlich zu erkennen geben will.

Dank den rund 20 000 US-Steuerzahlern, die ihre geheimen Auslandvermögen mittels Selbstanzeigen offenlegten, hätten die US-Behörden heute ein klares Bild der alten Schweizer Offshore-Praxis. Neben der UBS und CS würden weitere Banken auf einer Liste der US-Behörden stehen. «Es war eben doch ein systematisch betriebenes Modell, das zu dieser breitflächigen Steuerpraxis geführt hatte», sagt der US-Anwalt. Die CS müsse mit einer hohen Busse rechnen. Die UBS konnte sich Anfang 2009 mit einer Busse über 780 Millionen Dollar aus der Affäre ziehen.

CS schweigt

Ein CS-Sprecher wollte sich nicht zu den laufenden Gesprächen seiner Bank mit den US-Behörden äussern. In ihrem Geschäftsbericht schrieb die Grossbank vor kurzem, sie habe «auf Gesuch des US-Justizministeriums (DOJ) und bestimmter weiterer Behörden bestimmte Angaben zu in der Vergangenheit erfolgten, grenzüberschreitenden Private-Banking-Dienstleistungen an in den USA ansässige Personen zur Verfügung gestellt».


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