Minibusse für grössten Crash der Geschichte
20minuten.ch (14. Januar 2011) – Die Börse verordnet eine Busse über 100 000 Franken, weil die UBS Verluste verspätet gemeldet habe. Eine Geschichte von Dürrenmattscher Surrealität.
Die UBS verlor ab 2007 Dutzende von Milliarden, musste 2008 vom Staat vor dem Bankrott geschützt werden und verriet 2009 US-Kunden, um sich zu retten.
Die Schweiz leistete Schützenhilfe, opferte ihr Bankgeheimnis, zeigte in unzähligen Berichten Verständnis für das Unverständliche, ihre Strafbehörden legten die Hände in den Schoss.
Wie ein schlechter Witz
Heute, dreieinhalb Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise, erwischt es die UBS an einer Stelle, die im Vergleich zum Ausmass des Debakels wie ein schlechter Witz erscheint. Die Börse büsst die UBS mit 100 000 Franken, weil sie im Sommer 2007 die drohenden Milliardenabschreiber auf ihren US-Hypothekenberg zu lange verschwiegen habe.
Die Bank akzeptiert das Urteil, aber offenbar nicht ohne Gegenwehr. Die Börse hatte schon im letzten August die Busse vorgeschlagen, aber erst jetzt, fünf Monate später, wird sie rechtskräftig.
Eine solche Geschichte hätte sich selbst der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt kaum besser ausdenken können. Da geht eine vermeintlich übervorsichtige Schweizer Grossbank heimlich gigantische Risiken ein, um nach dem Crash zu behaupten, von nichts gewusst zu haben.
Doch nicht für ihre Misswirtschaft und die illegale Steuer-Praxis der Bank in den USA wird die oberste Crew zur Rechenschaft gezogen, sondern für ein vergleichsweise lächerliches Delikt wie eine verspätete Gewinnwarnung zuhanden der Investoren.
100 000 Franken Busse in der Schweiz, 780 Millionen Dollar in den USA
Wie grotesk es ist, dass die UBS in der Schweiz mit einer 100 000-Franken-Busse davonkommt, zeigt allein der Vergleich mit ihrem wichtigsten US-Verfahren. Dort musste die Bank mit 780 Millionen Dollar für ihre Sünden rund um Beihilfe zur Steuerhinterziehung geradestehen; ganz zu schweigen von den Entschädigungen für geprellte Anleger rund um die Finanzkrise, die in die Milliarden gehen.
Die Schweizer Mini-Busse mag lächerlich klingen, tief blicken lässt sie trotzdem. Das hat mit dem damaligen Verhalten der Spitze der Bank zu tun. Auf der einen Seite ist nun erhärtet, dass die damalige UBS-Spitze schon früh um die drohenden Milliardenverluste wusste. Gleichzeitig verkauften ihre Mitglieder in den Wochen und Monaten davor im grossen Stil eigene UBS-Aktien.
Bereits im Frühling 2007 schloss die Bank einen eigenen Fonds, der mit Wetten auf den US-Häusermarkt hohe Verluste erlitten hatte. Danach kannten «die massgebenden Gremien der UBS bereits Ende Juli/Anfang August 2007 die Auswirkungen der Sub-Prime-Probleme auf das Investment Banking» und wussten, dass die Investmentbank substanzielle Bewertungsverluste verkraften müsste, welche einen «wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis des Gesamtkonzerns» haben könnten. «Die Milliardenverluste pfiffen damals die Spatzen von den Dächern der Zürcher Finanzcity», sagt ein Insider.
Trotzdem schwieg die Führung unter ihrem damaligen Präsidenten Marcel Ospel und seinem frisch gekürten CEO Marcel Rohner als Nachfolger des langjährigen Konzernleiters Peter Wuffli. «Angesichts dieses Wissens war die Gewinnwarnung vom 14. August zu spät», urteilt die Börse.
Gut getimte Insider-Verkäufe
Möglicherweise hatten die Topleute der Bank schon viel früher eine Vorahnung, dass dunkle Wolken aufziehen würden. Von Mitte November 2006 bis Mitte Juni 2007 verkauften Verwaltungsräte und Konzernleitungsmitglieder in insgesamt 16 Transaktionen privat gehaltene UBS-Aktien im Wert von 55 Millionen Franken.
Ab Herbst 2006 hatten die Warnungen unter Investmentbankern in den USA zugenommen, dass der riesige US-Markt mit intransparenten Hypotheken-Vehikeln einbrechen könnte. Dass die grossen Investmentbanken möglicherweise mehr wussten als der Rest der Investorenschaft, könnte sich auch in den Verkäufen von Spitzenleuten der Credit Suisse zeigen. In der fraglichen Zeit von Herbst 2006 bis Frühling 2007 summierten sich diese auf 31 Millionen.