Ein Ansatz von Selbstkritik

20minuten.ch (24. September 2010) – Er hat mit seiner Crew die UBS in den Eisberg gefahren: Peter Wuffli. Nun veröffentlicht er seine Sicht der Dinge – und verrät indirekt sein Gesamteinkommen.
Peter Wuffli, 52, erklärt sich. Drei Jahre nach seinem Abgang von der UBS-Brücke kommt er zum gleichen Schluss wie andere gestrauchelte Spitzenbanker: Die Krise war ein Tsunami, nicht vorhersehbar und deshalb nicht das Verschulden der Bankenchefs.

Wuffli hat seine Sicht in einem Buch verpackt. «Liberale Ethik. Orientierungsversuch im Zeitalter der Globalisierung» heisst es und kommt in einer Woche auf den Markt. Die Wirtschaftszeitschrift «Bilanz» veröffentlicht heute unter dem Titel «Ich habe nicht fahrlässig gehandelt» einen Vorabdruck zum Thema UBS.

Wuffli gibt sich selbstkritisch

Verschiedentlich lässt Wuffli Selbstkritik aufleuchten. «In bestimmten Bereichen setzte ich auf Personen, welche die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllten. Ich vertraute zu sehr auf unsere Risikomanagement-Spezialisten und -Systeme. Zu solchen Versäumnissen stehe ich, und deren gravierende Konsequenzen bedaure ich zutiefst.»

Abgesehen davon bestreitet Wuffli vehement, bewusst gigantische Risiken im US-Häusermarkt eingegangen zu sein. Die ganze Finanzindustrie inklusive Politik hätten versagt. Kaum jemand habe rechtzeitig auf die Gefahr von Klumpenrisiken hingewiesen. «In Gesprächen mit Investoren und Regulatoren kam das Thema der Bilanzgrösse nur selten und ohne Dringlichkeit auf», sagte Wuffli.

Ex-Nationalbank-Vize widerspricht Wufflis Sicht

Kein Wort verliert Wuffli über frühzeitige Warnungen der Nationalbank. Wie ich in meinem Buch «Der UBS-Crash» aufzeige, thematisierte der damalige SNB-Vize Niklaus Blattner im Gespräch mit Wuffli das Thema Bilanzwachstum bereits im Jahr 2005, also 2 Jahre vor Ausbruch der Krise. Einerseits wies Wufflis UBS damals ein dickes Eigenkapitalpolster in Bezug auf die gewichteten Risiken aus, andererseits schmolz dieser Puffer gegen 2 Prozent, wenn man das eigene Kapital in Relation zur gesamten Grösse der Bank stellte. Dazu schreibe ich Folgendes:

«Wuffli meinte, wir würden das Problem nicht begreifen», sagte Blattner im Gespräch. «Als wir nicht lockerliessen, schlug Ospel später eine Aussprache mit anderen Topmanagern der Bank vor, unter anderem mit Marco Suter (Anmerkung: Chef Risiken im Verwaltungsrat). Dieser meinte überraschend, dass die Schere zwischen wachsender Bilanz und schrumpfendem Eigenkapital auch für den Verwaltungsrat der UBS ein Thema sei.» Im strategischen Führungsgremium, das auch die oberste Verantwortung für die Risiken trug, sei das Thema danach versandet. Von den Einwänden der Notenbank liessen sich die UBS-Chefs in ihrem Drang zur Weltspitze nicht beirren. «Wuffli wollte wachsen und sagte, die UBS habe nun einen grösseren Risikoappetit und wolle deutlich über 20 Prozent Return on Equity erzielen. (Anmerkung: Je kleiner das Eigenkapital, desto höher die Eigenkapitalrendite bei gleichbleibendem Gewinn.) Dabei führt ein solches Ziel doch in die Irre. Eine hohe Rendite aufs Aktienkapital wirkt nur optisch gut, ist aber für den einzelnen Aktionär irrelevant, da ohne Bezug zum aktuellen Aktienkurs. Über die effektive Rendite sagte dieser Fetischwert nichts aus.»

Soweit die Meinung des damaligen SNB-Vizes, der damit den heutigen Aussagen von Wuffli diametral widerspricht. Dass Wuffli vermutlich tatsächlich nichts von einer Beschränkung der Risiken wissen wollte, lässt sich aus dessen heutiger Begründung für den Aufbau eines UBS-eigenen Hedgefunds namens Dillon Read schliessen. «Unsere Achillesferse war das Zinsgeschäft. Ohne glaubwürdige Wettbewerbsfähigkeit in diesem Feld war die Investmentbank gefährdet, und ohne wettbewerbsfähige Investmentbank wankte das Geschäftsmodell der UBS, das damals weltweit als hochattraktiv galt.»

Um in diesem Bereich ebenfalls zur Spitze aufzuschliessen, gab Wuffli grünes Licht für die Gründung des Hedgefunds Dillon Read, welcher die bestehenden US-Hypothekenpositionen übernahm. Gleichzeitig liess es Wuffli zu, dass seine UBS-Investmentbank ebenfalls eine riesige Subprime-Position aufbaute. Als Wuffli im Zuge der späteren Schliessung von Dillon Read im Frühjahr 2007 von Bord ging, sass die UBS auf über 100 Milliarden Franken Subprime-Positionen.

Keine Schuld am UBS-Steuerfall

Schliesslich weist Wuffli im US-Steuerfall jede Schuld von sich. Die Verantwortlichen seien mehrere Hierarchiestufen unter ihm gewesen. «Dass hier in systematischer Art Beihilfe für betrügerische Aktivitäten von Kunden geleistet worden wäre, die über Einzelfälle und die Initiativen einzelner Mitarbeitenden mit krimineller Energie hinausging, kann ich auch heute noch nicht nachvollziehen», schreibt Wuffli. Tatsächlich tauchte Wuffli rund um die Mithilfe zu Steuerhinterziehung im US-Geschäft bisher nie als Mitverantwortlicher auf.

Zuletzt outet sich Wuffli als verantwortungsbewusster Schweizer. «Meine Frau und ich haben in den 25 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit rund 53 Millionen Franken Steuern bezahlt (AHV/IV- und ALV-Abzüge nicht eingerechnet), und zwar grösstenteils in einer eher steuerungünstigen Gemeinde im Kanton Zürich.» Er habe «nie viel von Menschen gehalten, bei denen Steueroptimierung einen bedeutenden Platz in ihrem Leben einnahm und die etwa den Wohnort primär aus steuerlichen Gründen wählten», meint Wuffli.

150 Millionen Gesamtverdienst

Aus der Zahl von 53 Millionen Steuern lässt sich das steuerbare Einkommen Wufflis in seiner bisherigen Berufskarriere schätzen. Der Einfachheit halber sei angenommen, dass Wuffli ab seinem 30. Lebensjahr einen stolzen Lohn nach Hause trug. Als er bei der UBS als 49-Jähriger Spitzenmann den Hut nahm, hatte er somit 20 Jahre lang einträglich verdient. Im Schnitt hätte Wuffli somit 2,5 Millionen Franken Steuern bezahlt.

Auf diese 2,5 Millionen kommt man mit einem steuerbaren Jahreseinkommen von rund 6,75 Millionen Franken (ohne Vermögenssteuern). Multipliziert man diese 6,75 Millionen mit Wufflis 20 Berufsjahren, landet man bei 135 Millionen Franken. Um schliesslich zu den tatsächlichen Einkünften zu gelangen, müssen noch die Abzüge berücksichtigt werden. Bei angenommenen 10 Prozent ergeben sich für Wuffli 150 Millionen Gesamteinkommen.

Damit läge Wuffli in der «Reichstenliste» der Schweizer Manager ein paar Dutzend Millionen hinter seinem einstigen Chef Marcel Ospel. Im Vergleich zu den jüngsten Bezügen des amerikanischen CEOs der Credit Suisse, Brady Dougan, verblassen sie gar. Allerdings hat Dougan kein Debakel à la UBS zu verantworten.

«Unternehmerischer Erfolg verdient Topentschädigung»

Für Wuffli war die hohe Entschädigung schon früh gerechtfertigt. Das machte er im März 2004 in der NZZ als Antwort auf eine Kritik an den hohen Managerlöhnen klar. Deren Wirtschaftschef hatte diese als «krank» bezeichnet, und zwar zu einem Zeitpunkt, als sich die Empörung über die «Abzocker» noch in Grenzen hielt.

«Wenn der Chef der NZZ-Wirtschaftsredaktion den Finanzsektor, immerhin den bedeutendsten und einen der weltweit wettbewerbsfähigsten Wirtschaftssektoren unseres Landes, im Zusammenhang mit der Entlöhnung von Führungskräften als krank bezeichnet, soll das nicht unkommentiert bleiben», enervierte sich der damalige UBS-Chef Wuffli.

Spitzenmanager grosser Konzerne würden als Unternehmer agieren, die am Erfolg beteiligt sein sollten, fuhr Wuffli fort, und führte das Zusammenführen von Bankverein und Bankgesellschaft zur UBS als Beispiel für grosse Leistungen an, wodurch ein Mehrwert von 60 Milliarden Franken für die Aktionäre entstanden sei. «Ist es denn so abwegig, wenn das Führungsteam – neben den institutionellen Eigentümern und dem Staat (über die Steuern) – auch in einem gewissen Umfang an diesem unternehmerischen Erfolg teilhaben will?», schloss der UBS-CEO seinen Gedankengang.

Die Antwort gab der UBS-Chef ein paar Jahre später selbst.


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