Rücktritt ist Haltiners bester Entscheid
20minuten.ch (18. August 2010) – Der Rücktritt von Finanzmarktaufsichts-Präsident (Finma) Eugen Haltiner überrascht höchstens vom Timing. Für sein Handeln droht Haltiner die Verurteilung.
In der Finanzkrise konnte sich die UBS auf ihren Mann in Bern verlassen. Die Rede ist von Eugen Haltiner, 62, ein langjähriger Kadermann der Grossbank. Als oberster Aufseher über den Schweizer Finanzmarkt (Finma) stützte Haltiner wiederholt den in Schräglage geratenen Tanker.
Nun tritt der Spitzenbeamte mit dickem UBS-Blut in den Adern auf Ende Jahr vorzeitig von der Bühne ab. Laut Haltiner erfolgt der Rücktritt „auf eigenen Wunsch“.
Zweifel bestehen. Der Entscheid ist nämlich das Eingeständnis eines Scheiterns. Zudem deutet er darauf hin, dass die Finma nichts Gutes von einem vor der Tür stehenden Entscheid des Bundesgerichts erwartet.
Die höchsten Richter im Land dürften in wenigen Wochen darüber befinden, ob Haltiner und seine Finma mit ihrem Beschluss, Kundendaten in einer Nacht- und Nebelaktion an die USA herauszugeben und damit das Schweizer Bankgeheimnis auszuhebeln, das Gesetz gebrochen haben.
Symbiotisches Verhältnis
Haltiner und UBS, das war ein symbiotisches Paar. Der Finma-Präsident stand vor seiner Berufung in die Hauptstadt über drei Jahrzehntelang im Dienst des Zürcher Finanzmultis. Als er dort rund um den Konkurs der Erb-Brüder einen Karriereknick erlitt, verschafften ihm seine Vorgesetzten den Job des obersten Aufsichtsbeamten.
Diesen führte der Generalstabsoberst ausser Dienst so aus, wie sich das seine langjährigen Kollegen in der UBS-Chefetage nicht besser wünschen konnten.
Unter Haltiner durfte die UBS – und die CS in etwas weniger ausgeprägtem Mass – riesige Wetten mit undurchsichtigen Anlagen eingehen. Spätestens die gigantische Bilanz, welche die UBS auftürmte, hätte Alt-Banker Haltiner wachrütteln müssen.
Noch gravierender war das aggressive Werben um unversteuertes Geld, bei dem die Grenzen der Legalität grob überschritten wurden, sicher in den USA, vielleicht auch in anderen Ländern. Die Finma und ihr Präsident wussten um die Offshore-Gepflogenheiten von Swiss Banking, Haltiner als UBS-Insider hatte besonders intime Kenntnisse. Passiert ist nichts, Haltiner und seine Aufsichts-Crew schauten dem Treiben jahrelang zu.
Netter Partner statt scharfer Watchdog
Als die USA der UBS mit Strafanklage drohten, fiel Haltiner vollends aus der Rolle. Statt die Machenschaften der UBS lückenlos aufzudecken und seine Ex-Chefs zur Verantwortung zu ziehen, leistete der Finma-Präsident massive Schützenhilfe. Zusammen mit dem damaligen Notenbankpräsidenten Jean-Pierre Roth bearbeitete der Finma-Chef seinen Vorgesetzten, Noch-Finanzminister Hans-Rudolf Merz, bis dieser der von Haltiners Juristen ausgearbeiteten Lösung zustimmte.
Am 18. Februar 2009 wurde der Plan Haltiner in die Tat umgesetzt. Die Finma übermittelte den US-Steuerbehörden die vermeintlich geschützten Daten von 250 Kunden, welche die UBS zuvor säuberlich aussortiert hatte. Haltiners Loyalität mit seinen früheren Chefs von der Zürcher Bahnhofstrasse ging soweit, dass er die volle Verantwortung für den Daten-Notabwurf übernahm.
Historische Chance verpasst
Eugen Haltiner hatte die grosse Chance, sich in der Krise als unabhängiger und unerbittlicher Aufsichtschef einen Namen zu machen. Davon war er weit entfernt. Als es darauf ankam, entpuppte er sich als das, was aufgrund seines Seitenwechsels von der grössten zu beaufsichtigenden Bank zur verantwortlichen Aufsichtsorganisation zu befürchten war: als einflussreichster und treuster Lobbyist der Schweizer Grossbanken.
Selbst beurteilt der Abtretende seine Zeit selbstverständlich anders. „Obwohl mir mein Entscheid nicht leicht gefallen ist, erfolgt er zu einem verantwortbaren Zeitpunkt“, lässt sich Haltiner in einer Stellungnahme der Finma von heute zitieren. „Die Fusion zur Finma konnte dank grossem Einsatz aller Beteiligten erfolgreich abgeschlossen werden. Ich bin überzeugt, dass sich die Finma unter ihrer starken Geschäftsleitung zielgerichtet weiterentwickeln und solide verankern wird.“
Sein frühzeitiger Rücktritt könnte sich als beste Entscheidung Haltiners entpuppen. Wählt der Bundesrat im Herbst einen unabhängigen Fachmann zum Nachfolger, der den Grossbanken mutig die Stirn bietet, wird sich der vorzeitige Personalwechsel für die Schweiz bezahlt machen.