Eine grosse Familie
20minuten.ch (8. Juni 2010) – Die Bürgerlichen seien der verlängerte Arm des Paradeplatzes, monierten linke Politiker während der Boni-Debatte. In der Tat gibt es pikante Verknüpfungen zwischen den Banken und Bundesbern.
Mit dem 370 Seiten schweren Bericht der Geschäftsprüfungskommission wird mehrheitlich auf den Bundesrat eingedrescht. Vergessen geht dabei, dass vor allem die UBS seit Jahren ein erfolgreiches Lobbying in Bundesbern betreibt. Auch beim umstrittenen Staatsvertrag mit den USA über die Auslieferung von UBS-Kundendaten zog die Grossbank die Strippen.
Der 2008 verstorbene Adalbert Durrer war CVP-Parteipräsident und Fast-Bundesrat. Nach seinem Rücktritt von der Parteispitze 2001 wurde er Chef-Lobbyist der Grossbank UBS. Durrers Berner Netzwerk war für den Zürcher Finanzmulti Gold wert. Durrer konnte die Mitte der Schweizer Politik für seine Arbeitgeberin gewinnen.
Rechts von der CVP hatte die UBS ebenfalls vorgesorgt. Eine der wirkungsvollsten polit-wirtschaftlichen Beziehungen der jüngeren Vergangenheit war wohl jene zwischen der Grossbank und SVP-Tycoon Christoph Blocher. Der Populist und der langjährige UBS-Übervater Marcel Ospel sollen befreundet gewesen sein. Ospel soll 2003 Blochers Wahl befürwortet haben.
Lange Liaison zwischen Blocher und UBS
Die Beziehung zwischen Blocher und der UBS reicht weit in die Vergangenheit zurück. In den 1990er-Jahren sass der aufstrebende Polit-Star im Verwaltungsrat der UBS-Vorgängerbank SBG, der Bankgesellschaft. Nach einem Streit mit den SBG-Chefs Nikolaus Senn und Robert Studer nahm Blocher die damalige Nummer eins des Finanzplatzes mit seinem Freund und SBG-Grossaktionär Martin Ebner in die Mangel. Nach der Fusion der SBG mit dem Bankverein übernahm Marcel Ospel das UBS-Ruder, worauf sich das Verhältnis zum Gespann Blocher/Ebner entspannte.
Die Nähe der Grossbank zur Volkspartei blieb bestehen. 2004 holte Ospel SVP-Nationalrat und Eisenbahn-Unternehmer Peter Spuhler in den UBS-Verwaltungsrat. Vier Jahre später ging Spuhler im Zuge der Finanzkrise wieder von Bord.
Villiger, Merz, Haltiner, Roth
Die Freisinnigen waren der UBS von jeher wohlgesinnt. Auch um ihren Zuspruch soll sich Marcel Ospel persönlich gekümmert haben. So wird kolportiert, dass sich der UBS-Präsident 2003 ins Zeug legte, als es um die Nachfolge des zurücktretenden FDP-Finanzministers Kaspar Villiger ging.
Villiger hatte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundesrat Ende 2003 wertvolle Dienste bei der Verteidigung des Bankgeheimnisses geleistet. Gegenüber der EU zeigte der Luzerner Härte und setzte sich nach zähem Kampf, den viele Bundesratskollegen zum Vornherein für aussichtslos erklärt hatten, mit seinem Festhalten am Bankgeheimnis durch.
Ebenso nützlich war Villiger, wenn es darum ging, das Bankgeheimnis für den amerikanischen Finanzmarkt zu lockern. Ende 2000 bewilligte er auf Antrag der Bankiervereinigung und auf Wunsch der Grossbanken das sogenannte Qualified Intermediary Abkommen (QIA), das eine weitgehende Auskunftspflicht der Banken für Transaktionen von amerikanischen Kunden vorsah. Verstösse gegen diesen QI-Vertrag führten zu den Attacken der USA gegen die UBS und schliesslich zum Ende des Bankgeheimnisses. Seit 2009 ist Villiger Präsident der UBS.
Bei den Bundesratswahlen von 2003 soll Hans-Rudolf Merz der Wunschkandidat von UBS-Präsident Ospels für die Nachfolge Villigers gewesen sein. Merz und die UBS-Spitze kannten sich aus gemeinsamen Tagen. In den 1970er-Jahren führte der Appenzeller die Kaderschmiede der Grossbank auf dem Wolfsberg im Thurgau, und in den 1990er-Jahren verkaufte Merz die von ihm präsidierte marode Ausserrhoder Kantonalbank der UBS. Auf der Seite der Grossbank war dabei Eugen Haltiner federführend, der 2005 von Merz zum neuen Präsidenten der Bankenaufsicht EBK (heute Finma) gekürt wurde. SP-Politiker und Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm sprach in der «WOZ» von einer «freisinnigen Seilschaft» zwischen Merz und Haltiner.
Mit Bedacht sorgte die UBS auch dafür, dass sie in der Lobbyorganisation, der Bankiervereinigung SBVg, direkten Einfluss nehmen konnte. Der frühere Konzernanwalt der Grossbank, Urs Roth, wurde 2001 Geschäftsleiter der SBVg.
CS agiert offener – und plumper
Die politische Einflussnahme der zweiten Grossbank Credit Suisse sticht weniger ins Auge. Früher stand Kaspar Villiger der CS nahe. Nach seinem Ausscheiden als Finanzminister nahm Villiger Einsitz in den Verwaltungsräten der NZZ, der Swiss Re und von Nestlé, drei Firmen mit traditionellen Verbindungen zur Zürcher Grossbank. Drahtzieher bei Villigers Mandaten dürfte der langjährige frühere CS-Präsident Rainer Gut gewesen sein, der enge Beziehungen zum Rückversicherer und zum Nahrungsmittelmulti aufgebaut hatte und am Ende seiner Karriere das Präsidium von Nestlé übernahm.
Während die UBS im Versteckten Einfluss ausübte – aktuell stattete sie bürgerliche Parlamentarier mit einem Argumentarium für eine Zustimmung zum UBS-Staatsvertrag aus –, agierte die CS eher mit offenem Visier. Mitte 2008 kritisierte der damalige CS-Präsident Walter Kielholz die Forderungen der Bankenaufsicht nach mehr Eigenkapital. Kielholz tat dies nicht nur in Gesprächen und Briefen an die Spitzen in Bern, sondern liess seinem Unmut über die geplanten Erhöhungen auch in einem Zeitungsinterview freien Lauf. Das rächte sich wenig später. Nach dem Kollaps des Finanzsystems im Herbst 2008 musste der CS-Präsident kleinlaut höhere Eigenkapital-Quoten schlucken.