Big Deal?: 860 Millionen für ein Business in roten Zahlen

20minuten.ch (13. August 2012) – Julius-Bär-Chef Collardi lässt sich die defizitäre Vermögensverwaltung von Merrill Lynch eine stolze Summe kosten. Er muss reüssieren, sonst wird seine Bank zur Übernahmekandidatin.

Boris Collardi setzt alles auf eine Karte. Der erst 38-jährige Chef von Julius Bär kauft für 860 Millionen Franken das verlustbringende Vermögensverwaltungsgeschäft der US-Bank Merill Lynch, einer Tochter der Bank of America. Die Investoren reagierten mit Panik. Der Kurs der Julius-Bär-Aktie stürzte am Montagvormittag um über fünf Prozent in die Tiefe. Es ist die harsche Antwort des Marktes auf die grösste Einzel-Übernahme in der Geschichte der Zürcher Privatbank.

Die Skepsis hat nichts mit potenziellen US-Gefahren zu tun. Die amerikanischen Kunden bleiben bei Verkäuferin Bank of America, Bär erwirbt nur die internationale Klientel ausserhalb der USA. Darunter befinden sich viele Vermögende aus den aufstrebenden Gegenden in Asien und Lateinamerika, was den Kauf in den Augen der Verantwortlichen besonders attraktiv macht.

Genützt hat dies wenig. Zu teuer für ein unsicheres Versprechen, urteilten die Bär-Aktionäre fürs Erste, und warfen ihre Titel auf den Markt. Wenn schon ein Deal, dann ein anderer, sagten sich die Profianleger. Sie wechselten zu UBS und CS, deren Titel für einmal zulegten.

Merrill Lynch International spielte Kosten nicht herein

Ohne Frage: Bär-Chef Boris Collardi, der unbedingt einen grossen Deal wollte, seit er letzten Herbst bei der Basler Sarasin aufgelaufen war, legt eine stolze Summe für eine teuer produzierende Bank auf den Tisch.

Die internationale Vermögensverwaltung von Merrill Lynch zog zuletzt keine neuen Kundengelder an. Und sie schrieb im Jahr 2011 rote Zahlen. Das Kosten-Ertragsverhältnis belief sich auf 105 Prozent. Das sind Verhältnisse, wie sie sonst höchstens im unrentablen Investmentbanking zu sehen sind. Zum Vergleich: Julius Bär und andere Schweizer Privatbanken weisen derzeit Kosten-Ertrags-Verhältnisse von um die 70 Prozent auf – doch selbst das ist für Schweizer Verhältnisse unbefriedigend.

Boris Collardis Blick schweift naturgemäss nach vorn. Der Preis sei nicht allein entscheidend gewesen, sondern Bär habe auch darum das Rennen gemacht, weil die Bank für Verkäuferin Bank of America keine Gefahr darstelle, meinte er am Rande der heutigen Pressekonferenz. Anders gesagt: Collardi hat hart und geschickt verhandelt. Sein Finanzchef, mit dem er den Deal gestemmt hat, betonte, dass Merrill Lynch «historisch gesehen sehr profitabel» gewesen sei.

Stolze Grösse allein reicht nicht

Den schönen Worten zum Trotz: Entscheidend ist einzig und allein, was Collardi und sein Team mit der gewichtigen Akquisition anzufangen wissen. Gelingt es den Bär-Bankern, die rosafarbenen Gewinnzahlen des Businessplans zu erreichen?

Falls ja, dann kann sich Julius Bär definitiv als dritte Kraft von Swiss Banking etablieren. Mit 250 rentabel verwalteten Milliarden wären die Zürcher gross genug für einen Alleingang. Andernfalls droht das Ende als unabhängige Bank. Konkurrenten könnten den grossen Bär als fette, langsame Beute ins Visier nehmen. So gesehen darf Collardi eines nicht: scheitern. Sonst geht er als Bär-Töter in die Geschichte ein.

UBS und CS scheiterten an Ami-Kultur

Der Bär-CEO hat mehrere Herausforderungen zu bewältigen. Seine alte Informatik muss eine um 50 Prozent vergrösserte Vermögensbasis bewältigen können, seine Manager müssen schwer zu führende Vermögensverwalter mit angelsächsischer Bonus-Kultur in den Griff kriegen, und seine Kunden müssen den Wechsel zu einer transaktionsgetriebenen Kultur im Vergleich zum klassischen Schweizer Beratungsansatz akzeptieren.

Schafft das Collardi? Frühere Versuche von Konkurrenz-Banken endeten mit einem Scherbenhaufen. So hat die UBS mit ihrem Kauf des US-Brokers Paine Webber nie ihren Einsatz rentabilisieren können. Und auch die CS ist mit einem vergleichbaren Deal vor zwölf Jahren auf die Nase gefallen. Ausser hohem Goodwill blieb vom teuren Kauf wenig Nachhaltiges zurück.

Das Haus in Ordnung bringen müsste Collardis Nachfolger

Collardi betont zwar zu Recht, dass er keine US-Bank einkauft. Aber selbstverständlich ist auch ihm bewusst, dass die Kultur der eingekauften Teile von Merrill Lynch durchaus angelsächsisch geprägt ist, wie er im Gespräch denn auch zu erkennen gibt.

Entscheiden werden die Kunden. Machen sie mit, wird Collardi zum grossen Helden, der Bär auf die nächste Höhe gehoben hat. Sonst wird seine Zeit bei Bär wohl zu Ende gehen. Dann müsste das Bär-Haus in langwieriger Arbeit in Ordnung gebracht werden. Das hat der nach oben stürmende Collardi nie restlos getan. Kaufen und wachsen, das ist seine Welt.


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