Gute Noten

Nationalbank Bislang galt die Papierproduzentin Landqart als Schuldige am Debakel mit den neuen Noten. Doch ihre Technik scheint zu funktionieren, zeigt das Beispiel Marokko. Handelszeitung, 10. Januar 2013

Seine Miene sprach Bände. Als Marketingchef Andrew Bonnell am 11. Dezember an der Banknoten-Konferenz in Washington ans Rednerpult trat, stand ihm der Triumph ins Gesicht geschrieben. Er wusste bereits, dass die neue, oftmals kritisierte Drei-Lagen-Technologie der Spezialitätenpapierfabrik Landqart funktionierte.

Den Beweis für die Fähigkeiten der Bündner lieferte zwei Stunden später Lahcen Hadouni. Der Direktor der marokkanischen Bank Al Maghrib stellte in der amerikanischen Hauptstadt Details zu den neuen Geldscheinen des nordafrikanischen Königreiches vor. Die Entwicklung sei eine regelrechte Erfolgsgeschichte, referierte er vor dem Fachpublikum. Innerhalb weniger Monate sei es gelungen, auf der Basis der Landqart-Technologie eine neue Notenserie zur Druckreife zu bringen, welche modernstem Standard entspreche.

Damit war für Landqart-Mann Bonnell und seine Kollegen die Welt wieder in Ordnung. Die Prognose einiger Kritiker, dass die hochspezialisierte Firma mit der Drei-Lagen-Technik Schiffbruch erleiden werde, erwies sich als falsch. Und auch der Vorwurf, dass der Bündner Papierhersteller schuld sei an der mehrjährigen Verspätung bei den neuen Schweizer Noten, wurde mit dem Gesellenstück in Marokko hinfällig. Plötzlich steht nun nicht mehr die kleine Landqart als Schuldige da, sondern die zwei übrigen Partner, die Schweizerische Nationalbank als Auftraggeberin und deren Hofdruckerei Orell Füssli. Sie geraten nun in Erklärungsnot.

Papiergefühl bleibt erhalten

Das Trauerspiel um die neuen Banknoten im Land des harten Frankens begann 2005. Man lanciere neue Geldscheine, wegen neuer verfügbarer Technologien und „für die Schweiz typischer hoher Ansprüche an die gestalterische Qualität von Banknoten“, erklärten die Währungshüter damals. Doch statt zur Erfolgsgeschichte wurde die geplante neunte Banknotenserie der Eidgenossenschaft bislang zum Fiasko. Das inzwischen bereits ins achte Jahr gehende Projekt ist voll von gegenseitigen Schuldzuweisungen und harten Grabenkämpfen. Und es beinhaltet möglicherweise auch einen Geheimplan.

2011 hatte die Papierfabrik Landqart tatsächlich Probleme mit der Umstellung auf die neue Technologie. „Das war nicht gut, aber noch lange keine Katastrophe“, sagt ein Firmeninsider. Das Management habe reagiert, die Umrüstung auf die Drei-Lagen-Technik sei mit einigen Monaten Verzögerung geglückt. Schwierigkeiten bei Technologiesprüngen seien nichts Ungewöhnliches. Beim neuen Verfahren wird eine Kunststofffolie beidseitig mit Papier beschichtet. Das typische Papiergefühl bleibt erhalten. Gleichzeitig können Symbole ins Papier gestanzt werden, womit die durchsichtige Plastikschicht im Innern sichtbar wird – ein weiteres Sicherheitsmerkmal in Zeiten immer cleverer werdender Fälscher. Obwohl Landquart Anfang 2012 die Probleme gelöst hatte, ging damals ein Schwarzer-Peter-Spiel los. In den Medien war im Frühling 2012 von massiven Schwierigkeiten bei Landqart die Rede. Es kam zu weiteren Verzögerungen bei der Schweizer Banknotenserie. Das Bündner Unternehmen stand allein im Regen. Nach aussen entstand der Eindruck, dass es einzig die Papierherstellerin war, welche die Sache nicht im Griff hatte, und jetzt eine ganze Nation auf schöne, neue Banknoten zu warten habe.

In der Orell-Füssli-Chefetage war man sich bewusst, dass diese Wahrnehmung nicht der Realität entsprach. Der scheidende Verwaltungsratspräsident Klaus Oesch nahm in einem Interview mit der „Handelszeitung“ Landqart indirekt in Schutz. Anfänglich sei die neue Innovation „noch nicht produktionsreif“ gewesen. Mit dem Spezialpapier habe es tatsächlich Probleme gegeben. Doch der Orell-Füssli-Doyen verteilte die Schuld auf alle Schultern. „Am Ende haben alle Beteiligten, auch die Fachberater der SNB, den Zeitaufwand und die Komplexität des Entwicklungsprozesses unterschätzt.“

Vermutlich wollte Oesch mit seinen von Landqart-Insidern als fair und zutreffend titulierten Bemerkungen die Wogen glätten. Das gelang nicht. Im Frühling und Sommer 2012 herrschte Eiszeit zwischen dem Management von Landqart und der Führungsspitze von Orell Füssli. Insider berichten von Sitzungen, in denen spürbar geworden sei, dass sich die vermeintlichen Partner nicht mehr über den Weg trauten. Weder Orell Füssli noch Landqart wollen heute zum Thema neue Banknoten Stellung nehmen.

In die Zeit des grossen Misstrauens kam auf Seiten von Landqart ein schwerwiegender Verdacht auf. Könnte es sein, dass die Orell-Füssli-Manager einen Geheimplan verfolgten? Sollte Landqart durch ständig verschärfte Spezifikationen, welche den Betroffenen im Unternehmen wie eine Schikane vorkamen, als unfähige und unzuverlässige Papierlieferantin an den öffentlichen Pranger gestellt werden, um den Auftrag der grossen Konkurrentin in Deutschland zuzuschanzen?

Eine Verschwörungstheorie war geboren. Genährt wurde sie durch die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Orell-Füssli-Abteilung Sicherheitsdruck, welche für die Banknotenherstellung zuständig ist, früher für die deutsche Giesecke & Devrient arbeitete. Für deren Spezialpapier-Tochter Louisenthal wäre ein Projekt aus der Schweiz Gold wert gewesen. Denn sie musste beim Auftrag zur Herstellung der Euro-Banknoten Federn lassen. Louisenthal konnte nur 20 statt wie bislang 90 Prozent des benötigten Euro-Notenpapiers liefern. Beides, die Herkunft des Managements sowie die Louisenthal-Notlage bei den Aufträgen, passte in den Augen der Landqart-Leute ins Bild eines Geheimplans. Beweise gab es freilich keine. Die Beteiligten wollen auch dazu keine Stellung nehmen.

Dem Landqart-Management blieb einzig, mit Leistung zu überzeugen. Die Chance bot sich im Frühsommer 2012. Marokko wollte zu Ehren von König Mohammed eine eigene Notenserie mit neuester Technologie produzieren. Der Auftrag für das Spezialpapier mit den drei Schichten landete bei Landqart. Ohne dass in der Schweiz jemand davon Wind gekriegt hätte, setzten die Bündner alles daran, den Auftrag zur Zufriedenheit der Besteller zu erfüllen. Der Zeitplan war knapp bemessen. Bis zum Liefertermin Mitte November blieben nur gerade wenige Monate.

Im Herbst sickerte dann langsam gerüchteweise durch, dass Landqart daran war, das Papier in der neuen Technologie für die marokkanischen Banknoten zu fertigen. „Ab da kam es zu einer spürbaren Entspannung in den Verhandlungen mit den Managern von Orell Füssli“, sagt die Quelle, die nur anonym Auskunft geben will. Als die neue 25-Dirham-Note Marokkos schliesslich im Dezember vorgestellt wurde, stand Landqart als strahlende Siegerin da.

Praktisch gleichzeitig musste die Nationalbank eine weitere Verzögerung bekanntgeben. Am 13. Dezember, also zwei Tage nach dem Auftritt von Landqart-Manager Bonnell in Washington, teilten die Währungshüter wortreich mit, dass sich die Produktion der neuen Schweizer Banknoten weiter verzögern würde. Nun rechnen sie mit 2015 als realistischem Zeitpunkt für die Ausgabe der ersten neuen Scheine. Wofür Marokko ein halbes Jahr brauchte, dauert bei der Schweizer Notenbank also zehn Jahre.

Papiergefühl bleibt erhalten

„Bei der neuen Banknotenserie der Schweizerischen Nationalbank geht es um ein Konzept für eine Banknotenserie mit sechs Denominationen mit verschiedenen innovativen und komplexen neuen Technologien“, so Sprecher Walter Meier. Die Banknotenserie müsse „hohe sicherheitstechnische, qualitative und produktionstechnische Anforderungen für die nächsten 10 bis 15 Jahre“ erfüllen. Das mache „umfangreiche Tests“ nötig. Alle Partner würden „einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Produkts“ leisten.

Nationalbank Bislang galt die Papierproduzentin Landqart als Schuldige am Debakel mit den neuen Noten. Doch ihre Technik scheint zu funktionieren, zeigt das Beispiel Marokko. Handelszeitung, 10. Januar 2013

Seine Miene sprach Bände. Als Marketingchef Andrew Bonnell am 11. Dezember an der Banknoten-Konferenz in Washington ans Rednerpult trat, stand ihm der Triumph ins Gesicht geschrieben. Er wusste bereits, dass die neue, oftmals kritisierte Drei-Lagen-Technologie der Spezialitätenpapierfabrik Landqart funktionierte.

Den Beweis für die Fähigkeiten der Bündner lieferte zwei Stunden später Lahcen Hadouni. Der Direktor der marokkanischen Bank Al Maghrib stellte in der amerikanischen Hauptstadt Details zu den neuen Geldscheinen des nordafrikanischen Königreiches vor. Die Entwicklung sei eine regelrechte Erfolgsgeschichte, referierte er vor dem Fachpublikum. Innerhalb weniger Monate sei es gelungen, auf der Basis der Landqart-Technologie eine neue Notenserie zur Druckreife zu bringen, welche modernstem Standard entspreche.

Damit war für Landqart-Mann Bonnell und seine Kollegen die Welt wieder in Ordnung. Die Prognose einiger Kritiker, dass die hochspezialisierte Firma mit der Drei-Lagen-Technik Schiffbruch erleiden werde, erwies sich als falsch. Und auch der Vorwurf, dass der Bündner Papierhersteller schuld sei an der mehrjährigen Verspätung bei den neuen Schweizer Noten, wurde mit dem Gesellenstück in Marokko hinfällig. Plötzlich steht nun nicht mehr die kleine Landqart als Schuldige da, sondern die zwei übrigen Partner, die Schweizerische Nationalbank als Auftraggeberin und deren Hofdruckerei Orell Füssli. Sie geraten nun in Erklärungsnot.

Papiergefühl bleibt erhalten

Das Trauerspiel um die neuen Banknoten im Land des harten Frankens begann 2005. Man lanciere neue Geldscheine, wegen neuer verfügbarer Technologien und „für die Schweiz typischer hoher Ansprüche an die gestalterische Qualität von Banknoten“, erklärten die Währungshüter damals. Doch statt zur Erfolgsgeschichte wurde die geplante neunte Banknotenserie der Eidgenossenschaft bislang zum Fiasko. Das inzwischen bereits ins achte Jahr gehende Projekt ist voll von gegenseitigen Schuldzuweisungen und harten Grabenkämpfen. Und es beinhaltet möglicherweise auch einen Geheimplan.

2011 hatte die Papierfabrik Landqart tatsächlich Probleme mit der Umstellung auf die neue Technologie. „Das war nicht gut, aber noch lange keine Katastrophe“, sagt ein Firmeninsider. Das Management habe reagiert, die Umrüstung auf die Drei-Lagen-Technik sei mit einigen Monaten Verzögerung geglückt. Schwierigkeiten bei Technologiesprüngen seien nichts Ungewöhnliches. Beim neuen Verfahren wird eine Kunststofffolie beidseitig mit Papier beschichtet. Das typische Papiergefühl bleibt erhalten. Gleichzeitig können Symbole ins Papier gestanzt werden, womit die durchsichtige Plastikschicht im Innern sichtbar wird – ein weiteres Sicherheitsmerkmal in Zeiten immer cleverer werdender Fälscher. Obwohl Landquart Anfang 2012 die Probleme gelöst hatte, ging damals ein Schwarzer-Peter-Spiel los. In den Medien war im Frühling 2012 von massiven Schwierigkeiten bei Landqart die Rede. Es kam zu weiteren Verzögerungen bei der Schweizer Banknotenserie. Das Bündner Unternehmen stand allein im Regen. Nach aussen entstand der Eindruck, dass es einzig die Papierherstellerin war, welche die Sache nicht im Griff hatte, und jetzt eine ganze Nation auf schöne, neue Banknoten zu warten habe.

In der Orell-Füssli-Chefetage war man sich bewusst, dass diese Wahrnehmung nicht der Realität entsprach. Der scheidende Verwaltungsratspräsident Klaus Oesch nahm in einem Interview mit der „Handelszeitung“ Landqart indirekt in Schutz. Anfänglich sei die neue Innovation „noch nicht produktionsreif“ gewesen. Mit dem Spezialpapier habe es tatsächlich Probleme gegeben. Doch der Orell-Füssli-Doyen verteilte die Schuld auf alle Schultern. „Am Ende haben alle Beteiligten, auch die Fachberater der SNB, den Zeitaufwand und die Komplexität des Entwicklungsprozesses unterschätzt.“

Vermutlich wollte Oesch mit seinen von Landqart-Insidern als fair und zutreffend titulierten Bemerkungen die Wogen glätten. Das gelang nicht. Im Frühling und Sommer 2012 herrschte Eiszeit zwischen dem Management von Landqart und der Führungsspitze von Orell Füssli. Insider berichten von Sitzungen, in denen spürbar geworden sei, dass sich die vermeintlichen Partner nicht mehr über den Weg trauten. Weder Orell Füssli noch Landqart wollen heute zum Thema neue Banknoten Stellung nehmen.

In die Zeit des grossen Misstrauens kam auf Seiten von Landqart ein schwerwiegender Verdacht auf. Könnte es sein, dass die Orell-Füssli-Manager einen Geheimplan verfolgten? Sollte Landqart durch ständig verschärfte Spezifikationen, welche den Betroffenen im Unternehmen wie eine Schikane vorkamen, als unfähige und unzuverlässige Papierlieferantin an den öffentlichen Pranger gestellt werden, um den Auftrag der grossen Konkurrentin in Deutschland zuzuschanzen?

Eine Verschwörungstheorie war geboren. Genährt wurde sie durch die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Orell-Füssli-Abteilung Sicherheitsdruck, welche für die Banknotenherstellung zuständig ist, früher für die deutsche Giesecke & Devrient arbeitete. Für deren Spezialpapier-Tochter Louisenthal wäre ein Projekt aus der Schweiz Gold wert gewesen. Denn sie musste beim Auftrag zur Herstellung der Euro-Banknoten Federn lassen. Louisenthal konnte nur 20 statt wie bislang 90 Prozent des benötigten Euro-Notenpapiers liefern. Beides, die Herkunft des Managements sowie die Louisenthal-Notlage bei den Aufträgen, passte in den Augen der Landqart-Leute ins Bild eines Geheimplans. Beweise gab es freilich keine. Die Beteiligten wollen auch dazu keine Stellung nehmen.

Dem Landqart-Management blieb einzig, mit Leistung zu überzeugen. Die Chance bot sich im Frühsommer 2012. Marokko wollte zu Ehren von König Mohammed eine eigene Notenserie mit neuester Technologie produzieren. Der Auftrag für das Spezialpapier mit den drei Schichten landete bei Landqart. Ohne dass in der Schweiz jemand davon Wind gekriegt hätte, setzten die Bündner alles daran, den Auftrag zur Zufriedenheit der Besteller zu erfüllen. Der Zeitplan war knapp bemessen. Bis zum Liefertermin Mitte November blieben nur gerade wenige Monate.

Im Herbst sickerte dann langsam gerüchteweise durch, dass Landqart daran war, das Papier in der neuen Technologie für die marokkanischen Banknoten zu fertigen. „Ab da kam es zu einer spürbaren Entspannung in den Verhandlungen mit den Managern von Orell Füssli“, sagt die Quelle, die nur anonym Auskunft geben will. Als die neue 25-Dirham-Note Marokkos schliesslich im Dezember vorgestellt wurde, stand Landqart als strahlende Siegerin da.

Praktisch gleichzeitig musste die Nationalbank eine weitere Verzögerung bekanntgeben. Am 13. Dezember, also zwei Tage nach dem Auftritt von Landqart-Manager Bonnell in Washington, teilten die Währungshüter wortreich mit, dass sich die Produktion der neuen Schweizer Banknoten weiter verzögern würde. Nun rechnen sie mit 2015 als realistischem Zeitpunkt für die Ausgabe der ersten neuen Scheine. Wofür Marokko ein halbes Jahr brauchte, dauert bei der Schweizer Notenbank also zehn Jahre.

Papiergefühl bleibt erhalten

„Bei der neuen Banknotenserie der Schweizerischen Nationalbank geht es um ein Konzept für eine Banknotenserie mit sechs Denominationen mit verschiedenen innovativen und komplexen neuen Technologien“, so Sprecher Walter Meier. Die Banknotenserie müsse „hohe sicherheitstechnische, qualitative und produktionstechnische Anforderungen für die nächsten 10 bis 15 Jahre“ erfüllen. Das mache „umfangreiche Tests“ nötig. Alle Partner würden „einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Produkts“ leisten.


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