Gefahr für Raiffeisen im US-Steuerkrieg

US-Richter nennt erstmals Tochterbank Notenstein – Chef Pierin Vincenz steckt Kopf in den Sand. Der Sonntag, 27. Mai 2012

Der Worst Case rückt für Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz näher. Im Steuerprozess in New York gegen die BankWegelin wurde diese Woche erstmals die Notenstein Privatbank als 100-Prozent-Tochter von Raiffeisen genannt. Dort seien die Nicht-US-Aktivitäten von Wegelin gelandet, als sie im Januar notfallmässig ihr unbelastetes Geschäft losschlagen musste.

Damit taucht das Schreckgespenst einer US-Anklage gegen die Genossenschaftsbank auf, die wie die UBS und die CS «Too Big to Fail» ist. Raiffeisen-CEO Vincenz ist VR-Präsident der Notenstein, und auch seine Raiffeisen hatte US-Offshore-Kunden betreut. Für die USA wäre es vermutlich ein Leichtes, als Nächstes strafrechtlich gegen Raiffeisen vorzugehen. Mit verheerenden Folgen. Raiff eisen würde vom Dollar-Verkehr abgeschnitten. Dann bliebe Vincenz nur noch die SNB als Rettungsanker.

Von einem solchen Szenario will Vincenz nichts wissen. «Der Richter hat nur Notenstein namentlich genannt, nicht aber Raiffeisen», begründete er seine Zuversicht gestern am Telefon. «Das sieht für mich nicht nach einer Drohung gegen Raiffeisen aus.»

Doch die Notenstein ist im US-Steuerkrieg aufgrund der kapital- und personalmässigen Verbindungen eine offene Flanke für die ganze Raiffeisen-Gruppe. Er habe den Wegelin-Kauf mit der Berner Aufsicht intensiv besprochen, sagt CEO Vincenz dazu. «Das Risiko, in den US-Steuerkonflikt hineingezogen zu werden, hatten wir mit der Finma vorwärts und rückwärts besprochen und sind zum Schluss gekommen, dass wir den Deal wagen können.»

Entsprechend bereue er die Akquisition nicht. «Ich würde den Notenstein-Kauf auch rückblickend wieder tätigen, nicht zuletzt wegen der Jobs, die wir damit retten konnten.» Vom Kaufpreis von rund 400 Millionen Franken liegt etwa ein Drittel auf einem Sperrkonto für den Fall, dass neue Risiken zum Vorschein kommen, die in der Schnell-Prüfung im Januar unerkannt geblieben waren.

Für Vincenz bleibt Verkäuferin Wegelin erste Anlaufstelle für die USA in ihrem Fight gegen den Schweizer Finanzplatz. «Alles, was die USA wollen, liegt bei der Wegelin: Geld, Daten, Verantwortliche», sagt der Raiffeisen-Chef. «Deshalb ist ja auch Wegelin angeklagt und nicht wir.»


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