Trotz Schlammschlacht: Ermotti vor Krönung

Spätestens am Investorentag soll Sergio Ermotti neuer CEO der UBS werden. SonntagsZeitung, 13. November 2011

Am Donnerstag präsentiert die UBS den lang erwarteten Abspeckplan für ihre Investmentbank. Vorgestellt wird die Strategieanpassung durch einen frisch gekürten CEO. Es ist Sergio Ermotti, der Tessiner, der seit Ende September das UBS-Schiff interimistisch durch eine schwierige Zeit steuert.

Ermotti soll kurz vor der Investorentagung in New York vom UBS-Verwaltungsrat an einer Telefonkonferenz auf den Schild gehoben werden, sagt eine verlässliche Quelle gegenüber der SonntagsZeitung. Damit geht ein unwürdiges Nominierungsverfahren zu Ende. Der Verwaltungsrat der Grossbank, angeführt von Präsident Kaspar Villiger und zersplittert in einzelne Fraktionen mit eigener Agenda, hat der Bank durch das lange Vakuum an der operativen Spitze einen Bärendienst erwiesen.

Ermotti hat Gegner im Tessin und in London

Ermotti tritt sein Amt nach einer beispiellosen Schlammschlacht nicht mehr unbelastet an. «Nach den vielen Geschichten bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück», bringt ein hoher Ex-UBS-Kadermann das missratene Wahlprozedere auf den Punkt. Ermottis Halb-Ernennung hat zu einem problematischen Bewerbungsverfahren in der Öffentlichkeit geführt. Seit dem Abgang von CEO Oswald Grübel im Zuge der Milliardenverluste eines Händlers in London vor sieben Wochen wurden ständig neue Vorwürfe gegen den Tessiner erhoben. Gleichzeitig brachten Berater Möchtegernkandidaten als Alternativen ins Spiel.

Besonders zu reden gaben die Mandate des Investmentbankers in Firmen mit Offshore-Strukturen in der Karibik und private Investments, bei denen Kredite von Ermottis früherer Arbeitgeberin, der italienischen Grossbank Unicredit, flossen. Am Anfang standen offenbar nicht Recherchen von Medien, die Vorwürfe wurden vielmehr von persönlichen Gegnern Ermottis aus dessen Tessiner Heimat erhoben.

Als sich schliesslich Ermottis Wahl abzeichnete, legten die Kritiker letzte Woche nochmals nach. Londoner und Zürcher Medien erhielten ein anonymes Schreiben mit angeblich neuen Anschuldigungen. Darin wird versucht, Ermotti in den Dunstkreis der Ermittlungen der italienischen Finanzpolizei gegen mehrere frühere Unicredit-Manager wegen Steuerhinterziehung zu rücken. Unter den Verdächtigen befinde sich auch Ermotti, wird behauptet. Einen Beleg dafür bleiben die Heckenschützen freilich schuldig. Auch italienische Zeitungen lieferten bislang keine Informationen in diese Richtung.

Ebenfalls diese Woche wurde unter UBS-Investoren in London gemunkelt, dass Ermotti mit dem untergegangenen Herrschersystem von Libyen geschäftet habe. Richtig ist, dass seine frühere Bank Unicredit in der ersten Finanzkrise nach 2008 Kapitalspritzen benötigte, so wie zahlreiche andere Grossbanken auch. Bei den Italienern kam frisches Eigenkapital von einem libyschen Staatsfonds und der libyschen Nationalbank. Zusammen mit früheren Anteilen hielten die beiden Institutionen nach dem Kapitalzuschuss 7,5 Prozent an Unicredit.

Damals sass das Ghadhafi-Regime sicher im Sattel. Die Beziehung zwischen Unicredit und den Libyern ging auf einen libyschen Ex-Notenbanker in den obersten Chargen der italienischen Grossbank zurück, gepflegt wurde der Kontakt vom damaligen CEO und dessen Präsidenten. Dass Sergio Ermotti als Investmentbank-Chef der Italiener den Kapitalzuschuss der Libyer nach der Finanzkrise orchestriert haben soll, erscheint wenig plausibel und wird von der UBS bestritten: «Sergio Ermotti sass bei dieser Transaktion ganz sicher nicht im Driving Seat», sagt UBS-Sprecher Michael Willi.

Obwohl sich Ermotti nun durchgesetzt hat, schwächen die Angriffe den neuen UBS-CEO bereits vor der Kür. Dies birgt die Gefahr, dass Ermotti dringend nötige Reformen aufschieben könnte.

Vor allem die Investmentbank der UBS braucht eine Radikalkur. Das Standbein wurde von Ex-CEO Grübel fast wieder zu Vor-Krisen-Grösse ausgebaut. Wie damals, als die Bank ungebremst in den Subprime-Eisberg krachte, zählt die UBS heute zu den Grossen im Zinsen- und Beratungsgeschäft. Dort aber hat sie über die letzten Jahre insgesamt horrende Verluste erlitten. Statt das Zinsengeschäft auf ein Minimum zu beschränken, wird Neo-CEO Ermotti am Donnerstag im New Yorker Luxushotel Waldorf Astoria nur einen Plan vorstellen, der eine stufenweise Reduktion der gesamten Investmentbank beinhaltet. Damit sollen die Risiken massiv sinken.

Reform könnte auf halber Strecke stecken bleiben

Unter den neuen, strengeren Vorschriften von Basel III schiessen die risikogewichteten Anlagen der UBS zunächst in die Höhe. Mit der beschlossenen Verkleinerung der Investmentbank, die mehr und mehr in den Dienst der Vermögensverwaltung gestellt werden soll, würden die Assets wieder «ziemlich massiv» sinken, sagt ein hoher UBS-Manager. Das sei eine Weichenstellung, aber Stellenreduktionen massiv über die bereits kommunizierten 3500 Jobs hinaus würden nächste Woche nicht bekannt gemacht.

Gleichwohl stehen die meisten Banken auf die Bremse. Bei der UBS rechnet Morgan Stanley in einer neuen Studie mit einem Abbau der Risiken unter Basel III – von rund 360 Milliarden auf noch 240 Milliarden. Die CS hat vor kurzem eine Halbierung ihrer Zinsenrisiken angekündigt.

Die UBS gehe zu wenig weit, sagt ein Ex-UBS-Investmentbanker. «Damit bleibt die Bank auf halber Strecke stehen: zu gross für eine Nischenstrategie, zu klein für globale Ambitionen», kritisiert er. Statt mit dem Rasenmäher über alle Investmentbank-Geschäfte zu fahren, bräuchte es ein Bekenntnis zu einer führenden Position in den Bereichen Aktien- und Devisenhandel. «Das Zinsengeschäft kann man hingegen auf ein Minimum reduzieren», sagt der Branchenkenner. Die Kapitalmarktberatung sollte die Bank sogar ganz aufgeben.


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