Risiko-Filz in der UBS

Trotz schwerer Verfehlungen bei der Kontrolle sichern alte Seilschaften ihre Stellung. SonntagsZeitung, 9. Oktober 2011

Nach dem 2-Milliarden-Verlust kämpfen mehrere UBS-Topshots um ihren Job. Besonders gefährdet scheint Carsten Kengeter, der Chef der UBS-Investmentbank. Doch der schiebt den Schwarzen Peter der Risiko-Kontrolle zu. Es werde «Disziplinarmassnahmen gegen Verantwortliche in Kontrollfunktionen» geben, kündigte der 44-Jährige in einem internen E-Mail an.

Kengeter könnte mit der Abwälzung der Verantwortung für das Debakel Erfolg haben. UBS-Präsident Kaspar Villiger sprach ihm das Vertrauen aus. «Kengeter und sein Team machen einen exzellenten Job in der Bewältigung der Krise», sagte Villiger vor zwei Wochen, als CEO Oswald Grübel ad interim durch Sergio Ermotti ersetzt wurde.

Dafür gerät Maureen Miskovic ins Rampenlicht. Miskovic, 54, leitet seit Anfang Jahr die gruppenweite Risikokontrolle mit rund 3000 Spezialisten.

Obwohl sie es als Herrin über Milliarden von Risiken mit einer hochkomplexen Materie zu tun hat, ist Miskovic nicht vom Fach. Die Engländerin studierte Sprachen, wurde später Risikochefin der gescheiterten Wallstreet-Bank Lehman Brothers, danach Polit-Beraterin in New York und schliesslich Risk-Verantwortliche der US-Vermögensverwalterin State Street. Aufhorchen lässt, dass sich Miskovic 1997 erfolglos für einen Job im Risk-Bereich der UBS-Vorgängerfirma Bankgesellschaft beworben haben soll.

Galt sie damals offenbar für nicht gut genug, wacht Miskovic heute über einen zentralen Bereich der UBS, der sicherstellen muss, dass keine weiteren Gross-Unfälle passieren.

Doch in ihrem Bereich liegt vieles im Argen. «Die Tatsache, dass dieser Vorfall passieren konnte, beweist ein Versagen der nötigen Kontrollen», schrieb Konzernchef Sergio Ermotti vergangene Woche in einem internen Memo.

An der Spitze des Risk-Bereichs herrscht ein Kommen und Gehen. Bis 2007, als die Bank erste Subprime-Abschreiber erlitt, war Walter Stürzinger verantwortlich. Stürzinger ist heute hoher Stabschef und der letzte Übriggebliebene der Truppe um Ex-UBS-Präsident Marcel Ospel.

Stürzinger wurde abgelöst von Joe Scoby, der wiederum machte nur ein Jahr später Platz für Phil Lofts. Auch Lofts blieb nur zwei Jahre, bis Landsfrau Miskovic das Steuer übernahm.

Während die Köpfe zuoberst wechseln, kleben die Chefs darunter auf ihren Stühlen. Diese sollen über eine grosse Machtfülle verfügen, sagen Kritiker.

Internes Mail zeigt, dass keine Blutauffrischung stattfindet

Seit Jahren würde ein Klüngel aus angelsächsischen Riskmanagern in New York jegliche Blutauffrischung verhindern, kritisiert jedenfalls ein Schweizer UBS-Riskmanager. «Deshalb ist es für mich und viele meiner Kollegen kein Zufall, dass der London-Fall geschehen konnte.»

Ein internes Mail zeigt, dass im neu geschaffenen «Risk Methodology Governance Board» tatsächlich lauter langjährige Riskmanager sitzen. Zentrale Figur ist David Bawden, der das Board leitet. Laut dem internen Kritiker ist Bawden die rechte Hand von Risk-Chefin Miskovic. Bawdenund andere Risk-Chefs der UBS haben eine unrühmliche Geschichte, wenn es um Grossverluste geht. Bawden war stellvertretender Kreditrisiko-Chef der UBS in New York, als hochrangige Schweizer Kontrolleure schon 2002 vor unkontrollierbaren US-Hypothekenpapieren warnten.

Vier Jahre später wurde Bawden sogar Chef des Kreditrisikos in der UBS-Investmentbank und sass somit an zentraler Stelle, als die Subprime-Investments 2007 der UBS um die Ohren flogen.

Auch unter Bawdens Vertrauten gibt es solche, die bei früheren Crashes eine Rolle spielten. Einer war schon bei einem grossen Derivate-Verlust von 1997 an entscheidender Stelle dabei.

Die langjährigen Risk-Chefs hätten es auch verpasst, die UBS-Systeme zu erneuern, sagt eine Quelle. Bawden wische jegliche Kritik an den veralteten Systemen zur Seite. «Wisst ihr was: Einen Mitarbeiter, der mit der IT zufrieden wäre, habe ich noch nie gesehen», soll Bawden kürzlich über interne Kritiker gewitzelt haben.»

Das Riskmanagement der UBS basiere jedoch zum Teil immer noch auf Excel-Tabellen, sagt der Insider. «Das ist extrem langsam und fehleranfällig.»

Das Riskmanagement werde nicht von einer verschworenen Truppe aus New York heraus geführt, hält UBS-Sprecherin Tatiana Togni dagegen. «Wir haben Risiko-Teams in allen UBS-Regionen, und das Management-Team von Maureen Miskovic ist global aufgestellt, mit Personen in Zürich, London und New York.»

Die Finanzmarktaufsicht geht auf Tauchstation. Es würden «keine individuellen Aufsichtsmassnahmen» kommentiert. Nach dem Subprime-Crash forderte Bern von der UBS eine robuste Risiko-Kontrolle.


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