Diebe in Nadelstreifen

Betrug Immer wieder bereichern sich Berater von Schweizer Banken mit List und Tricks zulasten ihrer vermögenden Kunden. Oftmals steht der Drang nach oben am Anfang des Betrugs. Handelszeitung, 7. Juli 2011

Kundenberater R.G. war bei der UBS für die Reichsten der reichen Spanier zuständig. Mit ihnen speiste er in den teuersten Lokalen, besuchte sie an den attraktivsten Orten, genoss in ihrem Umfeld den Luxus der Iberischen Halbinsel. Irgendwann wollte der 52-jährige Schweizer offenbar nicht mehr nur Zaungast sein, sondern selber das grosse Rad drehen. Er begann, so zumindest der Stand der laufenden Strafuntersuchungen, Gelder von Kunden auf sein eigenes Konto umzuleiten.

Das Vorgehen war clever. R .G., der mit seiner Familie im Kanton Zürich lebt, spekulierte mit Vermögen von spanischen Offshore-Kunden, die ihr Geld seit Jahren nicht angerührt hatten. Das Kalkül war, mit Optionen-das sind Kauf-und Verkaufsrechte mit grosser Hebelwirkung-reich zu werden, ohne dass Kunden mit „schlafenden“ Konten zu Schaden kommen und etwas von seinen geheimen Deals mitkriegen würden.

Der Schlamassel begann, als die Börse in der Finanzkrise zusammenbrach und der Kundenberater mit immer höheren Wetteinsätzen die immer grösseren Verlustlöcher zu stopfen versuchte. Da kam ihm die interne UBS-Kontrolle auf die Schliche. Kundenberater und direkter Vorgesetzter wurden vor die Tür gestellt, die Bank reichte Strafanzeige gegen den vermuteten Täter ein. Selbst der nächsthöhere Manager, ein Veteran mit rund 30 Jahren UBS auf dem Buckel, hätte offenbar angesichts eines Kundenschadens über rund 20 Millionen Franken entlassen werden sollen. Einzig dank internen Fürsprechern, so ist aus UBS-Kreisen zu erfahren, konnte sich der Manager schliesslich durch eine Versetzung in eine untergeordnete Funktion retten.
Die Zürcher Strafbehörden bestätigen den Fall und verweisen auf komplexe Ermittlungen, die seit über einem Jahr laufen. Die UBS spricht offziell von einer unüblich hohen Schadenssumme. Alle Kunden seien entschädigt worden.

Selbst dazugehören

Wie R .G. sind jüngst weitere Kundenberater bei Schweizer Banken auf Abwege geraten. Allen scheint gemeinsam, dass sie im Verlauf ihrer Karriere das berufsbedingte Eintauchen in die Glamourwelt der Reichsten und die überschaubare eigene Finanzlage nicht mehr auseinanderhielten. Die Verlockungen, selber zur Klasse der Vermögenden zu gehören, nahm überhand.

Der Anfang ist oft harmlos. Der Genfer Kundenberater G. V. von der Privatbank Clariden Leu, einer Tocher der Grossbank Credit Suisse, zog für seine Arbeitgeberin viel Geld an Land-dank engen Kontakten zu Vermögenden aus Osteuropa und Russland. Problematisch war, dass G. V. nicht nur als scheinbar unabhängiger Kundenberater agierte, sondern gleichzeitig seinen eigenen Fonds namens Universal Strategies betrieb, wo er die ihm anvertrauten Kundengelder investierte-ein klassischer Interessenkonflikt.

Irgendwann stolperte G. V. über seinen Drang nach immer mehr Ertrag für die eigene Tasche. Laut einem mit den Vorfällen vertrauten Zürcher Banker vermietete er hinter dem Rücken eines ultrareichen russischen Kunden dessen mondänes Ferienchalet im Alpenkurort Verbier. Als der Russe zufällig auf das Nebengeschäft seines Private Banker stiess, forderte er zuerst Transparenz über das investierte Vermögen und später den Exit aus dem Fonds. Erst als er mit Rechtsanwälten Druck bei der Muttergesellschaft CS aufsetzte, kam der Stein ins Rollen.

Clariden Leu trennte sich in der Folge von ihrem langjährigen Vermögensverwalter, und Juristen der Bank versuchen, die Affäre möglichst leise zu beenden. Banker G. V., so heisst es in Zürcher Bankkreisen, soll derweil mit seinem Fonds bereits bei einer nächsten Schweizer Privatbank angeheuert haben.

Eine Sprecherin der Clariden Leu will sich nicht zum Fall äussern, und ein Sprecher der CS nimmt keine Stellung zu Kundenberatern, die auf Abwege geraten.

Was in den Köpfen solcher Banker vor sich geht, entspricht laut dem früheren Ethik-Professor der Universität St. Gallen Ulrich Thielemann einer Art Verblendung. „Diese Kundenberater glauben, einen Anspruch auf Reichtum und Erfolg zu haben“, sagt der Wissenschafter, der heute an der Denkfabrik Wirtschaftsethik Berlin tätig ist. „Die sagten sich wohl: Wir sind doch Leistungsträger, also wollen wir auch finanziell entsprechend dabei sein.“

Vermögensberater, die abhöben und sich auf die gleiche Ebene wie ihre reiche Kundschaft stellten, würden unter Realitätsverlust leiden, sagt der Wirtschaftsethiker weiter. „Sie sehen sich als die wahren Wertschöpfer, obwohl vieles dafür spricht, dass sie Wohlstand vor allem abschöpfen.“

Getrübte Wahrnehmung und Selbstüberschätzung dürften auch im dritten Fall ausschlaggebend gewesen sein, bei dem ein Schweizer Vermögensverwalter kürzlich in Justizfänge geriet. Die Rede ist von D. S., einem Kadermann der Sankt-Galler Privatbank Wegelin. Der 41-Jährige hatte sich auf Geschäfte mit einem Anwalt mit Operationsbasis Miami eingelassen. Dieser wurde zum FBI-Helfer, nachdem ihm die USA bei ihrer Jagd auf den bekannten Grossbetrüger Helmut Kiener auf die Spur gekommen waren.

Trotz Anzeichen von Gefahr liess sich der Wegelin-Banker von der Frau des Anwalts in Florida in eine Falle locken. Er wurde bei einem Treffen mit ihr in London von Agenten geheim gefilmt und letzten Herbst bei seiner Einreise in Miami verhaftet. Dort gestand er seine Tat und er wurde laufengelassen. Die Bank Wegelin entliess den Mann. Nicht so sehr wegen seiner heiklen Kundenbeziehung als wegen Missachtens interner Regeln. Die Sankt Galler wussten damals bereits, dass sie wegen vermuteter Beihilfe zu Steuerhinterziehung wie andere Schweizer Geldhäuser im Visier der Vereinigten Staaten waren. Deshalb verboten die Chefs ihren Mitarbeitern Reisen nach Amerika explizit. Die Aussicht auf ein lukratives Geschäft liess den Kundenberater die Warnung in den Wind schlagen.

Ein Fehltritt ist das Ende

Der Drang nach oben endet für viele Vermögensverwalter in einem faktischen Berufsverbot. „Wenn einer mal betrogen hat, hat er keine Chance mehr auf einen Job im Schweizer Banking“ ,sagt die langjährige Zürcher Personalvermittlerin Anita Meli. Für die auf die Finanzbranche spezialisierte Headhunterin ist die Vermittlung eines Bankers mit offiziellem Sündenregister ein „No-go“.

Frühere Betrugsfälle unterstreichen die Schwierigkeit, im angestammten Geschäft wieder Fuss zu fassen, insbesondere wenn fette Schlagzeilen geschrieben wurden. Wie bei Hanspeter Stalder. Der Schweizer hatte als langjähriger Private Banker bei der Grossbank UBS in New York rund 75 Millionen Dollar erschlichen und damit ein altes Schloss in ein Luxushotel verwandelt. Er wurde 2001 verhaftet und kehrte nach acht Jahren hinter Gittern vor einiger Zeit in seine Heimat zurück. Für ihn ist eine Fortsetzung seiner Bankkarriere unwahrscheinlich.

Eine Rückkehr ins Geschäft mit dem Geld ist auch für Andreas Hafen unvorstellbar. Der ehemalige Präsident des Fussballklubs Wil und langjährige Firmenkundenberater der UBS ertrog rund 51 Millionen Franken und wurde 2006 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Pelzmäntel und Schönheitsoperationen auf Firmenkosten

Im Vorzimmer der Macht Ein neuer Fall wirft hohe Wellen innerhalb der UBS. Die Täterin war die langjährige Assistentin von Topmanagern. Gemäss internen Ermittlungen missbrauchte Chefsekretärin D.G. die Firmenkreditkarten von Raoul Weil, Ex-Chef der globalen Vermögensverwaltung, und Franco Morra, Ex-Chef UBS Schweiz.
Strafanzeige eingereicht Sprecher Dominique Gerster bestätigt: „UBS hat im Rahmen eigener interner Routinekontrollen im Herbst 2010 Unregelmässigkeiten im Umgang mit einer Firmenkrediktarte entdeckt.“ Kunden seien keine zu Schaden gekommen, die Bank habe Strafanzeige eingereicht.

„Die betreffende Person ist fristlos entlassen worden“ ,so Gerster weiter.
Die Chefs visierten Sowohl Weil als auch Morra mussten vor den internen Prüfern aussagen, sagt eine UBS-Quelle. Möglicherweise mussten noch weitere Spitzenkader vorsprechen. Laut mehreren ehemaligen Managern hat Assistentin D.G. die Visa-Karten ihrer Vorgesetzten für eigene Luxuseinkäufe wie Pelzmäntel und Schönheitsoperationen missbraucht. Sie habe die Rechnungsbelege mit plausibel klingenden Erklärungen von ihren Chefs visieren lassen, der Schaden belaufe sich auf über 1 Million Franken. Der Fall wirft ein schiefes Licht auf die internen Kontrollmechanismen der Bank. Die hohen Belastungen der Firmenkarten seien lange nicht aufgefallen, obwohl für deren Prüfung eine eigene Stelle in Basel zuständig sei, behauptet eine Quelle.


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