Villiger stellt sich vor die alte UBS-Garde

Der VR-Präsident verwedelt im Transparenzbericht das gegenüber den USA gemachte Schuldeingeständnis der Ex-Chefs. Heute entscheidet die GPK, ob diese Form der Vergangenheitsbewältigung genügt. Tages-Anzeiger, 1. November 2010

Die Parlamentarier hatten in ihrem Bericht empfohlen, dass Bundesrat und UBS dafür sorgen sollen, dass «der bankinterne Umgang der UBS, insbesondere von Verwaltungsrat, Konzernleitung und Revisionsstelle, im Zusammenhang mit der Subprime-Krise und ihrem grenzüberschreitenden Geschäft in den USA aufgearbeitet» würde.

Plädoyer für die Betroffenen

Es sollten Klagen ermöglicht respektive begründet werden, warum auf solche verzichtet würde. Heute Montag will die GPK-Subkommission ihre Empfehlung an die Gesamt-GPK bekannt geben. Dann wird sich entscheiden, ob Kaspar Villigers (69) bisher wichtigster Beitrag als UBS-Präsident, die Bank endlich aus den Fängen der Vergangenheit zu befreien, von Erfolg gekrönt sein wird.

Eine Analyse zeigt, dass Villiger schützend seine Hand über die Ex-UBS-Spitzenmanager hält. Sein Bericht verharmlost die persönlichen Verantwortlichkeiten und wird trotz scheinbar kritischer Würdigung zum Plädoyer für die Betroffenen. Villiger gibt sich auch damit zufrieden, dass die früheren Kapitäne freiwillig nur auf einen kleinen Teil ihrer Boni verzichten; dies, obwohl selbst der von Villiger bestellte Gutachter Peter Forstmoser gute Chancen auf mehr Boni-Rückforderungen sieht.

Der entscheidende Passus

Wie stark sich der einstige Finanzminister zum Verteidiger seiner gescheiterten Vorgänger macht, zeigt ein zentrales Element in der Geschichte des US-Steuerfalls. Die Rede ist vom «Statement of Facts», Bestandteil des Deals, den die UBS Anfang 2009 mit den US-Behörden abschloss. Damit konnte die Bank das Schlimmste verhindern. Im Gegenzug musste die Schweiz rund 250 amerikanische UBS-Kunden offenlegen und das 75 Jahre alte Bankgeheimnis opfern.

Der entscheidende Passus findet sich unter «4.C.».Er behandelt die Verstösse der UBS-Angestellten beim Beraten ihrer vermögenden US-Kundschaft aus der Schweiz heraus, dem sogenannten Offshore-Banking. UBS-Banker hätten ihre Kunden in Amerika getroffen oder per Telefon oder Mail beraten, somit «aktiv» bei der Verwaltung unversteuerter Gelder geholfen, steht im Dokument, das von den USA und der UBS-Führung als Tatsachendarstellung akzeptiert wird. Dank der irregulären Beratungstätigkeit – sie verstiess gegen US-Aufsichtsrecht – hätten die US-Kunden ihre Börsengeschäfte und Geldüberweisungen geheim halten können.

Zögern zum Wohle der Bank

«Gewisse oberste Entscheidungsträger und Manager der UBS, die über diese Praxis im Bild waren, fuhren aus Gründen der Profitabilität fort, das US-Offshore-Geschäft zu betreiben und auszuweiten», heisst es dort. Erst im Sommer 2007 hätten die Zuständigen beschlossen, den Geschäftszweig einzufrieren. «Die Entscheidungsträger und Manager zögerten den Entscheid hinaus, weil sie befürchteten, es handle sich um einen teuren Beschluss, es liesse sich kein Käufer finden und der Ruf der Bank würde beschädigt.»

Wer mit «Entscheidungsträger und Manager» gemeint ist, geht aus der Anklageschrift gegen Ex-Konzernleitungsmitglied Raoul Weil hervor. «Im August 2006 weigerten sich der Angeklagte Raoul Weil und der Entscheidungsträger Nr. 1, der Empfehlung der Manager Nr. 2 und 4 zu folgen, das US-Offshoregeschäft herunterzufahren, zu verkaufen oder abzutrennen.» Mit «Entscheidungsträger Nr. 1» ist Marcel Rohner gemeint, von 2002 bis im Mitte 2007 Chef der gesamten UBS-Vermögensverwaltung und Vorgesetzter von Raoul Weil, dem obersten Offshore-Chef. Hinter «Manager Nr. 2» steht Martin Liechti, Offshore-Leiter Nord- und Südamerika und Unterstellter von Weil. Als «Manager Nr. 4» kommen mehrere Ex-Kader infrage, die aber unbedeutend für die Geschichte sind.

Weitreichendes Schuldeingeständnis

Auf Anfrage bestätigt die UBS-Pressestelle die Rollenzuordnung, und mit der Unterzeichnung des «Statement of Facts» gibt sie offiziell zu, dass die genannten obersten Funktionsträger die illegale Praxis im US-Offshoregeschäft kannten, dieses jedoch aus Rendite- und anderen Gründen nicht vorzeitig einstellen oder abstossen wollten. Dank ihrem Geständnis erhielt die UBS den verzweifelt gesuchten Vergleich, bezahlte eine Busse von 780 Millionen Dollar und überliess den Rest der Aufarbeitung dem Bundesrat, der das Gesetz für einen US-Waffenstillstand rückwirkend zurechtbog. Wie weitreichend das UBS-Schuldeingeständnis in den USA war, blieb in der Heimat weitgehend unbemerkt. Die US-Gerichtsunterlagen schreckten ab, und welcher Passus bedeutend war, blieb Juristenfutter.

Profitables Geschäft weitergeführt

So fiel auch kaum als Differenz auf, dass die Finanzmarktaufsicht (Finma) im Februar 2009 in ihrer eigenen Untersuchung bestritt, «die oberste Geschäftsleitung der UBS AG hätte von den zuvor erwähnten Betrugsmanövern von US-Kunden zum Nachteil der US-Steuerbehörden und der weisungswidrigen Verletzung von SEC-Restriktionen durch einzelne Mitarbeiter gewusst». Es ist das Gegenteil dessen, was die UBS selbst zugegeben hatte. Derart einfach konnte es sich Villiger nicht machen; sein auch in den USA beachteter Transparenzbericht kam am «Statement of Facts» nicht vorbei.

Wer nun aber die entsprechende Passage im Bericht liest, erkennt das eingestandene schwere Verschulden des obersten Managements kaum wieder. «Obwohl die UBS von den Verstössen (…) Kenntnis hatte, wurden diese Aktivitäten nicht unterbunden», steht hier, bevor der entscheidende Satz folgt: «Dies deshalb, da man sich bewusst war, dass das US-Crossborder-Geschäft profitabel war. Aus diesem Grund wurde auch erst im August 2007 der Entscheid gefasst, aus diesem Geschäft auszusteigen, wobei sich die Umsetzung dieses Beschlusses nochmals verzögerte.» Kaspar Villiger schreibt über die Versäumnisse der Ex-Spitze beschönigend in der dritten Person, während im US-Deal deutlich gekennzeichnete UBS-Spitzenleute an den Pranger gestellt sind.

Kritik in Watte verpackt

Auch die Untersuchung von Ex-Konzernanwalt Peter Kurer im Zuge von Bradley Birkenfelds Whistleblowing vom Frühling 2006 wird unterschiedlich gewürdigt. Bei den Amerikanern – und akzeptiert von der UBS – heisst es dazu: «Weder prüfte diese Untersuchung vorliegende Beweise für Kontakte zwischen Private-Bankern und US-Kunden, noch ging sie solchen auf den Grund, weshalb sie lediglich ‹isolierte Rechtsverstösse› fand. Eine gründliche Prüfung hätte US-Rechtsverstösse wie in diesem Statement geschildert zutage gefördert.»

Villiger verpackt die Kritik in Watte. «Der Umfang der internen Untersuchung war nur beschränkt, und vorhandenen Beweisen wurde nicht weiter nachgegangen. Daher stellte die Untersuchung auch nur in einigen Fällen Verstösse gegen anwendbare gesetzliche Bedingungen fest, was mit einer umfassenden (statt beschränkten) Untersuchung hätte vermieden werden können.»
Finma weicht aus
Die UBS verneint Beschönigungen. «In der Zusammenfassung sind alle wichtigen Punkte des bereits öffentlichen Statement of Facts wiedergegeben, auch jene der Verantwortlichkeiten», sagt Sprecher Serge Steiner. «Da der Verwaltungsrat sich entschieden hat, keine Klagen gegen ehemalige Führungsorgane zu erheben, ist es nicht angebracht, den im Bericht erwähnten Verfehlungen des ehemaligen Managements die Namen einzelner Personen hinzuzufügen.»

Die Finma geht gar nicht erst aufs Thema ein. «Die GPK hat uns aufgefordert, bis Ende Jahr zu konkreten Fragen Stellung zu beziehen», sagt Sprecher Alain Bichsel. «Das werden wir natürlich machen. Wir machen aber keine Textanalyse des UBS-Berichtes. Auch machen wir keine Queranalysen sämtlicher Berichte.» Die Aufsicht habe ihre Position «mehrfach» klargemacht. «Dem können wir nichts mehr beifügen.»

Verzicht auf Bonuszahlungen erwähnt

Der beschlossene Klageverzicht wird von der UBS-Spitze mit der Klagefreudigkeit vor allem in den USA begründet. «Das ist sicherlich ein wesentlicher Gesichtspunkt», sagt Wirtschaftsanwalt Peter Nobel. Würde die Bank klagen, verträte sie die Meinung, dass «unrechtmässig gehandelt wurde, und sie ist dafür als juristische Person auch verantwortlich», begründet Nobel.

Alternativ hätte Villiger Härte bei Bonus-Rückforderungen zeigen können. Bei der Präsentation seines Transparenzberichts sprach er von «signifikanten» Geldflüssen der Ex-Chefs. Im Bericht ist von «mehr als CHF 70 Millionen» Lohn- und Bonuszahlungen die Rede, auf die Marcel Ospel & Co. «verzichtet oder diese freiwillig zurückerstattet» hätten.

10 Millionen pro Kopf

Das ist viel Geld, aber relativ gesehen nicht signifikant. Verteilt auf die reuigen Ex-Spitzenmanager entspricht das rund 10 Millionen pro Kopf. Allein Ospel und sein Ex-CEO Peter Wuffli liessen sich in den fünf einkommensreichen Jahren von 2002 bis 2006 je rund 100 Millionen Boni auszahlen. UBS-Gutachter Peter Forstmoser schliesst weitere Forderungen nicht aus.

Ein Klageverzicht heisse nicht, dass es der Verwaltungsrat «unterlassen sollte, im Rahmen des Möglichen und Sinnvollen Ersatzleistungen von Organpersonen, die ihre Pflichten nicht erfüllt haben, einzuverlangen». Ob er damit meint, die UBS sollte mehr Boni zurückfordern, lässt Forstmoser auf Anfrage offen.

Komfortable Aussichten für gescheiterte UBS-Manager

Selbst Ospel-Intimus Kurer zeigte sich kritischer. Einem Zürcher Wirtschaftsanwalt, der «pflichtwidrige Vermögensschädigung» geltend gemacht und Forderungen von «mindestens in Höhe der während Jahren überhöhten Bezüge» angemahnt hatte, antwortete der Villiger-Vorgänger in einem Antwortbrief vom 12. November 2008: «Mit Ihren Ausführungen über die Boni und die damit zusammenhängende Verärgerung bzw. die notwendige Vertrauensbildung bin ich weitestgehend einverstanden.»

Beschönigung der Taten und keine Klagen, dafür Boni auf sicher: Die gescheiterten UBS-Manager können – Villiger sei Dank – ihre Zukunft planen. Die Bank entschädigt gar «unter gewissen Voraussetzungen bestimmte gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiter für Prozesskosten und weitere Aufwände im Zusammenhang mit Rechtsverfahren», bestätigt ein UBS-Sprecher. Auch die Entschädigung «von allfälligen externen Anwälten» gehört


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