Topbanker verweigern sich der Finma

Nachfolge von Chef Eugen Haltiner noch immer offen, weil angefragte Kandidaten reihenweise absagen. SonntagsZeitung, 5. Dezember 2010

Es ist die derzeit wichtigste Personalie in Bundesbern: Wer beerbt den abtretenden Eugen Haltiner, 62, Präsident der Finanzmarktaufsicht (Finma)? Er oder sie muss eine kritische, unabhängige Persönlichkeit mit Bankenerfahrung und breitem Rücken gegen Angriffe aus der Politik sein. Nur: Bisher wurde offensichtlich niemand mit diesem Profil gefunden.

Hauptgrund ist eine Reihe von Absagen. «Einige gewichtige Persönlichkeiten haben sich verweigert», bestätigt FDP-Präsident Fulvio Pelli. Fähige Leute hätten keine Lust, sich der Dauerkritik aus der Politik auszusetzen.

Den ursprünglich kommunizierten Wahltermin von November hat der Bundesrat bereits verpasst. Nun will Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf das Geschäft bis Ende Jahr erledigen, «voraussichtlich mit einem Einervorschlag», sagt Sprecher Roland Meier. Bis dahin sind nur noch zwei Bundesratssitzungen vorgesehen.

Dabei war die Haltiner-Nachfolge rechtzeitig aufgegleist. Die Mitarbeiter von Hans-Rudolf Merz haben dessen designierter Nachfolgerin Anfang Oktober eine «Longlist» mit Kandidaten aus Banken-, Universitäts- und Verwaltungskreisen zukommen lassen, heisst es in Bern. Beauftragter Headhunter war die auf Topjobs spezialisierte Zürcher Agentur Egon Zehnder. Allein: Der Erfolg blieb aus. Die Absagen haben mehrere Gründe, wie Recherchen der SonntagsZeitung zeigen.

– Alfredo Gysi, CEO Banca della Svizzera Italiana, musste krankheitshalber Forfait geben.

– Wegelin-Banker und SNB- Bankratsmitglied Konrad Hummler hat bereits der NZZ fürs Präsidium zugesagt.

– Wegelin-Partner Otto Bruderer lehnte ebenfalls ab.

– Für Olivier Steimer, 55, Präsident der Waadtländer KB und im Bankrat der SNB, kam ein Frontenwechsel offenbar zu früh.

– Aus Genfer Privatbankenkreisen sollen mit Nicolas Pictet und Kollege Renaud de Planta zwei Pictet-Chefs im Gespräch gewesen sein. Letzterer habe sich durch seine Grossbanken-Kritik aus dem Spiel genommen.

Vertreter der UBS oder CS haben keine Chance

Offenbar war man sich in der Branche einig, dass auf Haltiner mit seiner langjährigen UBS-Karriere kein Grossbanken-Vertreter folgen soll. Eine Parlamentskommission hat die Problematik grosser Nähe zu einem wichtigen Institut bei der Aufarbeitung des US-Steuerfalls der UBS aufgezeigt. Das «No go» zu einem Grossbanken-Vertreter verhinderte laut einem angefragten Banker auch eine Kandidatur von Urs Roth, bis vor kurzem Chef der Schweizerischen Bankiervereinigung. Roth hatte zuvor lange in UBS-Diensten gestanden.

Das Nein fähiger Branchenvertreter hängt zwar auch mit dem im Verhältnis zu den Spitzenlöhnen im Banking bescheidenen Salär von jährlich 320 000 Franken zusammen. Viel gewichtiger aber erscheint der absehbare Protest der Linken gegen einen Topbanker. «Banker sind verbandelt, das geht politisch nicht», sagt SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (BL), die sich im bankenkritischen Politspektrum eine Leaderposition erarbeitet hat. Ihr zufolge gäbe es «im Uni- und SNB-Umfeld gute und unabhängige Köpfe». Die SP habe mehrere Namen in die Entscheidfindung einfliessen lassen, sagt Leutenegger, darunter auch Urs Birchler. Der Ex-SNB-Kadermann lehrt heute am Bankeninstitut der Uni Zürich. Er hat im Juli für die Sozialdemokraten eine Studie zur «Too big to fail»-Problematik verfasst, die eine Subventionierung der Grossbanken im Umfang der Landwirtschaft aufzeigt.

Pellis Vorschlag: Bundesrat soll einen Chef auf Zeit wählen

Zur aussichtsreichen Kandidatin ernannte die «NZZ am Sonntag» vergangene Woche Finma-Verwaltungsrätin Anne Héritier Lachat, Anwältin mit Professoren-Mandat an der Uni Genf. Lachats SP-Parteibuch sei aber ein Nachteil, heisst es in Bern. Die NZZ brachte zusätzlich Jean-Baptiste Zufferey ins Spiel, Gastprofessor an der ETH in Lausanne und wie Lachat Jurist sowie Finma-VR.

Für SVP-Nationalrat und Bankenexperte Hans Kaufmann wäre ein Gelehrter an der Finma-Spitze falsch. «Das Problem mit Experten ist: Sie können sich nicht ins moderne Banking hineindenken. Deshalb bremsen sie am falschen Ort, ohne die echten Gefahren zu erkennen.»

Weitere genannte Verwaltungsleute sind Ex-Finma-Direktor Daniel Zuberbühler, der in den VR der Aufsicht gewechselt hat, und Peter Siegenthaler, Präsident des Kantonalbanken-Verbands und als Ex-Finanzverwaltungschef Strippenzieher bei den diversen UBS-Rettungen. Das Problem: Während Siegenthaler offenbar nicht will, trägt Zuberbühler den Stempel eines Mitversagers bei der Subprime-Krise.

Pelli schlägt nun vor: Wenn kein Topbanker gefunden werde, solle der Bundesrat eine Person auf Zeit wählen. «Die Glaubwürdigkeit der Schweizer Finanzaufsicht steht auf dem Spiel, das bedingt eine auch im Ausland respektierte Persönlichkeit.»


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