Schon 1400 Selbstanzeigen

Deutsche Steuerhinterzieher rennen vor allem der CS die Türen ein. SonntagsZeitung, 14. Februar 2010

Donnerstag, 18.30 Uhr, Paradeplatz: Trotz fortgerückter Stunde sind noch immer viele deutsche Limousinen rund ums Bankenzentrum parkiert: ein grauer Audi aus der Region Stuttgart, ein schwarzer Mercedes-Offroader aus Baden-Baden, ein dunkelblauer Landrover aus Freiburg im Breisgau, ein BMW-Kombi aus dem Raum Frankfurt.

Die Invasion ist auch auf der Bahnhofstrasse unübersehbar. Ein älteres Ehepaar – er im grünen Lodenmantel, sie im Pelz – bespricht in säuselndem Schwäbisch die Auslagen der Boutiquen – ein letzter Kauf vor dem Auszug aus dem Finanzparadies?

Derweil bedrängen langjährige deutsche Offshore-Kunden hinter den Mauern der Banken ihre Berater, die für eine Selbstanzeige benötigten Unterlagen auszufertigen. Bis Mittwoch wollten allein bei der Credit Suisse 1400 Deutsche ihr Schwarzgeld deklarieren, sagt ein Kadermann.

Vor allem die CS bekommt die Nervosität zu spüren

Die CS hat das Thema zur Chefsache erklärt. Detailliert wird über Selbstanzeigen und drohende Vermögensabflüsse Buch geführt. In der «Samstagsrundschau» von Radio DRS nannte CS-Präsident Hans-Ulrich Doerig die Datenklau-Aktionen eine «grosse Belastung». Kunden mit Schwarzgeld würden an Steueranwälte verwiesen.

Seit Anfang Februar die erste CD mit rund 1500 Schweizer Bankdaten und einem möglichen Steuerertrag von 400 Millionen Euro auftauchte, propagiert auch Julius Bär rasches Reinemachen. «Wir empfehlen unseren Kunden, ihre Situation mit einem Steuerberater zu besprechen», sagt ein Sprecher. Neu stellt die Privatbank allen deutschen Kunden automatisch einen Vermögensauszug für die Steuerbehörden zu.

Laut einem Sprecher legt die UBS ihren deutschen Kunden ebenfalls nahe, sich dem Fiskus zu stellen, allerdings nur auf Anfrage – offiziell kennt die Bank den Steuerstatus nicht.

Die Flut von Selbstanzeigen stieg exponentiell an, als weitere Daten-CDs angeboten wurden. In Bayern hätten am Montag erst 17 Steuerpflichtige ihre Verhältnisse offengelegt, sagt ein Sprecher des Finanzministeriums. Am Dienstag stieg das Total auf 70, bis Mittwoch waren es 129, am Donnerstag 231. Eine AP-Umfrage bei den 16 Bundesländern ergab über 850 Selbstanzeigen, Tendenz steigend.

Vor allem die CS bekommt die steigende Nervosität unter den Steuerhinterziehern zu spüren. Von ihr sollen am meisten Namen auf der ersten Datenklau-CD stehen. Eine Sprecherin des Finanzamtes in Nordrhein-Westfalen gab eine Informationssperre bis nächste Woche bekannt. Ob die Behörden die für 2,5 Millionen Euro angebotene CD inzwischen erworben haben, liess sie offen.

UBS schätzt Schwarzgeldanteil auf 50 Milliarden Franken

Wer seine hinterzogenen Vermögen lückenlos und freiwillig offenlegt, kommt glimpflich davon. Neben den geschuldeten Steuern müssen die Betroffenen nur einen Zins von jährlich 6 Prozent zurückerstatten. Eine Strafsteuer von bis zu 20 Prozent auf den Vermögenshöchststand, wie es die USA in ihrem Selbstanzeigeprogramm rund um den UBS-Steuerstreit vorsahen, kennen die Deutschen nicht.

Wer hingegen wartet, bis er überführt wird, kommt hart dran. Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel erhielt zwei Jahre bedingt und eine Busse von 970 000 Euro aufgebrummt, nachdem die Behörden 2008 – nach einem Datenklau – dessen hinterzogene Gelder in Liechtenstein entdeckt hatten.

Diese Woche machten die UBS und die CS auf Schadensbegrenzung und legten die in der Schweiz verwalteten Vermögensbestände aus den wichtigsten EU-Ländern offen. Demnach bewirtschaftet die CS knapp unter 100 Milliarden Franken aus Deutschland, Frankreich, Italien und England, bei der UBS sind es knapp über 100 Milliarden. UBS-Finanzchef John Cryan nannte maximal 50 Milliarden als rückzugsgefährdet. So hoch schätzt die UBS offenbar den Schwarzgeldanteil ein. Die CS spricht von drohenden Vermögensabflüssen in der Höhe von 30 Milliarden Franken.

Knapp die Hälfte der einmal deklarierten Vermögen bleibt in der Schweiz, wie das Beispiel der italienischen Steueramnestie zeigt. Vermögen aber, die nach Offenlegung unter die Millionengrenze sänken, seien für die CS nicht mehr interessant, sagt ein Kadermann. Der Aufwand rechne sich nicht.


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