Die Rache der Verratenen

Amerikanische Kunden fordern von der UBS Millionenbeträge, weil ihre Kontodaten von der Schweiz an die Steuerbehörden in Washington geliefert wurden. Das Betreibunsgregister der Grossbank schwillt stark an. Doch auch der Credit Suisse geht es kaum besser. Handelszeitung, 10. November 2010

Jeffrey Chernick war nichts mehr heilig. Als ihn die amerikanischen Ermittler im Frühling 2009 wegen 8 Millionen Dollar Schwarzgeld auf UBS-Konten in die Mangel nahmen, bezichtigte der New Yorker Spielzeughändler seine Schweizer Banker grundlos der Bestechung. Er hoffte vergeblich auf Milde: Drei Monate Gefängnis und 4,5 Millionen Dollar Nachsteuern und Bussen lautete das Verdikt.

Nun schlägt der 71-Jährige zurück. Er, der auf der berühmten Liste jener 250 US-Steuersünder landete, die im Februar 2009 von der Schweiz mittels Aushebelung geltenden Rechts offengelegt wurden, geht gegen seine Ex-Bank vor. Im Februar 2010 reichte sein Anwalt eine Betreibung über 5 Millionen Franken gegen die UBS ein.

Auszug der CS ist 16 Seiten lang

Das offiziell abgeschlossene Steuerdrama droht so die UBS weiter zu beschäftigen. Denn neben Chernick haben auch andere US-Delinquenten Ansprüche angemeldet. Der 59-Jährige Robert Moran gehört dazu, ein Yacht-Unternehmer aus Florida und wie Chernick zu Gefängnis verurteilt. Moran betreibt die Zürcher über 12 Milionen Franken, nachdem er knapp 2 Millionen Dollar an Bussen und Nachsteuern leisten musste. Auch Harry Abrahamsen lässt nicht locker. Unter eigenem Namen fordert der Amerikaner über 2 Millionen Franken von der Grossbank, 3,7 Millionen Dollar will zudem seine Scheinfirma in Panama, mit deren Hilfe er geheime US-Wertpapiere halten konnte.

Das sind nur vier von 137 Betreibungen, die beim zuständigen Betreibungsamt für die Zeit von Anfang 2008 bis Ende September 2010 auf den Hauptsitz der Bank registriert sind. Sie beliefen sich auf ein Total von 2,3 Milliarden Franken. Inklusive der Betreibungen, die jährlich erneuert wurden, um der Verjährung zu entgehen, lagen gar 177 Stück über ein Total von 3,4 Milliarden Franken vor (siehe Grafik).

Der Zürcher Anwalt Michel Haymann, der US-Kunden vertritt, sagt dazu: «Die UBS hat Akten eines Kunden herausgegeben, der sein Vermögen in den USA immer offengelegt hatte, was ihm die Eröffnung eines Straf- und Zivil-Verfahrens in den USA einbrachte.» «Für die Kosten der Abwehr könnte die UBS haftbar gemacht werden», so der Jurist. Ein UBS-Sprecher wollte sich nicht zu Einzelfällen äussern. Er verwies auf eine Stellungnahme der Bank an ihrer letzten Generalversammlung. «Die Betreibungen gegen UBS haben keine Aussagekraft über effektive oder rechtlich durchsetzbare Forderungen gegenüber der Bank», heisst es bloss.

Die Credit Suisse spielt derweil die sprunghaft angestiegenen Betreibungen herunter. «Anzahl und Volumen von Betreibungen sind ein schlechter Indikator für allenfalls hängige oder drohende Verfahren», sagt Sprecher Marc Dosch. Das eingeforderte Total belief sich bei der Credit Suisse per ende September auf 1,7 Milliarden Franken. Vor 6 Jahren lag die Summe noch bei einem Fünftel dieses Milliardenbetrags.

Ins Auge sticht bei der zweiten Schweizer Grossbank die hochgeschnellte Anzahl von Betreibungen. Bereinigt um die jährlich wiederkehrenden Eingaben zwecks Verjährungsunterbrechung explodierte diese Zahl für die zurückliegenden knapp 3 Jahren von 60 auf 256, eine Vervierfachung. Der Betreibungsauszug des CS-Hauptsitzes am Zürcher Paradeplatz ist von ein paar wenigen Seiten im 2004 auf 16 Seiten diesen Herbst angewachsen.

Finma will Bankkunden besser schützen

Seitenlang sind Betreibungen aufgeführt, die im Frühling 2008 von einer Tessiner Anwaltskanzlei eingereicht und ein Jahr später erneuert wurden. Es handelt sich um Forderungen, die vom Kleinstbetrag über 925 Franken bis zu 518 000 Franken reichen und hauptsächlich von Italienern stammen. Die zuständige Anwaltskanzlei in Lugano liess Anfragen dazu unbeantwortet. CS-Sprecher Dosch wollte die Fälle nicht kommentieren.

Bekannt ist, dass sogenannte Lehman-Opfer gegen die CS vorgingen. Die Grossbank hatte Wertpapiere der US-Investmentbank lange Zeit als ausfallsicher angepriesen. Noch kurz vor dem Untergang von Lehman im September 2008 überzeugte sie selbst Kleinanleger von einem Investment in die Wertpapiere.Das Vorgehen löste einen Proteststurm aus, die CS zog schliesslich die Notbremse und offerierte 3700 Kunden, deren wertlose Papiere für insgesamt 150 Millionen Franken zurückzukaufen. Heute sei nur noch «eine Handvoll Fälle» hängig, so die Bank.

Kürzlich hat sich Credit Suisse mit einer letzten Gruppe von Lehman-Gläubigern geeinigt, die vom Zürcher Anwalt Daniel Fischer vertreten wurde. «Die Credit Suisse hat sich gegenüber den geprellten Lehman-Investoren mit Abstand am Anständigsten verhalten», zeichnet Fischer die Grossbank aus.

Lehman hat gemäss Berner Finanzmarktaufsicht kein schuldhaftes Verhalten der Credit Suisse und ihrer Kundenberater zutage gefördert. Trotzdem stellt die Finma ein Papier zur Diskussion, wie Bankkunden in Zukunft vor schlechter Beratung besser geschützt werden sollen.


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