Whistleblower attackiert UBS

US-Justiz untersucht Vorwürfe eines Ex-Mitarbeiters zu Steuerhinterziehung. (SonntagsZeitung, 11. Mai 2008)

Nach den Milliardenabschreibern im Handel hat die UBS auch in der Vermögensverwaltung ein Problem. Die Verhaftung des UBS -Private-Banking-Chefs für Nord- und Südamerika, welche diese Woche bekannt wurde, passierte nicht zufällig. Die US-Behörden arbeiten mit einem so genannten Whistleblower zusammen, einem Ex-Mitarbeiter, der Kenntnis hat über Geschäftsmodell, Kunden und Mitarbeiter. Seine Auskünfte über mögliche Steuerhinterziehung könnten zu einer hohen Busse oder gar dem Aus im Markt USA führen.

Beim Informanten der US-Justiz soll es sich um den 44-jährigen B. (Name der Redaktion bekannt) handeln, wie ein UBS -Berater, der mit den Verhältnissen vertraut ist, der SonntagsZeitung bestätigt. B. ist Amerikaner und war jahrelang für das rund zwei Dutzend Personen starke Amerika-Team in Genf tätig. Weitere etwa 50 Mitglieder des Teams sassen in Zürich, wenige in Lugano. Heute lebt B. in Boston. Er liess mehrere Anrufe unbeantwortet.

B. verliess die UBS 2006 im Streit mit seinem obersten Chef Martin Liechti. Das ist der Topmanager, der vor zwei Wochen nach der Landung in Miami kurz verhaftet wurde, wie die «Financial Times» meldete. Liechti, der zu den bekanntesten Managern der Vermögensverwaltung der Grossbank zählt und 800 Mitarbeitern vorsteht, muss den Behörden Red und Antwort stehen und darf die USA nicht verlassen.

B. war anfänglich unzufrieden mit seiner Entschädigung, sagt der UBS -Informant. Später soll der Konflikt zwischen B. und der Bank eskaliert sein. B. habe seine frühere Arbeitgeberin vor Gericht eingeklagt und Recht erhalten. Die Bank habe B. eine Entschädigung zahlen müssen. B. sei danach mit seinem Arbeitszeugnis unzufrieden gewesen, was ein Grund sein könnte für die Informationen an die US-Justiz.

Die Festsetzung von Liechti deutet darauf hin, dass B. den Behörden die Namen der Mitarbeiter und Verantwortlichen des ehemaligen US-Amerika-Teams bekannt gemacht hat. Vermutlich ging B. aber noch weiter und legte auch Angaben über seine früheren Kunden gegenüber den Behörden offen. Diese könnten mit einem Schlag gegen vermögende Amerikaner, die den Fiskus seit Jahren hintergangen hätten, einen Coup landen wollen.

Ein UBS -Sprecher wollte keine Stellung zum Whistleblower nehmen. Er bestätigte lediglich, dass die Bank letzten November das Amerika-Team, das für die Kundenbetreuung aus der Schweiz heraus tätig gewesen war, aufgelöst habe, was unter anderem erlaube, «die Einhaltung der geltenden Gesetze und Vorschriften besser zu gewährleisten».

Chef Liechti missachtete das Reiseverbot für die USA

Als im Januar das Aus für das Amerika-Team öffentlich wurde, erhielten die betroffenen UBS -Mitarbeiter die Anweisung, nicht mehr in die USA zu reisen. Warum Liechti, der Chef der ganzen Nord- und Südamerika-Vermögensverwaltung, das Reiseverbot missachtete, ist unklar.

Whistleblower B. ist laut UBS -Auskunftsperson nicht nur von Rache getrieben. Er habe grundsätzliche Bedenken bezüglich des Geschäftsgebarens in den USA gehabt. Die UBS habe die Kundenberater des US-Teams einer juristischen Gefährdung ausgesetzt, sagt der Mann, der seine Aussagen auf Informationen aus dem Amerika-Team abstützt.

Wenn die Berater des Amerika-Teams auf Kundenbesuch gingen, nahmen sie laut dem UBS -Berater weder offizielle UBS -Visitenkarten mit, noch hatten sie geheime Daten auf ihrem Laptop.

Um die Kunden seriös betreuen zu können, sollen die Berater ein branchenübliches Vorgehen angewandt haben: Vor ihrer Abreise schickten sie die Vermögensübersicht elektronisch an eine private E-Mail-Adresse. Einmal in den USA, luden sie die Daten vom Server auf ihren Laptop und druckten sie aus.

Ausgerechnet dieses E-Mail-Verfahren könnte nun aber der weltgrössten Vermögensverwalterin, die als Vorbild für hochstehendes Swiss Banking galt, zum Verhängnis werden. Das Verschicken der Dokumente auf die private E-Mail-Adresse soll vom UBS -Arbeitsplatz aus erfolgt sein. Wurden die Kundeninformationen über UBS -Computer verschickt, wäre dies ein Problem in der Auseinandersetzung mit den US-Behörden. Die Bank könnte in diesem Fall nicht so leicht auf die Verantwortung der Kundenberater verweisen, wie sie dies bei anderen Steuerverfahren in Deutschland und Brasilien tut.

UBS -Sprecher Serge Steiner schliesst aus, dass die US-Behörden im grossen Stil über Kundendaten verfügen. «Der Zugang zu Kundendaten ist streng geregelt und erfolgt nach dem Need-to-know-Prinzip», sagt Steiner. Der Schaden könnte trotzdem gross sein. Laut dem UBS -Manager betreute jeder Kundenberater des Amerika-Teams bis zu 50 Kunden mit Vermögen von je bis 50 Millionen Franken.

Kritisch für die Schweizer Grossbank wäre eine Anklage wegen systematischer Verletzung von US-Regeln. Das US-Justizdepartement klärt derzeit ab, ob die UBS ihren Kunden seit Jahren bei der Steuerhinterziehung geholfen habe. Gleichzeitig untersucht die US-Börsenaufsicht, ob die betroffenen UBS -Berater eine Registrierung in Amerika benötigt hätten. Die UBS sagt, sie kooperiere in beiden Fällen.

Privatbanker Hummler fordert Rückzug aus den USA

Im Kern geht es um die Frage, ob die Schweizer eine Abmachung mit den US-Steuerbehörden missachtet haben. Seit 2001 trägt die UBS den Status des Qualified Intermediary (QI). Damit verpflichtete sich die Bank, sämtliche Transaktionen amerikanischer Bürger mit US-Aktien und -Obligationen den Steuerbehörden zu melden. Dazu gründete die UBS eine Tochterfirma, die von den US-Behörden lizenzierte UBS Swiss Financial Advisers AG (SFA) in Zürich. Nun könnten die US-Behörden zu beweisen versuchen, dass die UBS die QI-Regelung jahrelang unterlaufen und ihren US-Kunden US-Wertpapiere nicht nur via SFA verkauft habe, sondern auch heimlich durch das aus der Schweiz operierende Amerika-Team.

Für Privatbanker Konrad Hummler, der wegen der Kreditkrise seit langem eine gesetzliche Trennung von Handel und Vermögensverwaltung bei den Grossbanken fordert, ist die UBS damit an einer weiteren schwierigen Front beschäftigt. «Das ist eine hochkomplexe Situation, und ich weiss nicht, ob der VR sie bewältigen kann.» Hummler sieht «kaum noch eine andere Möglichkeit», als dass sich die UBS ganz aus den USA zurückzieht. Eine milliardenteure Expansion würde als Scherbenhaufen enden.


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