Umstrittener Kandidat

Ist der designierte UBS-Präsident Peter Kurer ein Insider, der das Debakel der Schweizer Grossbank mitverantworten muss? Oder ein Garant des Neustarts? Der renommierte Jurist besitzt Stärken, die in der Aufregung der letzten Tage kaum zur Sprache kamen. (Weltwoche, 10. April 2008)

Nein, es sei keine persönliche Animosität. Rein um die Sache ginge es. Und die sei klar: «Wir glauben weder, dass Peter Kurer für das Präsidium qualifiziert ist, noch, dass er der bestmögliche Kandidat ist, den die UBS verpflichten kann», sagt Luqmann Arnold. Jener Luqman Arnold, der selber die UBS operativ geleitet hatte, bis er sich vor sechs Jahren mit seinem Vorgesetzten, Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel, überwarf. Nach seinem Abgang von der Zürcher Bahnhofstrasse hörte man kaum mehr etwas von Arnold. Nun kehrt er mit Pauken und Trompeten zurück. Nachdem er über einige Wochen rund 400 Millionen Franken in die UBS investiert hatte, mischt er sich mit zwei öffentlichen Briefen in die Zukunftsgestaltung der schlingernden UBS ein. Die Nomination von Ospels Nachfolger Peter Kurer ist ihm ein Dorn im Auge. Doch hat Arnold recht mit seiner harschen Kritik?

Fehlende Distanz

Ironie der Geschichte: Es war kein anderer als Arnold selbst, der Kurer vor sechs Jahren als Konzernanwalt eingestellt hatte. Doch nun hält er ebendiesen angesehenen Zürcher Wirtschaftsjuristen für ungeeignet, das oberste Aufsichtsgremium der UBS zu führen. Peter Kurer habe noch nie eine grosse Organisation geleitet, kritisiert Arnold, weder als Präsident noch als CEO. Entsprechend habe er auch noch nie strategische Führungsstärken beweisen müssen. Und schliesslich besitze er keine Erfahrung als Bankchef.

Am meisten aber stört sich Arnold an der fehlenden Distanz zwischen Kurer und Marcel Ospel. Kurer sei ein «Insider im wahrsten Sinn des Wortes». Tatsächlich sass UBS-Chefjurist Kurer bisher nicht nur in der Konzernleitung, sondern er war jahrelang auch Mitglied jenes Risikoausschusses, der die fatalen Fehlspekulationen im amerikanischen Hypothekenmarkt nicht abwenden konnte.

In Schweizer Investorenkreisen erhält der Brite Unterstützung. «Sein Vorschlag trifft ins Schwarze», sagt etwa Mike Bär, ein Mitglied der Zürcher Bankiersdy-nastie Julius Bär, der heute seine eige-ne Investmentgesellschaft leitet. «Luqma Arnold zwingt die UBS, über ihr Füh-rungsproblem zu sprechen», sagt Bär und formuliert die entscheidende Frage: «Will man eine unbelastete Persönlichkeit an der Spitze oder einen Ospel-Mann?» Bereits fordern auch Aktionärsgruppen wie Actares ein «Überdenken der Personalie Kurer». Die UBS will davon nichts wissen.

Die beiden grössten Mängel, die man Kurer vorwerfen kann – fehlende Unabhängigkeit und wenig Führungserfahrung –, würden durch zahlreiche Vorteile kompensiert, lässt die UBS verlauten. Dank seiner langen operativen Tätigkeit kenne Kurer die Bank und ihre Schlüsselpersonen bestens, und mit seinen «Leadership-Qualitäten» habe er gerade in den vergangenen, schwierigen Monaten brilliert. Selbst Arnold muss einräumen, dass Kurer ein aussergewöhnlich guter Anwalt ist. Und für den scheidenden Marcel Ospel ist Kurer keineswegs eine Verlegenheitslösung, sondern der «Wunschkandidat», den er schon lange auf seinem «Radar» hatte. Kurer seinerseits bekundete schon vor mehr als einem Jahr Interesse an einem Sitz im Verwaltungsrat. Vor einigen Wochen wurde er schliesslich für das höchste Amt angefragt.

Zwei wichtige Gründe sprechen für Kurer: Erstens garantiert der Chefjurist Kontinuität. Zweitens dürfte der Bedarf an juristischem Fachwissen in nächster Zeit massiv zunehmen. Denn die UBS steckt in einer Krise, die Kläger auf den Plan rufen wird.

Kurer – seit 2002 dabei – ist eines der wenigen Mitglieder der Konzernleitung, die schon länger im Tagesgeschäft stehen. Der Branchenfremdling zählt heute sozusagen zu den alten Hasen der Bank und dürfte damit nicht nur genügend Praxiswissen besitzen, sondern auch über die in seinem neuen Job so wichtige interne Unterstützung verfügen.

Nach den Spekulationsexzessen der letzten Jahre werden die Aufsichtsbehörden vieler Länder die Kontrollen und Regelungen massiv verschärfen. Einen Eindruck davon bekam die UBS schon zu spüren. Sie musste der Bankenkommission (EBK) einen umfangreichen Bericht darüber abliefern, wie es innerhalb der Bank zum Kollektivversagen gekommen war. Gestützt darauf könnten die Bankenaufseher demnächst eine Untersuchung gegen die UBS eröffnen, wie EBK-Präsident Eugen Haltiner sagt. Da schadet es nicht, wenn an der Spitze ein Mann sitzt, der in juristischen Fragen sattelfest ist.

Das gilt auch in anderer Hinsicht: Angesichts der Turbulenzen werden die Aufsichtsbehörden die Eigenmittelvorschriften für die Investmentbanken erhöhen. Mit anderen Wor-ten: Wenn die UBS dereinst wieder grosse Wetten an der Börse eingehen will, wird sie mehr Eigenkapital dafür unterlegen müssen. Gut ist, wenn der starke UBS-Mann in diesen gesetzlichen Belangen kompetent ist.

Noch etwas: Die Börsenbaisse hat viele Investoren verärgert. Nicht wenige werden versuchen, entgangene Gewinne auf dem Ge-richtsweg einzufordern. Das lässt eine Flut von Haftungsklagen erwarten, wie auch Luqman Arnold im Interview mit der Weltwoche (Nr. 36/07) erklärte. Bereits deponierte die Hamburger HSH Nordbank vor einem New Yorker Gericht eine Klage gegen die Schweizer Bank. Sie soll 500 Millionen Dollar der HSH missbräuchlich in US-Hypothekenpapieren angelegt haben. Dass sich der designierte UBS-Präsident von solchen Angriffen nicht beeindrucken lässt, machte er an der ausserordentlichen Generalversammlung von Ende Februar deutlich. Damals erklärte er unaufgeregt, die UBS habe eine Gegenklage eingereicht.

«Nationale Krise»

Bleibt die Frage, ob Kurers juristisches Handwerk und seine Kenntnisse der UBS genügen, um jenes Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, von dem das Swiss Banking so massgeblich abhängt. Das Schlingern der UBS bezeichnet Luqman Arnold gar als «nationale Krise». Entscheidend wird sein, wie Kurer nach seiner allfälligen Wahl das oberste Führungsgremium neu ausrichtet. Marcel Ospel hatte mit seinem Chairman’s Office einen dreiköpfigen Insiderklub innerhalb des Verwaltungsrats geschaffen. Kurer-Vertraute sagen unter vier Augen, dass der designierte Präsident dieses Dreiergremium abschaffen und stattdessen alle Verwaltungsräte stärker in die Pflicht nehmen wird. Zudem sei in einem Jahr fast mit einer Gesamterneuerung zu rechnen. Dann laufen die Mandate von sieben der insgesamt zwölf Verwaltungsräte ab.

Die Spitzenleute der UBS sind zuversichtlich, dass Kurer in zwei Wochen gewählt wird. In Gesprächen mit Grossaktionären hätten sie zwar festgestellt, dass viele Investoren verärgert seien – immerhin büsste die UBS innert Jahresfrist fast 80 Milliarden Franken an Börsenkapitalisierung ein –, doch würden die für einen Neustart getroffenen Vorkehrungen viele Anleger zuversichtlich stimmen. Seit Anfang April stieg die UBS-Aktie um mehr als zwanzig Prozent. Und die Reorganisation der Investmentbank, welche die erfolgreiche Vermögensverwaltung der UBS mit ihren Milliardenverlusten unterminiert habe, sei auf gutem Weg. Diesen Plan unter der neuen Führung des Bankers Jerker Johansson unterstützt auch Kritiker Arnold.

So zeichnet sich für die Generalversammlung vom 23. April auch kein klarer Widerstand gegen einen einzelnen Vorschlag des Verwaltungsrats ab, erklärt die UBS. Ein alternatives Szenario existiere nicht. Kurer wollte sich vor dem Anlass in der St.-Jakobs-Halle in Basel ursprünglich nicht öffentlich äussern. Weil nun Arnold seine Wahl verh indern will, plant die Bank einzelne Medienauftritte. Dort muss er seine Kritiker umstimmen. Und danach beweisen, dass er wirklich der Richtige ist.


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