UBS: Der Gang nach Canossa

Jeden Kredit verspielt, alle Türen zu: So eskalierten die Ereignisse bis zur 68-Milliarden-Rettungsaktion durch den Bund. SonntagsZeitung, 19. Oktober 2008

Was die Anschläge vom 11. September 2001 für die Swissair waren, ist der Konkurs von Lehman Brothers für die UBS. Vier Wochen nach dem Kollaps der weltweit vernetzten Investmentbank stand das Schweizer Aushängeschild vor dem Aus. Immer mehr Kunden zogen ihre Vermögen ab, immer weniger Banken gewährten ihm Kredit.

Wie dramatisch die Lage war, ist bei den Verantwortlichen zwischen den Zeilen zu hören. Auf Radio DRS schilderte UBS-Präsident Peter Kurer gestern, wie er die Lage beobachtete: «Wenn man weg ist vom sicheren Bereich, müssen Sie den Notfall auslösen. Dann müssen Sie das Köfferchen nehmen und den Canossagang machen.» Bei der Präsentation der 68 Milliarden Franken teuren Rettungsaktion sprachen alle Väter von wohl geplanten Aktionen. «Wir haben diese Transaktion nicht über Nacht gemacht», sagte Thomas Jordan von der Nationalbank (SNB), der den Rettungsfonds mit UBS-Schrottpapieren leiten wird.

Dabei eskalierten die Ereignisse. Am 2. Oktober sagte Kurer an der UBS-GV in Basel, man habe die Bank «recht erfolgreich» durch die schwierige Zeit manövriert. Kurz darauf ging eine Tür nach der anderen zu. «Nach dem Lehman-Konkurs und der AIG-Rettung ist der Interbankenmarkt schlagartig ausgetrocknet, die Teilnehmer gaben sich oft nicht einmal mehr gegen Sicherheiten Kredit, und wenn, dann nur für wenige Tage», sagt ZKB-Manager Martin Bardenhewer.

Die UBS galt bei anderen Banken als unsicher

Die UBS brauchte dringend frisches Geld zur Finanzierung ihres Geschäfts. Doch die Bank galt bei mehr und mehr Konkurrenten im Interbankenmarkt als unsichere Gegenpartei. Gleichzeitig zogen Kunden von Juli bis September Vermögen von 84 Milliarden Franken ab, davon 10 bis 20 Prozent Bargeld, und neues Kundengeld strömte kaum noch in die Bank. Damit versiegte eine der wichtigsten – und letzten – Finanzierungsquellen der UBS.

Anfragen zur Refinanzierungsfähigkeit wurden mit Hintergrundgesprächen beantwortet. «Wir sind diversifizierter als andere und hängen nicht von einem einzigen Kanal ab», versuchte ein hoher UBS-Manager ja keinen Verdacht von Notlage aufkommen zu lassen. Dabei war im Markt bekannt, dass sich die UBS in den letzten Jahren verstärkt kurzfristig refinanziert hatte. Ihr einst gutes Rating erlaubte ihr die Geldbeschaffung zu tiefen Zinsen.

Als klar war, dass für die UBS mit ihren unbekannten Risiken der Interbankenmarkt zu war, erhöhte die SNB ihr Engagement. Am Dienstag, 7. Oktober, bezahlten die Geschäftsbanken für 4 Milliarden Dollar im Durchschnitt 4,45 Prozent Zins, weit mehr als zuvor. Am Mittwoch senkte die SNB ihren Ziel-Zinssatz von 3 auf 2,5 Prozent, trotzdem boten die Banken gleichentags im Schnitt 3,4 Prozent für 10 Milliarden Dollar. Auch am Donnerstag blieb das Fieber hoch, nun boten sich die Banken auf durchschnittlich 3,44 Prozent für die 10 Milliarden hoch.

Kurer schickte Notsignale an die SNB und den Bund

Danach ging es nur noch zwei Tage, bis es um die UBS geschehen war. Nachdem keine Privatinvestoren frisches Kapital einschiessen wollten, schickte Präsident Kurer am Samstag vor einer Woche Notsignale an die SNB und den Bund. Der Schweizer Finanzmulti mit weltweit 80›000 Mitarbeitern und Milliarden Bonigeldern fand bei Berner Beamten seinen letzten Zufluchtsort.

Die Rettungsaktion gelang, weil die SNB auf diesen Fall vorbereitet war. Vor wenigen Jahren spielte die Zentralbank mit der UBS eine Notlage in einer Nachtaktion durch. Entscheidend sei, dass die SNB nicht mehr auf erstklassige Wertpapiere als Sicherheit für Notdarlehen pochen müsse, sagt ein damals Involvierter. «Heute kann sie praktisch Bürostühle belehnen.»

Das Ausmass der Rettung sprengt alle Dimensionen, jeder Einwohner riskiert gegen 10 000 Franken, damit die UBS vorläufig überlebt. Gewonnen ist damit eines: Zeit. Die Bank baut rasch weitere Risiken ab und teilt sich organisatorisch und vielleicht bald auch rechtlich in drei Einheiten auf, in Vermögensverwaltung inklusive Schweizer Geschäft, Asset-Management für Profianleger und Investmentbank mit dem Handelsgeschäft.

Bis es so weit ist, kann die Schweiz ihre UBS-Abhängigkeit verkleinern. Sollte die Bank dann aber das Vertrauen endgültig verlieren und erneut illiquid werden, könnten ihre werthaltigen Teile geordnet verkauft werden, die Investmentbank ginge Konkurs.


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