Ein Selbstmord wirft Fragen auf

Der Geschäftspartner des UBS-Kritikers und Investors Luqman Arnold beging Selbstmord. UBS-Aktien sind verschollen. Die Weltwoche, 16. Oktober 2008

Jeder Selbstmord bleibt letztlich unergründlich. Doch wenn sich der Chef einer bekannten Investmentfirma mitten im Finanzsturm aus dem Leben verabschiedet, schiessen die Spekulationen über finanzielle Sorgen und einen möglichen Privatkonkurs ins Kraut. So wie bei Kirk Stephenson, 47. Der Familienvater wusste am Donnerstag vor drei Wochen keinen anderen Ausweg mehr, als sich in der Grafschaft Buckinghamshire nordwestlich von London vor einen Schnellzug zu werfen.

Stephensons Selbstmord mitten im Vormittagsstossverkehr sorgte für Schlagzeilen in der englischen Boulevardpresse. Der Neuseeländer war Geschäftsführer der britischen Investmentgesellschaft Olivant, bei der er rund 700 000 Franken im Jahr verdiente. Bei Olivant handelt es sich um jene Gesellschaft, die Luqman Arnold, ein ehemaliger CEO der Schweizer Grossbank UBS, vor zwei Jahren als Beteiligungsvehikel gründete.

Finanzmanager Stephenson sprach offenbar mit niemandem über seine Verzweiflung. Bisher fand die Polizei keinen Abschiedsbrief, weder in seinem fünfstöckigen 7-Millionen-Franken-Haus im Londoner Stadtteil Chelsea noch in seinem Landhaus im Westen der Insel und auch nicht im Geschäft. Vertraute wissen nichts von einem privaten Schuldenberg.

Nach dem Frühstück mit seiner Frau, einer Journalistin bei einer Finanzzeitschrift, und seinem achtjährigen Sohn fuhr Stephenson in ein Dorf namens Taplow, von London rund 30 Kilometer die Themse hoch. Nahe beim Bahnhof überquerte er eine Fussgängerbrücke und wartete auf den Express nach London Paddington, der an dieser Stelle gegen 160 Stundenkilometer schnell fährt. Kurz bevor die Zugspitze unter der Brücke durchfuhr, sprang Stephenson in die Tiefe.

«Kirk machte einem das Leben reich», sagte Stephensons Frau englischen Medien. «Nicht mit einem aufgeregten Party-Charisma, sondern als stiller Planer, der dafür besorgt war, dass alle um ihn herum eine grossartige Zeit hatten.» Warum aber ihr Mann nach Taplow fuhr, um sich das Leben zu nehmen, bleibt für die Witwe ein Rätsel.

Als 22-Jähriger kam Stephenson in die Finanzmetropole London und wurde von der Investmentbank S. G. Warburg unter Vertrag genommen, die 1995 vom UBS-Vorgängerinstitut Bankverein übernommen wurde. Ein Jahr nach diesem aufsehenerregenden Deal heuerte Stephensons späterer Chef Luqman Arnold bei der UBS an, wo Arnold bis an die Spitze des Schweizer Finanzkonzerns aufstieg, um Ende 2001 nach einem Machtkampf mit Präsident Marcel Ospel von Bord zu fliegen.

Die Tragödie um seinen operativen Manager trifft Luqman Arnold in einer heiklen geschäftlichen Phase. Seine Olivant hatte sich an Finanzhäusern beteiligt, die in der Krise stark an Wert einbüssten.

Das grösste Investment von Olivant ist ihr 2,8-Prozent-Anteil an der UBS mit einem Marktwert von 1,68 Milliarden Franken. Olivant hielt die UBS-Aktien über den Prime Broker Lehman Brothers, welcher die Aktien möglicherweise an Dritte auslieh. Als Lehman am 15. September zahlungsunfähig wurde, vorlor Arnolds Olivant den Zugriff auf die ausgeliehenen Wertpapiere. Nun droht ihm der Totalverlust.

Auch auf dem Investment an der russischen MDM-Bank, an dem Olivant mit10 Prozent beteiligt ist, droht ein happiger Abschreiber. Zumal in Russland der Index um über die Hälfte eingestürzt ist. Olivant betont, dass sie trotz möglicher Verluste über genügend Mittel verfüge.


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