Ein Schrecken ohne Ende

Mit einer Ablasszahlung wird die UBS im Streit mit den USA kaum davonkommen. SonntagsZeitung, 29. Juni 2008

Bradley Birkenfeld, 43, hat den USA nur eine Hand voll vermögender UBS-Kunden verraten. Doch wegen der Aussagen ihres Ex-Mitarbeiters steht für die Grossbank ganz Amerika auf dem Spiel. Gemäss Medienberichten prüft die UBS einen Verkauf ihrer US-Vermögensverwaltung. Damit verlöre sie 2,5 Millionen US-Kunden, 25 000 Mitarbeiter sowie den Status einer globalen Bank.

Es wäre ein Ende mit Schrecken. 2000 hatte die UBS für 18 Milliarden Franken die viertgrösste US-Bank Paine Webber erworben. Die Investition zahlte sich nicht aus, die 8000 PaineWebber-Berater erzielten nur einen Bruchteil der Erträge ihrer Schweizer Kollegen.

Dass die UBS längst eine grosse Arbeitgeberin in den USA ist, scheint die Ermittler wenig zu beeindrucken. Sie beharren auf der Offenlegung aller 20 000 US-Kunden, die die UBS von Zürich und Genf aus betreut. An einer schnellen Lösung sind die Amerikaner nicht interessiert. «Unsere Spezialisten offerierten Amtshilfe», sagt Dieter Leutwyler vom Finanzdepartement, «wir warten aber noch immer auf eine Antwort.»

Ohne baldige Einigung könnte der UBS nur der Verkauf bleiben. Denn ihr Ex-Berater Birkenfeld, der vor zehn Tagen ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte und seit Monaten mit US-Staatsanwälten kooperiert, wird zu einem zweiten Christoph Meili. Der UBS-Wachmann hatte 1997 Unterlagen über nachrichtenlose Vermögen im Schredderraum der Bank sichergestellt. Die Aktion endete in einer Sühnezahlung der Schweizer Grossbanken in Höhe von 1,25 Milliarden Dollar.

Die Republikaner machen mit dem Fall Wahlkampf

Birkenfelds Aussagen machen die UBS auch zum Wahlkampfschlager für die geschwächten Republikaner. Sie können sich als kompromisslose Ermittler gegen die weltgrösste Vermögensverwalterin gebärden. Keine Gnade für reiche Steuersünder, lautet ihre Botschaft im Wettstreit mit dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama, der die Schweiz längst als eines von 34 Steuerparadiesen geisselt.

Das Dilemma der UBS ist, dass sie nicht nur US-Recht, sondern auch Schweizer Gesetz genügen muss. Laut einem mit dem Fall vertrauten Beobachter hat die Grossbank 218 Kunden eruiert, die mit Hilfe ihres UBS-Beraters Konstrukte zur Steuerumgehung aufbauten. Nun will die UBS den Amerikanern die entgangenen Steuern zuzüglich einer Entschädigung als Sühne für ihr Verhalten offerieren, sagt die Auskunftsperson. Die UBS verweist auf frühere Stellungnahmen, wonach Offshore-Konstrukte untersucht würden.

Mit einer Ablasszahlung dürften sich die US-Ermittler kaum zufrieden geben. Sie wollen die Namen der vermögenden UBS-Kunden, um ihre eigene Karriere und jene ihrer politischen Vorgesetzten zu fördern. Gemäss Schweizer Recht darf die Bank einzig die wenigen Birkenfeld-Kunden offen legen, weil nur bei diesen eine illegale Steuerumgehung klar ist. Würde sie den USA alle 218 Kundennamen liefern, wäre das Bankgeheimnis geknackt. Die UBS und mit ihr der Finanzplatz verlören im globalen Wettbewerb ihr wertvollstes Gut.

Liechtis Frau darf ihren Mann in Miami nicht besuchen

Zum grössten Problem für die Grossbank wird ein Dossier, das Birkenfeld den Amerikanern ausgehändigt hat. Darin finden sich laut der Auskunftsperson neben Kundennamen auch interne Schreiben und Konzepte von Birkenfelds Vorgesetzten mit Empfehlungen, wie die Vermögen der Kunden vor dem Zugriff des US-Fiskus geschützt werden können. In den Augen der Amerikaner könnte es sich um ein Konstrukt zur systematischen Steuerumgehung handeln.

Eine weitere Trumpfkarte der USA ist Martin Liechti, 47. Der UBS-Generaldirektor und Chef der Nordamerika- und Südamerika-Vermögensverwaltung wurde vor neun Wochen im Flughafen Miami bei der Ausreise nach Südamerika verhaftet und wird seither als «Zeuge» befragt. Liechti wird durch Birkenfelds Dossier so schwer belastet, dass die UBS seiner Frau verboten hat, ihren Mann in Miami zu besuchen.

Die Vorwürfe reichen ins Jahr 2001 zurück, als die UBS das Qualified-Intermediary-Abkommen (QI) mit den USA intern umsetzte. QI verlangt die Offenlegung von US-Kunden, die von der Schweiz aus betreut werden, oder deren Verzicht auf US-Wertschriften. Nur rund 50 US-Kunden sollen damals für eine Deklaration optiert haben, die übrigen 20 000 blieben geheim.

Einige Kunden wollten aber nicht auf US-Aktien und -Obligationen verzichten, weshalb für sie in Offshore-Ländern Firmenkonstrukte errichtet wurden, hinter denen sie sich verstecken konnten. Eine weitere UBS-Praxis stösst den US-Ermittlern sauer auf. Wenn US-Bürger in den USA via UBS-Berater in der Schweiz Wertschriften kauften oder verkauften, musste die Bank dies offen legen oder eine Steuer zurückbehalten. Auch hier fand Liechti einen Ausweg und empfahl den US-Kunden den Abschluss so genannter Mandate. Damit brauchte es für die Vermögensverwaltung keine Einzelaufträge mehr. Weil dieses Verfahren nicht geprüft war, musste es geheim bleiben. Nun kostet es Liechti wohl den Kopf. Und die UBS Amerika?


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