Ein Gentleman geht, ein Arbeiter kommt

Staatsanwalt Christian Weber blieb erfolglos – sein Nachfolger tritt ein schwieriges Erbe an. SonntagsZeitung, 19. Oktober 2008

Beim Fotoshooting strahlt Christian Weber, 62, in die Kamera, sein Nachfolger Peter Pellegrini bleibt nüchtern. Bei Weber ist kein Zeichen von Gram über seinen vorzeitigen Abgang in zwölf Tagen zu spüren. Dann braust der Ankläger mit der Fliege in seinem silbernen Ferrari davon. Eine Expertentätigkeit rund um die Finanzkrise sei denkbar. «Die Gewinne werden privatisiert, die Verluste sozialisiert, darüber regt sich doch jeder auf», sagt Weber.

Solche Aussagen sind das Markenzeichen eines der bekanntesten Wirtschaftsstrafverfolger des Landes. Weber hat ein feines Gespür für populäre Themen. Als er 1992 Chef der Zürcher Amtsstelle wurde, schwappte die Insiderproblematik aus Amerika auf Europa über. Weber erkannte die historische Chance, verlor aber alle wichtigen Insiderprozesse.

Sein grosser Auftritt kam 2007. Weber zerrte 19 Swissair-Verantwortliche vor ein Strafgericht und klagte Missmanagement, Vertuschung und Pflichtverletzung ein. Wiederum erkannte Weber den Wunsch der Bürger nach Bestrafung der Airline-Versager, erneut verschätzte er sich. Nach 19 Freisprüchen stand Weber als grosser Verlierer im Regen.

Diese Woche stellte Weber die Swissair-Strafuntersuchung endgültig ein. Als Verlierer sieht er sich nicht. Im Swissair-Fall habe «zu viel kriminell relevantes Handeln» aufgeschienen, sagt er in seiner nüchtern eingerichteten Amtsstube im 4. Stock eines Betonbaus. Er hätte «gerne einen letztinstanzlichen Entscheid gehabt. Theoretisch.»

Praktisch wurde er zurückgepfiffen. Seine Vorgesetzten nahmen Webers Arbeit im Swissair-Prozess unter die Lupe. Am Ende stand seine vorzeitige Pensionierung. Man habe sich «übereinstimmend» geeinigt, sagt Weber. Dann wird er grundsätzlich. «Nicht die Zahl der Anklagen ist entscheidend, sondern dass wir die Wahrheit herausfinden.» Der Satz passt zur goldenen Uhr, dem Nadelstreifenanzug und den eleganten Lederschuhen. Weber tritt als stilvoller, eloquenter, letztlich aber unglücklich agierender Ankläger von der Bühne ab.

Als 15-Jähriger liebte er das Räuber-und-Poli-Spiel

Neuer oberster Verfolger von Wirtschaftskriminellen wird in Zürich, wo es die grössten Fälle des Landes zu lösen gilt, ein hagerer 46-Jähriger, der wenig Aufhebens um seine Person macht. Im dunkelblauen Allerweltsanzug und zu weitem Hemdkragen wirkt Peter Pellegrini wie die Antithese zu Weber. Die Sache zählt, nicht die Wirkung. Ob der Jurist bahnbrechende Urteile erzielen kann, ist offen. Auf seinen Vorgänger lässt er nichts kommen: «Für mich war Christian Weber bis zuletzt ein fähiger, menschlich äusserst korrekter Chef. Ein richtiger Gentleman.»

Der Vater einer Tochter leitete ab 2001 die Betrugsabteilung. Seit Beginn des Jahres drängt er bei den 17 Staatsanwälten und den gut 20 übrigen Mitarbeitern auf mehr Effizienz. Ein Mann der grossen Würfe ist er nicht. «Meine Vision? Eine zeitgerechte und qualitativ hochstehende Fallbearbeitung. Das ist unser Job, daran lassen wir uns messen, nicht an der Zahl der Freisprüche.»

Schon als 15-jähriger Zürcher Gymnasiast wollte Pellegrini Strafverfolger werden. Er liebte das Räuber-und-Poli-Spiel – auf der Seite der Guten. «Die Seele des Betrügers ergründen, das macht den Reiz unseres Jobs aus», sagt der hochgewachsene Beamte. Keine Einzelkämpfer brauche es, sondern gute Arbeit im Team, mit klarem Anfangsverdacht und strukturiertem Projektdenken.

Beim Debakel der UBS und den Beratungspraktiken der CS sieht Pellegrini noch keinen solchen Verdacht. «Substanzierte Hinweise fehlen vorläufig.»


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