Credit Suisse sucht sich die Besten raus

Die Grossbank will bei der Neuordnung der Finanzindustrie aktiv mitmischen. Doch, anders als vielerorts erwartet, nicht mit Akquisitionen, sondern nur durch Verpflichtung guter Leute aus Häusern wie Lehman Brothers, Merrill Lynch und der Schweizer Konkurrentin UBS. Handelszeitung, 23. September 2008

Hans-Jörg Rudloff, lange Jahre ein Top-Shot bei der Credit Suisse und heute Spitzenmann bei der englischen Barclays Capital, sagte einst: «Buy bankers, not banks.» Während seine Barclays bei Schnäppchen wie der bankrotten Lehman Brothers schon mal eine Ausnahme macht, hält sich seine Schweizer Ex-Arbeitgeberin eisern an den Ratschlag. «Im Mittelpunkt unserer Strategie steht das organische Wachstum», sagt CS-Sprecher Andrés Luther.

Da steht die globale Finanzindustrie vor einer Gezeitenwende, und die CS, die bisher sicherer durch die grosse Krise segelte als viele ihrer Konkurrenten, verzichtet auf mutige Zukäufe. Warum diese freiwillige Zurückhaltung? Merrill Lynch und Bear Stearns, zwei amerikanische Investmentbanken, die ihr riskantes Geschäft nicht mehr länger ohne Kundengelder betreiben können, landeten gerade im Hafen von Grossbanken; die wertvollen Lehman-Teile werden derzeit mit Rabatt verscherbelt; Goldman Sachs sowie Morgan Stanley suchen kapitalstarke Partner.

Das Beben lässt die CS-Leitung am Zürcher Paradeplatz kühl. «Köpfe statt Beton» lautet ihr Motto. Auf Anfrage der «Handelszeitung» fertigte die Bank ein fünfseitiges Dokument an, das wichtige personelle Verpflichtungen der jüngeren Vergangenheit auflistet und – höchstwahrscheinlich beabsichtigt – den Eindruck erweckt: Die CS gehört zu den begehrtesten Arbeitgeberinnen in der internationalen Finanzindustrie.

Für die US-Vermögensverwaltung holte sich die Grossbank ein Team von Citigroup für New York und eines von Goldman Sachs für Los Angeles. Die Wachstumsregion Asien-Pazifik wurde ebenfalls verstärkt – durch Neuverpflichtungen von Deutsche Bank, UBS, Bear Stearns und verschiedenen anderen US-Banken. Zur Region Europa und Middle East stiessen Kaderleute von Merrill Lynch und Deutsche Bank. Und im Heimmarkt Schweiz sind es vor allem Spitzenkräfte von der UBS, die zur CS gewechselt haben.

1000 Kundenberater bis 2010

Während die UBS soeben ihr jahrelang gepflegtes Modell der integrierten Bank über Bord warf und die einzelnen Geschäftsbereiche als selbstständige Divisionen positionieren will, verstärkt die CS ihr Onebank-Konstrukt. In wichtigen Ländern setzt sie sogar eigene CEO ein, beispielsweise in mehreren Märkten Asiens, in England, Russland und teilweise in Kontinentaleuropa. Dass es der CS Ernst mit Ausbau in allen drei Geschäftsbereichen ist, zeigen die Zukunftspläne. Rund 1000 Kundenberater sollen bis 2010 die Vermögensverwaltung verstärken, die Investmentbank baut auf Wachstumspapiere wie Rohstoffe, Energie und strukturierte Aktienprodukte, und das Asset Management für Profikunden setzt auf alternative Investments.

Skeptisch: Ex-CS-Manager Geiger

Eigenwachstum statt Akquisition lautet die Devise auch in den neuen Boommärkten. In Indien verpflichtete die CS für ihr Investment Banking Spitzenkräfte von Merrill Lynch und Lehman Brothers. Ein CS-Manager, der sich nicht zitieren lässt, bringt die Strategie der kontinuierlichen Schritte im globalen Handelsgeschäft auf den Punkt: «Kein Konkurrent hält all jene Bereiche im Sortiment, die wir gerne hätten. Das zwingt uns zum organischen Wachstum.»

Bankenprofessor Hans Geiger , der bis Mitte der 90er Jahre in der Konzernleitung der CS sass, bleibt skeptisch. Zwar habe die CS die akute Phase besser als viele Konkurrenten gemeistert und sei derzeit gut aufgestellt im Investment Banking. «Das ändert nichts daran, dass sie ihre Rolle in diesem Geschäft überdenken muss», sagt Geiger .

Der Ökonom, der vor kurzem als Professor an der Universität Zürich emeritierte, argumentiert mit einem einfachen Bild. «Wer steht im Mittelpunkt, der Anleger oder der Kapitalmarktschuldner?», fragt er. «Diese fundamentale Frage wird die CS mit ihrem integrierten Modell nie eindeutig beantworten können.» Die Phase des schnell verdienten Geldes im Investment Banking sei vorbei, sagt Geiger . Der Regulator werde die Vorschriften verschärfen und das Geschäft verteuern.

Der Bankenprofessor lässt sich auch von der «tektonischen Plattenverschiebung», welche die globale Finanzindustrie fundamental verändert, nicht von seiner Kritik am integrierten Modell abbringen: Die grossen US-Geschäftsbanken verstärkten mit günstigen Übernahmen ihr Investment Banking, während die reinen Handelshäuser von der Bildfläche verschwinden würden.

Geiger ist überzeugt, dass sich zuletzt auch die mit dem Investment Banking ausgebauten Finanzmultis entscheiden müssen – «Für den einen oder anderen Fokus: Vermögensverwaltung oder Investment Banking».


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