ZKB: Vögeli kaufte privat Sulzer-Optionen – und kassierte
Der frühere ZKB-Chef Hans Vögeli spekulierte auf eigene Rechnung mit Sulzer-Optionen – und stolperte über eine Untersuchung der nationalen Aufsichtsstelle.
Der Rücktritt von Hans Vögeli am 7. Mai muss neu geschrieben werden. Gegen den Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB) lief ein Verfahren der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK), weil er privat Sulzer-Optionen gekauft hatte. Die Winterthurer Industriefirma war ins Visier von österreichischen und russischen Grossinvestoren geraten. Während ZKB-Chef Vögeli privat auf steigende Sulzer-Aktien setzte, schrieb er seiner Bank vor, «die Finger von Sulzer zu lassen». Der Gewinn aus dem Deal, heisst es in Bankenkreisen, soll über 50 000 Franken betragen haben.
Die ZKB bestätigt den Vorfall. «Für die EBK bot Herr Vögeli nicht mehr Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung», sagt ZKB-Sprecher Urs Ackermann. «Durch seinen Rücktritt ist Herr Vögeli einer Fortsetzung des Verfahrens gegen ihn zuvorgekommen. Er hat damit seiner Bank einen grossen Dienst erwiesen.»
Am Freitag, 4. Mai, bestellte die Bankenaufsicht Vögeli in Sachen Sulzer zu sich nach Bern. Die ZKB hatte zusammen mit anderen Banken grosse Aktien- und Optionenpakete von Sulzer für die aggressiven ausländischen Investoren geschnürt. Vögeli bestätigt den Sachverhalt, schwächt aber ab: «Mein Vontobel-Berater legte mir die Sulzer-Optionen in mein Depot, das ich dort seit 25 Jahren besitze», sagt er. «Ich nahm davon Kenntnis und behielt die Optionen. Da ich von vielen Schweizer Firmen Aktien oder Optionen besitze, gab es für mich keinen Grund, auf den Kauf von Sulzer-Optionen zu verzichten. Auch nicht in jener Phase im letzten Herbst, als ich der ZKB verbot, bei einem Angriff auf unsere Kundin Sulzer mitzumachen.»
Ein hoher ZKB-Manager, der von der EBK-Untersuchung gegen den früheren CEO seiner Bank Kenntnis hat, widerspricht dieser Version. Vögeli habe seinem Vontobel-Berater selbst den Auftrag gegeben, für eine hohe fünfstellige Summe Sulzer-Optionen zu kaufen, um von den absehbaren Kurssteigerungen zu profitieren, sagt er.
Vögeli hat gute Kontakte zu Vontobel. Bevor der frühere ZKB-Chef in die Geschäftsleitung der Staatsbank wechselte, war er selber im Vontobel-Topmanagement. In der Befragung der EBK sei es vor allem um die Klärung der Rolle der ZKB gegangen, erinnert sich Vögeli an das Gespräch in Bern. Erst am Ende sei ihm der Kauf von Sulzer-Optionen vorgehalten worden. «Dass ich privat Sulzer-Optionen besass, machte mich als ZKB-CEO nicht unglaubwürdig», ist er überzeugt. Auch die EBK habe ihm während des Treffens nie zu erkennen gegeben, dass er als Chef der ZKB nicht mehr tragbar sei, betont Vögeli. Sein Rücktritt, der nur drei Tage nach der EBK-Einvernahme erfolgte, habe «nichts mit dem privaten Kauf von Sulzer-Optionen» zu tun. «Es waren allein der politische Druck der Parteien und Gespräche mit der Familie, die mich dazu bewogen, mein Mandat sieben Monate früher als geplant abzugeben. Ich wollte Ruhe in die Bank bringen.» Übers Wochenende habe er mit seinem Vorgesetzten, ZKB-Präsident Urs Oberholzer, eine umfassende Lagebeurteilung vorgenommen, bei der die persönlichen und politischen Überlegungen viel wichtiger gewesen seien als die Bedeutung seines Deals mit Sulzer-Optionen.
«Vögelis Optionendeal ist gravierend», heisst es hingegen in der Bankenszene, «schliesslich hat er privat gegen seine eigene Weisung als Chef verstossen.» Das sei nicht strafbar, aber ethisch fragwürdig.
Nach eigener Aussage beschloss Vögeli in zwei Geschäftsleitungssitzungen, am 26. September und am 7. November 2006, dass «aus geschäftspolitischen Gründen keine Übernahmeversuche gegenüber der Firma Sulzer unterstützt» würden. Sulzer ist eine langjährige Kundin der Kantonalbank und befürchtete seit letztem Herbst, dass Ronny Pecik und sein österreichischer Landsmann Georg Stumpf, die zuvor bereits die Firma Oerlikon erobert hatten, sowie der russische Milliardär Viktor Vekselberg einen geheimen Übernahmeversuch planten.
Vögelis Befehl zeitigte wenig Wirkung. Statt die Finger von Sulzer zu lassen, kaufte die ZKB-Handelsabteilung insgeheim weitere Optionen und Aktien. Um keinen Verdacht zu erwecken, verschoben die Händler ein Vier-Prozent-Paket von Sulzer an die Swisscanto, ein Gemeinschaftswerk der Kantonalbanken. Mit dem Paket sicherte die ZKB offene Positionen ihres Handelsgeschäfts.
Das Geheimmanöver flog wider Erwarten auf. Am 20. April erfuhren Vögeli und die ZKB-Leitung, dass die Bank kurzzeitig 8,5 Prozent an Sulzer besessen hatte. Dass das Vier-Prozent-Paket bei Swisscanto landete, ist kein Zufall.
Die ZKB ist Depotbank dieser Institution, ihr damaliger oberster Verantwortlicher für das Handelsgeschäft, Hans Fischer, war lange Swisscanto-Präsident. Fischer wurde im Zuge der Sulzer-Affäre vor kurzem entlassen.
Üblicherweise werden in diesem sogenannten Securities-Lending-Geschäft nur Obligationen erstklassiger Schuldner oder Aktien grosser Schweizer Firmen als Sicherheit akzeptiert. Ein Swisscanto-Sprecher sagt auf Anfrage, dass «gesetzliche beziehungsweise vertragliche Anforderungen als erfüllt» betrachtet werden könnten.
Der vor Monatsfrist zurückgetretene Vögeli beharrt darauf, dass er nichts von den Machenschaften seiner Händler gewusst habe. Mit seinem Befehl, Sulzer dürfe nicht angerührt werden, habe er gemeint, dass keine Meldehürde übersprungen werden dürfe. Ein Anteil von unter fünf Prozent sei hingegen immer erlaubt gewesen. «Mir war bis zum 20. April nicht bekannt, dass die ZKB vier Prozent von Sulzer an die Swisscanto übertrug, um keine Meldegrenze zu überschreiten», sagt Vögeli. Im Übrigen mache ihn betroffen, dass niemand mehr davon spreche, dass «die ZKB in meiner fünfeinhalbjährigen Zeit als CEO mehr Eigenkapital erwirtschaftete als in den 132 Jahren zuvor».
Zu überprüfen bleibt, ob das ZKB-Risk-Controlling heutigen Ansprüchen genügt. Die Verschiebung von vier Prozent der Sulzer-Aktien zu einer befreundeten Organisation hätte dem obersten Verantwortlichen Vögeli nicht verborgen bleiben dürfen, sind sich Bankfachleute einig. Eine zeitgemässe Risikoüberwachungsstelle müsste eine Transaktion in diesem Ausmass sofort an die Unternehmensspitze melden.
Die Aufarbeitung der ZKB-Vergangenheit, in der die einst verschlafene Zürcher Staatsbank zum führenden Derivatehaus der Schweiz aufstieg, ist im Gang. Sowohl die Aufsichtsstelle EBK als auch interne Arbeitsgruppen sind mit dem «Fall Sulzer» beschäftigt. ZKB-Präsident Oberholzer zeigt sich den Behörden gegenüber kooperativ. Ende Juni soll er vom Parlament des Kantons Zürich für eine weitere Amtsperiode gewählt werden.