Überlingen-Prozess: Versetzung der Skyguide-Angeklagten

Mitarbeiter und Gewerkschaften protestieren und reden von Vorverurteilung.

Kaum war der Prozess des Flugzeugcrashs von Überlingen gegen acht Skyguide-Angestellte vorbei, griff der Ad-interim-Chef der Schweizer Flugüberwachung in die Tasten. Die Angeklagten würden bis zur Urteilsverkündung «anderweitig eingesetzt oder allenfalls für eine verlängerte Frist freigestellt», teilte Francis Schubert dem Personal am 30. Mai mit. Das Risiko für Firma und Betroffene wäre zu hoch, wenn es zu einem weiteren Zwischenfall käme.

Skyguide-Sprecher Patrick Herr bestätigt die Massnahme. «Alle Angeklagten arbeiten derzeit weiter für uns, allerdings in einer anderen Funktion.» Über die zukünftige Beschäftigung der Betroffenen werde entschieden, wenn das erstinstanzliche Urteil vorliege. Dieses ist vom Bezirksgericht Bülach für den 4. September geplant.

Es ist, «als ob Rennpferde vor den Pflug gespannt werden»

Der Zeitpunkt der Versetzung kommt überraschend und wird von Skyguide-Arbeitskollegen und Gewerkschaften scharf kritisiert. Nachdem in der Nacht vom 1. Juli 2002 bei wenig Verkehr zwei Jets im von Skyguide kontrollierten Raum über dem Ort Überlingen kollidiert waren und 71 Menschen ihr Leben verloren hatten, beliess der Bundesbetrieb jahrelang sämtliche involvierten Manager und Spezialisten in ihrer Funktion. Darunter befinden sich der oberste Chef von Skyguide Zürich sowie weitere Kaderleute. Skyguide-CEO Alain Rossier war einer Anklage entgangen, verliess aber die Firma vor ein paar Monaten. Seine Funktion übernimmt im Herbst Daniel Weder von der Airline Swiss.

Zwölf Skyguide-Systemmanager schickten am 15. Juni einen offenen Protestbrief ans Management. Ihr angeklagter Kollege würde zu Büroarbeit verknurrt, «wie ein Rennpferd, das vor einen Pflug gespannt wird». Die obersten Chefs, die das «Daily Business fürchten wie der Teufel das Weihwasser», stellten sich gegen die eigene Mannschaft, obwohl überall Personalmangel herrsche. Ein angefragter Unterzeichner des Briefs wollte keinen Kommentar abgeben. Eine öffentliche Aussage sei für ihn zu heikel.

Jean-Marc Eggenberger von der Gewerkschaft Kommunikation bezeichnet die Freistellung «aus psychologischer Sicht als jenseits von Gut und Böse». Sie komme «einer Vorverurteilung» durch das Management gleich, sagt er. Die Gewerkschaft will bei der Skyguide-Führung gegen die Massnahmen protestieren.


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