Scharfschütze im Visier

Rumen Hranov brachte mit Strafanzeigen die Swissfirst und deren Gründer zu Fall. Nun wird gegen ihn wegen Falschaussage ermittelt.

Sanft ist Rumen Hranovs Stimme. Doch man wünsche dem viel Glück, der sich ihm in den Weg stellt. So wie Thomas Matter. Der ehrgeizige Gründer der Bank Swissfirst wurde von seinem einstigen Kompagnon des Betrugs beschuldigt und mit einer Lawine von Strafanzeigen eingedeckt. Matter verlor in der Folge seine Bank und den Ruf.

Nur: Der steinreiche Bulgare mit Schweizer Pass hat möglicherweise beim Frontalangriff zu unlauteren Mitteln gegriffen. In Zürich hat Staatsanwalt Arno Thürig ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet. «Es besteht ein begründeter Tatverdacht, dass Herr Hranov falsches Zeugnis abgelegt hat.» Der 63-Jährige bestreitet dies. «Ich bin mir sicher, dass ich keine falschen Aussagen gemacht habe.»

In seinen Anzeigen behauptete Hranov, Banker Matter habe ihn hinters Licht geführt. Vor zwei Jahren besprachen die Geschäftspartner eine mögliche strategische Weichenstellung der Swissfirst Bank. Ein Zusammengehen mit einer anderen Firma sei möglich, aber nur, wenn die neuen Teilhaber 50 Prozent der Swissfirst-Aktien von Altaktionären kaufen könnten, erklärte Matter. Aktionär Hranov verkaufte.

Kurz darauf bereute er seinen Entscheid. Nach Bekanntwerden der Fusion mit der Bellevue-Gruppe schoss der Aktienkurs der Swissfirst von 60 auf 85 Franken in die Höhe. Jetzt forderte Hranov den entgangenen Gewinn zurück.

Niemand ausser den beiden Kontrahenten weiss, was in einem Restaurant am Zürichsee Anfang September 2005 verhandelt oder angekündigt wurde. Hat Matter tatsächlich angekündigt, er würde sich in die Politik verabschieden? Ein klassischer Fall: Aussage gegen Aussage.

Sollte Hranov jetzt als Lügner entlarvt werden, dürfte eine Anklage, basierend auf Hranovs Aussage, schwierig werden. Die Justiz hält sich bedeckt, sagt nur, dass sie weitere Einvernahmen durchführe. Ein Entscheid sei nicht mehr für Herbst zu erwarten.

Im Kanton Zug, wo ein anderes Verfahren läuft, sind die Ermittler weiter. Dort wurde der Rächer zum Gejagten. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Hranov in mehreren Punkten Anklage erhoben. Die Unterlagen zeigen, wie unzimperlich der Financier, der grosse Beteiligungen an Von Roll und Oerlikon besitzt, im Kreuzzug gegen den früheren Geschäftspartner Matter vorging.

Am 1. November 2005 traf Hranov im Parkhotel Zug eine ehemalige Mitarbeiterin der Swissfirst. «Tommy (Matter, die Red.) bewegt sich seit langer Zeit nur noch in der Grauzone», soll ihr der Millionär dort gesagt haben. «Auch Kunden haben dies erkannt. Er arbeitet unseriös. Er ist ein Lügner und Betrüger. Er ist kein Geschäftsmann und kein Investment Banker. Eine Schande für den Bankenplatz.»

Hranov bittet die Swissfirst-Mitarbeiterin um Unterstützung in seinem Streit mit Matter. Er suche Belege, die bewiesen, dass sich Matter und sein Umfeld bereichert hätten. «Es würde der Staatsanwaltschaft viel dienen, und die könnten dann schneller vorwärtsmachen», soll er gemäss den späteren Notizen dieser Zeugin gesagt haben. Diese meldete das Treffen ihrem Ex-Chef Matter, worauf die Swissfirst Bank Klage gegen Hranov einreichte.

Die Bank bestellte ein Gutachten beim Strafrechtsprofessor Mark Pieth und dessen Kollegen Marco Balmelli. «Soweit sich der Sachverhalt in casu so zugetragen hat, wie er in der Aktennotiz von Frau * wiedergegeben wird, ist davon auszugehen, dass sich Herr Hranov der vorsätzlichen erfolglosen Anstiftung zur Begehung einer Bankgeheimnisverletzung nach Artikel 47 des Bankengesetzes schuldig gemacht hat», urteilen die beiden
Gutachter.

Rumen Hranovs Vermögen beläuft sich gemäss BILANZ-Ranking auf 200 bis 300 Millionen Franken. Nach eigener Aussage habe er mit Ausnahme seines Investments bei Swissfirst mit Geldanlagen immer Glück gehabt. Sein juristisches Trommelfeuer richte sich nicht gegen die Swissfirst Bank, sondern allein gegen Matter, der einst Hranovs Trauzeuge war. Matter habe ihn menschlich enttäuscht. Bei seinem Angriff gehe es um höhere Ziele als monetäre. «Ich wollte nicht meinen Investments schaden, sondern bloss Gerechtigkeit», sagt Hranov.

Eingaben der Swissfirst bei den Behörden lassen Zweifel aufkommen. Sie zeichnen das Bild eines temperamentvollen Draufgängers, der sich am eigenen Profit orientiert. Am 19. September 2005, eine Woche nach Bekanntgabe der Fusion und nach einem steilen Kursanstieg der Swissfirst-Aktie, führte Hranov mit Jurist Daniel Schlatter ein längeres Telefongespräch. Dieser sass im Management der Bank Bellevue, welche gemäss der geplanten Transaktion neue Mehrheitsbesitzerin der Swissfirst werden sollte. Hranov, schreibt Schlatter in einer Aktennotiz über diese Unterhaltung, habe die Rückabwicklung seines Aktienverkaufs oder eine grössere Summe als Entschädigung für entgangene Kursgewinne gefordert, und zwar innert 24 Stunden. Sonst würde er dafür sorgen, «dass Herr Matter wie auch die Swissfirst Bank AG vernichtet würden». Mit welchem Betrag sich Hranov zufrieden gegeben hätte, geht aus den Notizen der ehemaligen Mitarbeiterin der Swissfirst hervor, mit der sich Hranov ein paar Wochen später im Zuger Parkhotel traf. «In einem Meeting haben sie (die Swissfirst-Manager, die Red.) mir fünf Millionen Franken offeriert. Absolut lächerlich.» Hranov schwebte eine andere Summe vor. «Es geht um mindestens 25 Millionen Franken.»

Heute ist Hranov nicht mehr Investor bei der Swissfirst respektive bei deren Nachfolgerin, der Bellevue-Gruppe. Durch den Verkauf seiner grossen Aktienposition in Tranchen soll er keinen Verlust erlitten haben. Im Gegenteil, behaupten Ex-Swissfirst-Manager, Hranov habe mit dem Engagement unter dem Strich tüchtig Geld verdient. Matter, der 41-jährige Swissfirst-Gründer, der nach mehrwöchigem Pressebeschuss von seinem Bankerposten zurücktrat und sein Swissfirst-Aktienpaket verkaufte, wollte sich nicht zu diesem Artikel äussern.

Einer, der den Bulgaren seit Jahren kennt, ist der ehemalige Finanzchef von Roche, Henri B. Meier, der heute als Investor tätig ist. Meier versuchte früh per Brief, den er mit «Persönlich/Vertraulich» überschrieb, seinen Bekannten zur Räson zu bringen. «Lieber Rumen», beginnt Meier, in dessen Unternehmen HBM Partners Hranov als VR sitzt und zu deren Mitbegründern er zählt. «Ich schlage vor, dass Ihr Euch (Matter und Hranov, die Red.), um Zeit und Geld zu sparen, sofort auf einen Friedensrichter einigt. Die Idee, via Boulevardpresse Dein Gegenüber zu erpressen oder Dich an ihm zu rächen, ist nicht in Deinem Interesse. Nicht nur wirst Du selbst zum Opfer der Boulevardpresse, sondern Du exponierst Dich unnötigerweise Schadenersatzklagen.»

Der Aufruf zur Mässigung verhallte ungehört. Drei Wochen nach dem Schreiben reichte Rumen Hranov Strafanzeige gegen Swissfirst-Gründer Matter ein. Im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen weitete die Bankenkommission (EBK) im November 2005 ihre routinemässige Untersuchung der Fusion von Swissfirst und Bellevue aus. Am 29. Januar 2006 eröffnete das EBK-Sekretariat den angeschuldigten Swissfirst- und Bellevue-Vertretern, dass sie ein offizielles Verfahren wegen Verstosses gegen Artikel 11 des Börsengesetzes (Informations-, Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber Kunden) eröffnet habe. Am 20. Dezember 2006 kam die EBK zum Schluss, dass das Verhalten der Architekten des Zusammenschlusses «mit der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit nicht zu vereinbaren» sei. Trotzdem beliess sie Bellevue-Chef Martin Bisang im Amt. Thomas Matter hingegen hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Handtuch geworfen. Die Abklärung von Hranovs Vorwürfen hatte ihn zur öffentlichen Persona non grata gemacht. Sogar das EBK-Urteil könnte durch Hranovs Klagelawine beeinflusst worden sein.


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