Hoffen auf eine letzte Chance

Die meisten Manager der Swissair sind nach dem Kollaps in der Versenkung verschwunden. Ihr Kampf um ein Comeback ist sehr hart. Auch nach der Urteilsverkündung.

Mario Corti ist seit fünf Jahren arbeitslos und hat dafür auch eine plausible Erklärung. «Wenn jeder Arbeitgeber im Internet nachlesen kann, sie seien ‹criminally indicted›, also strafrechtlich angeklagt, dann viel Glück bei der Jobsuche!», sagte der Ex-Swissair-Boss Anfang Jahr in der «Weltwoche». Das gilt auch für die meisten der übrigen 18 Angeklagten im grössten Schweizer Wirtschaftsprozess. Sie sind in der beruflichen Versenkung verschwunden.

Mit der Urteilsverkündung vom kommenden Donnerstag geht für Corti und die anderen Angeklagten das lange Warten zu Ende. Doch ist nach dem Aufsehen erregenden Prozess ein Comeback im Verwaltungsrat oder Topmanagement einer grossen Unternehmung überhaupt noch möglich?

Kaum, sagt Mark Hoenig, Partner von Egon Zehnder International, einer auf die Vermittlung von Wirtschafts-Topshots spezialisierten Agentur. Eine strafrechtliche Verurteilung, selbst mit einer milden Strafe, mache eine Rückkehr in die Chefetagen schwierig. «Die kleine Schweiz verzeiht nicht», urteilt Hoenig. «Im Unterschied zu Amerika gibt es selten eine zweite Chance, und Misserfolge werden nicht als unternehmerische Erfahrung verbucht.»

Bill Clinton als Vorbild

Speziell im deutschsprachigen Raum sind strafrechtlich belangte Manager de facto kaltgestellt, selbst ehemalige Superstars. Das zeigt das Beispiel des Ex-Mannesmann-CEO Klaus Esser. Die Gerichte haben ihn zwar wegen umstrittener Abfindungen nach der Übernahme durch Vodafone freigesprochen, allerdings unter Auflage einer wohltätigen Geldzahlung. Esser ist offiziell unschuldig. Trotzdem ist es unvorstellbar, dass er jemals wieder eine entscheidende Rolle in einem führenden deutschen Unternehmen spielen wird. «They never come back» gilt in Deutschland und der Schweiz in erster Linie für die Gilde der Wirtschaftsführer.

Was also bleibt den Swissair-Verantwortlichen nach dem Prozess noch übrig? Hoenig empfiehlt einen Neuanfang bei einer nicht gewinnorientierten Organisation. «Das wird von der Gesellschaft positiv gewürdigt», sagt er, «und plötzlich öffnen sich neue Türen.» Er führt als Beispiel Bill Clinton an. Der Ex-US-Präsident hat sich nach seinem Karriereende mit einer eigenen Stiftung für soziale Zwecke eingesetzt. Heute ist er trotz seinem Sexskandal bei der Wirtschaft wieder als Redner und Verwaltungsrat begehrt.

Die Öffentlichkeit fordert mehr als nur die Verbüssung juristischer Strafen. Die einstigen Helden der Teppichetagen müssen beweisen, dass sie bereit sind zu Sühne und Demut. Diesen Weg geht Eric Honegger. Der 61-Jährige, der im Frühling 2001 von seinen Kollegen aus dem Swissair-Verwaltungsrat gejagt wurde, engagiert sich seit seinem Karrierenende für Tixi, eine Nonprofit-Taxiorganisation für Behinderte. Früher half er lediglich finanziell, heute sitzt er selber am Steuer. «Es bringt eindeutig mehr, Zeit zu spenden statt Geld», sagt Honegger. Am nächsten Montag erscheint sein Buch «Erinnerungs-Prozess». Darin schildert Honegger, wie er den Swissair-Schock erlebt und das Scheitern verarbeitet hat und wie er mit sich und der Öffentlichkeit wieder ins Reine kommen will. Lukas Hässig

Highnoon am 7. Juni

Am kommenden Donnerstag gibt das Bezirksgericht Bülach ZH seine Urteile im Swissair-Prozess bekannt. Dem Hauptangeklagten Mario Corti drohen 28 Monate Gefängnis, davon ein halbes Jahr unbedingt. Er wird die Urteilsverkündung von seinem US-Wohnort Boston aus verfolgen.


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