Heute aufräumen – morgen herrschen?

Zuerst verkaufte André Esteves der UBS seine Banco Pactual in Rio de Janeiro. Jetzt tritt er an, das leckgeschlagene Zinsgeschäft der UBS zu reparieren. Dann ist der Weg nach oben frei.

Als Erstes zitierte der frisch gekürte Chef des problematischen «Fixed Income»-Geschäfts der UBS alle Händler und Manager, die über eine Million Dollar verdienten. Wer dem neuen Boss sein Geld nicht wert schien, konnte das Büro in der Londoner Bankzentrale räumen.

Geschichten wie diese über André Esteves verbreiten sich in Windeseile in der Schweizer Grossbank. Dem 38-jährigen brasilianischen Shootingstar eilt der Ruf eines ultraehrgeizigen, machthungrigen Investmentbankers voraus. Er habe Blut im Mund, sagt ein Zürcher UBS-Manager. Er sei ein «Shark», ein Haifisch, in diesem Multi-Milliarden-Geschäft.

Im Frühling 2006 verkaufte der dreifache Familienvater seine Banco Pactual für 2,6 Milliarden Dollar an die UBS. Weitere 500 Millionen Dollar hält die UBS bereit, um Esteves und seine Jungtürken mit eigenen Aktien in den nächsten Jahren an die Bank zu binden. Esteves leitet seither das Südamerika-Geschäft der Grossbank. Das US-Magazin «Forbes» zählt Esteves mit gegen 1,4 Milliarden Dollar Vermögen zu den jüngsten 25 Dollar-Milliardären der Welt.

Nun soll er sich für Höheres empfehlen: Seit August 2007 muss der Mann mit der sanften Stimme und dem gnadenlosen Leistungsdenken das «Fixed-Income»-Geschäft der UBS reparieren. Die Schweizer haben mit US-Subprime-Hypotheken Kopf und Kragen riskiert. Vor zwei Wochen musste die Grossbank einen Abschreiber von vier Milliarden Franken bekannt geben, erstmals seit neun Jahren schreibt sie einen Quartalsverlust.

Mehrere UBS-Banker in Zürich und London meinen, Esteves könnte Nachfolger des geschassten Huw Jenkins als Chef des gesamten Investmentbankings werden. Dieses umfasst neben dem Zinsengeschäft auch den Aktienhandel und die Beratung von Firmentransaktionen. Den Investoren und Medien will die UBS ihren neuen Hoffnungsträger erst später vorstellen.

In der Heimat gehört Esteves längst zu den Wirtschaftsgrössen. Kürzlich kürte ihn die brasilianische Finanzzeitschrift «Latin Trade» zum «Finanzleader des Jahres». Esteves predigt den Kapitalismus als «Revolution». Eine dynamisierte Wirtschaft schaffe Einkommen und Jobs für viele. Bereits bezeichneten ihn einige in der Branche als «George Soros Brasiliens». Er sei kompetent, aggressiv und vermögend genug, um Gutes zu tun.

Wie der Hedge-Fund-Pionier boxte auch Esteves sich nach oben. Er wuchs in einer Mittelstandsfamilie in Rio de Janeiro auf und machte dort einen Bachelor in Computerwissenschaften. Bei Pactual kümmerte er sich zuerst um die Informatik, bis die Partner in ihm den gewieften Händler entdeckten.

1999 kam es zum Putsch, als Esteves und seine Mitstreiter die Aktien mehrerer Gründungspartner übernahmen. Der entmachtete Bankchef Luiz Cezar Fernandes, der bereits die Bank Garantia an die CS veräussert hatte, sagte: «Mir war immer klar, dass Esteves seine Mutter verkaufen würde, um an die Macht zu kommen.» Hartnäckig halten sich Gerüchte, wonach Esteves dadurch nach und nach zu einer Aktienmehrheit von Pactual gelangte, dass er seinen Kollegen nach Spekulationsverlusten mit Krediten aushalf, gegen deren Pactual-Aktien als Sicherheit.

Dem Bankerfolg schadete Esteves’ kühles Kalkül nicht: Unter seiner Führung verzehnfachten sich Ertrag und Gewinn von Pactual. Doch als er 2005 Kasse machen wollte, zog sich der US-Bankenriese Goldman Sachs nach eingehender Prüfung zurück. In die Lücke sprang dann die UBS. Sie ignorierte laut dem brasilianischen Journalisten Luis Nassif die Risiken, die Goldman Sachs zuvor gescheut hatte. Die US-Bank habe sich an einem Offshore-Firmenkonstrukt gestossen, mit welchem Pactual grosse Gewinne auf den steuergünstigen Bahamas anfallen liess. Doch die Ermittlungen des Staates sind laut Nassif wegen Esteves’ Politbeziehungen versickert. Und bisher entstand der UBS kein Schaden, im Gegenteil: Die Gewinne von Pactual sollen sich bis Ende September auf 500 Millionen Dollar belaufen. Sie ist zusammen mit Garantia von der CS die führende Investmentbank in Brasiliens boomendem Markt für Börsengänge.

Esteves verdient im grossen Stil mit. Nicht nur als einer der grössten Einzelaktionäre der UBS. Er bringt mit der eigenen Private-Equity-Firma Pactual Capital Partners zusammen mit der UBS-Pactual-Bank auch immer neue Firmen an die Börse.


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