Die falsche Optik der Schweizer

CEOs hiesiger Multis kassieren wesentlich mehr als Top-Chefs in Deutschland. Warum nur?

Die fünf bestbezahlten Manager in der Schweiz verdienen fast doppelt so viel wie ihre Kollegen in Deutschland. Einen Grund für dieses krasse Missverhältnis gibt es auf den ersten Blick nicht: UBS, CS, Nestlé, Novartis und Roche sind zwar bedeutende globale Player, aber das gilt auch für die Deutsche Bank, Daimler Chrysler und SAP. Weshalb also die Diskrepanz?

Für Michael Kramarsch ist es eine Frage der Optik: Die Schweiz schaut über den Atlantik nach Amerika. Die Deutschen hingegen vergleichen sich mit anderen Europäern. Der Chef des deutschen Ablegers von Towers Perrin, einer Beratungsfirma, die auf Entschädigungsmodelle für Topmanager spezialisiert ist, bezeichnet die Schweizer Praxis als problematisch: «Wir empfehlen nationale und regionale Vergleiche, nicht kontinentale», sagt er.

In Deutschland wird die Abzocker-Debatte noch heftiger geführt als bei uns. Massenentlassungen trotz Rekordgewinnen bei der Deutschen Bank oder eine nicht enden wollende Korruptionsaffäre bei Siemens und gleichzeitig massive Erhöhung der Bezüge der Topmanager lassen sich dem Mann von der Strasse nur schlecht erklären. Für den Personalberater Helmuth Raschke ist deshalb die «Neiddiskussion» der entscheidende Faktor: «Die deutschen Manager stehen unter starker öffentlicher Beobachtung», sagt er. «Deshalb können sie sich eine im internationalen Vergleich vielleicht gerechtfertigte Lohnerhöhung nicht so leicht zusprechen.»

Auch in Deutschland wird der Ton in der Öffentlichkeit immer schriller. Nach der «Heuschrecken»-Debatte ist jetzt die Lohndiskussion losgebrochen. Schuld daran ist ein neues Gesetz mit dem kryptischen Kürzel VorstOG. Gemeint ist das Vorstandsoffenlegungsgesetz, das die grössten deutschen Publikumsgesellschaften verpflichtet, die Saläre der Geschäftsleitungsmitglieder einzeln zu veröffentlichen.

Dank dem VorstOG wird nun seit Wochen öffentlich über Managerlöhne gestritten, dass es kracht. Ranglisten der am besten bezahlten Unternehmensführer werden erstellt und die Bezüge von Aufsichtsräten durchleuchtet. Das Verdikt in den Medien ist eindeutig, selbst konservative Blätter zeigen kein Verständnis für die Spitzenverdiener. «Die Eigentümer werden entmündigt», poltert beispielsweise die liberale «Frankfurter Allgemeine Zeitung».

Viel zu wenig Transparenz

In der Schweiz ist die Abzocker-Debatte mittlerweile ein Teil des Alltagslebens geworden. Ein Abebben ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Zuerst wurde das Nestlé-Management kalt geduscht, als ein überraschend grosser Teil der Aktionäre das Doppelmandat von Peter Brabeck ablehnte. Dann sorgten die Spitzenverdiener Vasella und Ospel monatelang für Schlagzeilen. Inzwischen fordern ehemalige Topmanager wie Max Amstutz neue Lösungen. Schliesslich werden mit Erfolg Unterschriften für eine Volksinitiative gesammelt, die gesetzlich festschreiben will, dass die Aktionäre die Managerlöhne genehmigen müssen.

Trotzdem ist die Schweiz in Sachen Managerlöhne nach wie vor ein Entwicklungsland. «Sie ist ein Sonderfall», sagt Towers-Perrin-Chef Kramarsch. «Sie verpflichtet die Unternehmen zu weniger Transparenz bei den Topsalären, und Doppelmandate sind nach wie vor weit verbreitet.» Führend in Sachen Corporate Governance ist Grossbritannien. Hier lassen sich drei Trends beobachten, die sich gemäss Kramarsch auch bei uns durchsetzen werden: «Mehr Transparenz, mehr Leistungsentschädigung, mehr Aktionärsmitbestimmung.» Die meisten Schweizer Unternehmen haben ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und scheitern bereits am ersten Punkt. Sie geben die Saläre der Topmanager nicht im Detail an, sondern veröffentlichen bloss die gesamte Lohnsumme der Konzernleitung.

Ländervergleich Schweiz – Deutschland

Schweizer Top-CEOs verdienen viel mehr als deutsche.
Gesamtentschädigung 2006 inklusive Bonus und aktienbasierten Anteilen in Franken.

CEOs bei Schweizer Multis Mio. CEOs bei deutschen Multis Mio. %-Diff.

1 Daniel Vasella, Novartis 44 / Josef Ackermann, Deutsche Bank 22 100

2 Marcel Ospel, UBS 26,6 / Henning Kagermann, SAP 14,6 82

3 Peter Wuffli, UBS 24* / Harry Roels, RWE 13,3 80

4 Franz Humer, Roche 21,6 / Wolfgang Reitzle, Linde 11,9 82

5 Peter Brabeck, Nestlé 17,5 / Dieter Zetsche, DaimlerChrysler 11,6 51

6 Oswald Grübel, CS 16 / Michael Diekmann, Allianz 8,6 86

7 Jacques Aigrain, Swiss Re 13* / Wulf Bernotat, Eon 8 63

8 James Schiro, Zurich 10* / Hans-Joachim Körber, Metro 7,6 32

* geschätzt


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