Dann müsste man mich entmündigen

Ancillo Canepa, seit einem halben Jahr vollamtlicher Präsident des FC Zürich, rechnet nicht mit lukrativen Gewinnen. Mit seriösem Geschäftsgebaren und neuem Trainer will er aber den Klub finanziell und sportlich an der Spitze halten.

BILANZ: Herr Canepa, ist dies nun der echte Meisterschaftspokal oder eine billige Fälschung?

Ancillo Canepa: Zuerst dachten wir, es sei eine Kopie. Dann stellte sich heraus, dass man uns doch den richtigen Pokal gegeben und in Basel offenbar eine Kopie gestanden hatte, als es in der Schlussrunde zur Entscheidung kam. Es wäre ja auch unanständig gewesen, beim führenden Klub davon auszugehen, dass dieser zuletzt nur Zweiter wird.

Völlig abwegig war das nicht, Ihr FCZ verspielte den üppigen Vorsprung bis auf einen Punkt. Sie blufften damit, Ihren Jaguar zu verschenken, falls Zürich den Titel nicht holen würde.

__ Ein Automobiljournalist wollte wissen, ob ich ihn hergeben würde, sollten wir noch straucheln. «Klar», habe ich sofort geantwortet. Manchmal sollte man auf gewisse Fragen besser nicht eingehen.

Sie haben eine schnelle Zunge und fahren gern schnelle Boliden.

__ Ich bin kein Autofreak, ich verstehe zu wenig von der Sache. Aber ich mag schöne Autos mit Kraft und Komfort.

Seit Dezember stürmen Sie als Full-Time-Präsident für den FCZ. Ein guter Entscheid?

__ Es hat noch keinen Tag gegeben, an dem ich ihn bereut hätte, auch wenn das Tagesprogramm eines Fussballpräsidenten selten ohne Ärger abläuft. Mit einem Budget von 13 Millionen Franken sind wir ein mittelgrosses Unternehmen mit 70 bis 80 Angestellten und den üblichen Herausforderungen bezüglich Marketing, Finanzen und Cashmanagement. Im Sportbereich suchen und beurteilen wir ständig neue Spieler, haben an verschiedenen Fronten anspruchsvolle Verhandlungen zu führen, müssen den Wechsel ins neue Stadion vorbereiten und zahlreiche Medienanfragen beantworten.

Sie waren Wirtschaftsprüfer bei Ernst & Young. Was befähigt Sie für die neue Aufgabe?

__ Ich gehe davon aus, dass ich rasch und zielgerichtet wirtschaftliche Zusammenhänge erkennen und analysieren kann. Ausserdem verfüge ich über eine langjährige nationale und internationale Führungserfahrung als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Wirtschaftsprüfung von Ernst & Young. Ich war auch viele Jahre an der M&A-Front tätig, lernte zu verhandeln und komplexe Transaktionen zu strukturieren. Diese Erfahrung will ich im FCZ einbringen, der noch nicht überall so aufgestellt ist, wie ich mir das vorstelle. Aber wir machen Fortschritte.

Sie sprechen die Zeit Ihres legendären Vorgängers Sven Hotz an. Er war jahrzehntelang der FCZ-Leuchtturm, führte aus dem Bauch heraus.

Braucht der Klub mehr Strukturen?

__ Ich kann die Vergangenheit nicht beurteilen. Mich interessieren primär die Gegenwart und die Zukunft. Ich will gemeinsam mit meinem Kollegen René Strittmatter, dem Delegierten des VR, den FCZ auf eine breite Basis stellen, die langfristig tragfähig ist. Das Ziel lautet wirtschaftliche Stabilität. Zudem haben wir es uns auf die Fahne geschrieben, in allem, was wir tun, ordnungsgemäss zu geschäften. Die Grundregeln moderner Corporate Governance sollen auch für einen Fussball-Profiklub wie den FCZ gelten.

Wovon sprechen Sie?

__ Es fängt beim Banalsten an. Wenn wir einen Vertrag unterschreiben, erfüllen wir ihn ohne Wenn und Aber. Das bedingt aber, dass wir uns vorgängig sorgfältig mit einem Geschäft oder Projekt befassen. Der FCZ soll ein attraktiver und verlässlicher Geschäftspartner sein. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf mögliche Sponsoren.

Welche Firmen werden Ihren Klub

unterstützen?

__ Der Reisekonzern TUI bleibt bis nächstes Jahr Hauptsponsor, der Rest ist offen.

Wie viel zahlt TUI?

__ Einen einstelligen Millionenbetrag. Der FC Basel ist diesbezüglich der Massstab. Er erhält von seinem finanzkräftigen Hauptsponsor bedeutend mehr als wir. Aber wir sind auch diesbezüglich am Aufholen. Mittelfristig sollten wir über ein Budget in der Grössenordnung von 20 Millionen Franken verfügen.

Für Sie ist der Klub eine attraktive Businessidee?

__ Wenn ich das glauben würde, müsste man mich entmündigen. Nein, die Führung eines Fussballklubs ist in aller Regel kein gewinnbringendes Business. Was wir wollen, ist, so weit wie möglich nach

betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu funktionieren und unsere Jahresrechnung mit einer schwarzen Null abzuschliessen. Deshalb ist es oft von zentraler Bedeutung, dass man sich nicht von einer allgemeinen Fussballeuphorie geistig umnachten lässt und fähig bleibt, auch Nein zu sagen, wenn die Umstände dazu raten. Das ist ­ ich gebe es zu ­ nicht immer ganz einfach.

Zum Beispiel?

__ Wenn ein Vermittler in Vertragsverlängerungen Druck macht, überhöhte Bezüge oder Transfersummen verlangt und mit angeblichen Offerten von anderen Klubs kokettiert. Wir setzen uns nicht mehr mit Leuten an einen Tisch, wenn wir ihre Integrität anzweifeln, selbst wenn sie interessante Spieler vertreten.

Konsequent, dafür gehen Ihnen die besten Spieler durch die Lappen.

__ Keine Sorge, in Europa gibt es für jede Position 50 Alternativen. Wir wollen ein klares Zeichen setzen: Spieler und Vermittler müssen begreifen, dass wir nur integre und zuverlässige Leute bei uns haben wollen. Auch Sponsoren aus zwielichtigen Branchen und Ländern kommen für uns nicht in Frage.

Bisher galt im Fussball «anything goes».

__ Nicht bei uns. Wenn René Strittmatter und ich irgendwann von Bord gehen, soll der FCZ ein wirtschaftlicher Selbstläufer sein. Dafür legen wir jetzt die Basis.

Sie verloren Ihren Meistertrainer

Lucien Favre. Warum konnten Sie ihn nicht halten?

__ Weil er wegwollte. Das ist auch nicht das Problem. Favre war vier Jahre bei uns, das ist eine lange Zeit im Fussball. «Vier Jahre sind vielleicht genug», bemerkte er zu mir noch vor einigen Wochen vielsagend. Was mir in dieser Angelegenheit missfällt, ist die Art und Weise seines Abschieds.

Was machte er falsch?

__ Vor zwei Monaten, als er ohne unser Wissen bereits aktiv mit der Suche nach einem Klub begann, hätte er sagen können: «Hör zu, Cillo, ich will nächste Saison ins Ausland.» ­ «Kein Problem»‘, hätte ich geantwortet, «wir finden eine freundschaftliche Lösung.» Dann hätten wir auch die Zeit gehabt, in aller Ruhe

einen Nachfolger zu suchen, der gemeinsam mit uns die Saison hätte planen können. Das ist vor allem wichtig, wenn die Mannschaft neu zusammengestellt werden muss. Bis wenige Tage vor seinem Abgang hat uns Favre aber noch versichert, dass er beim FCZ bleiben möchte.

Hatte er Angst vor Ihnen?

__ Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Lucien ist zwar ein introvertierter Mensch, ein Zweifler. Ich bin offen, suche den konstruktiven Dialog. Was mich schon immer aufgeregt hat, sind Situationen, wenn alle, die am Tisch sitzen, zum Dialog aufgefordert werden und dann mutlos schweigen oder wenn Themen nicht offen, sondern hintenherum angesprochen werden. Lucien und ich sassen vor Monatsfrist vier Stunden lang beim Mittagessen und besprachen die Zukunft. Er sagte, dass er vom Ausland träume, ich antwortete, dass ich ihn verstehe. Konkreter wurde er nicht. Dabei hatte er bereits einen Berater engagiert, der ihn in Deutschland anpries. Menschlich hat mich das schon enttäuscht.

Willkommen im Fussballgeschäft.

__ Das passierte mir in vereinzelten Fällen auch bei Ernst & Young. Ich ermöglichte jungen Leuten ein teures Auslandjahr oder kostspielige Ausbildungen, und kurz vor ihrer Rückkehr oder ihrem Abschluss kündigten sie und unterschrieben irgendwo anders.

Bleibt Favre Ihr Freund?

__ Lucien ist in aller Regel ein liebenswürdiger und integrer Mensch. Er wollte uns nicht enttäuschen, hatte aber nicht den Mut, uns reinen Wein einzuschenken. Ein menschliches Dilemma, das kann ich gut nachvollziehen. Jetzt wünsche ich ihm viel Erfolg für Berlin.

Als Ersatz verpflichten Sie Bernard Challandes, der die Schweizer Nachwuchs-Nationalmannschaft trainiert. Warum gerade ihn?

__ Wir wollten einen, der mit jungen Spielern arbeiten kann, gut im Kommunizieren ist, der internationale Erfahrung mitbringt und Ambitionen hat, damit er mit unseren Anforderungen umgehen kann. Zudem stimmt die Chemie.

Challandes akzeptiert, wenn Sie mit der Tür ins Haus fallen?

__ Ich falle niemandem ins Haus, aber ich spreche Themen wie erwähnt offen an, meistens nett, anständig, ruhig. Sicher, ich bin gelegentlich impulsiv, temperamentvoll und kann etwas lauter werden. Aber wer mich kennt, weiss, das man mit mir gut auskommen kann. Der Trainer beim FCZ braucht genügend Selbstvertrauen, um sich über ein Präsidium zu freuen, das sich einbringt, sich interessiert zeigt, manchmal halt eine eigene Meinung hat und vielleicht auch mal die Überlegungen der sportlichen Leitung hinterfragt.

Jetzt wollen Sie in die Champions League. Daran werden Sie gemessen.

__ Soll ich etwa als Schweizer Meister als Ziel «nicht absteigen» angeben? Einfach absurd, dass mir diese Zielsetzung immer wieder unter die Nase gerieben wird. Für einen Schweizer Meister muss das doch das Ziel sein. Wir wissen selber, dass es für eine Qualifikation Losglück und eine Spitzenleistung braucht. Aber das Beispiel des FC Thun zeigt, dass ein Exploit möglich ist.

Letztes Jahr schied der FCZ sang- und klanglos gegen ein mediokres Salzburg aus. Was sind die Lehren?

__ Wir waren mental nicht bereit, hatten nach dem überraschenden Meistertitel gar nicht realisiert, welche Chance sich uns bot. Mit dem neuen Trainer Challandes, einer hungrigen Mannschaft und einer engagierten Klubleitung wollen wir den gleichen Fehler nicht noch einmal machen.

Sonst müssen Sie weitere Spieler kaufen. Stammt das Geld dafür von Ihrer Frau Heliane, die Chefin der erfolgreichen Medtechfirma Nobel Biocare ist?

__ Der Grossteil unseres Vermögens stammt tatsächlich aus dem Wertzuwachs unseres Aktienportefeuilles. Den Kauf dieser Aktien haben wir damals auf eigenes Risiko am Markt getätigt und aus dem gemeinsamen Topf selber finanziert. Dass ich meine Frau informiere, wenn ich einen grösseren Betrag zu investieren gedenke, ist doch klar. Ich nehme an, dass ist in allen normalen Ehen so üblich.

Ancillo Canepa

Ancillo Canepa (54) ist seit Dezember Präsident des Fussballclubs Zürich. Er löste den legendären Sven Hotz ab, der zwei Jahrzehnte lang Millionen investierte. Canepa und weitere FCZ-Führungsleute sind ebenfalls finanziell engagiert, wollen aber den Klub auf selbsttragende Beine stellen. Seine Karriere machte Canepa bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, für die er im Auftrag des Sachwalters das Swissair-Grounding untersuchte. Der frühere Zweitligakicker ist Ehemann von Heliane Canepa, der Chefin der Zahnimplantatefirma Nobel Biocare.


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