Bevorzugte Behandlung

Jacqualyn Fouse gehört zu den Hauptangeklagten im Swissair-Prozess. Was wirklich geschah an dem Tag, als die Finanzchefin der Airline 28 Millionen Franken Liquidität entzog.

Es ist am 26. September 2001, dem letzten Mittwoch vor dem Grounding: Jacqualyn Fouse eilt von Krisensitzung zu Krisensitzung, mit der Konzernleitung, dann mit dem Verwaltungsrat, wo das Schweizer Establishment um seinen Ruf fürchtet. Sie steht als Finanzchefin im Auge des Orkans, muss Wege finden, um den Bankrott abzuwenden.

Die zierliche Amerikanerin schaut auf die Uhr. 18 Uhr. Sie ist müde und abgekämpft. Sie geht zurück in ihr Büro. Dort wartet Scott Cormack, Partner der englischen Revisionsfirma KPMG, mit grimmiger Miene auf sie. Fouse weiss warum. Heute bleibt ihr nichts erspart.

Cormack, sonst smart und nett, wird ungemütlich, wenn er um sein Geld fürchtet. Er bedrängt Fouse, alle Schulden der SAirGroup an KPMG sofort zu begleichen. Schliesslich steht er selbst unter Druck. «Sämtliche Partner werden angewiesen, ihr Bestes zu tun, die Kunden zu ermuntern, die Rechnungen vor dem Abschluss des Geschäftsjahres zu begleichen», erklärt Scott Cormack der Untersuchungsbehörde später seine Ungeduld.

Sechs Tage zuvor hat Fouse ihre Finanz-leute angewiesen, nur noch Zahlungen auszuführen, die nötig sind, um ihm Geschäft zu bleiben. «To stay in business», nennt sie das. Die Swissair-Leute stornieren daraufhin auch sämtliche KPMG-Rechnungen, damit genug Cash für die September-Löhne der Swissair-Mitarbeiter übrig bleibt. Frank Witter, erst seit kur- zem für die Bilanz der Airline-Gruppe zuständig, sagte später, er selbst habe sich gegen die Zahlungen an KPMG gestellt, da diese hinsichtlich Fouses Anordnung nicht «zwingend» gewesen seien. «Ich meine damit, nach meiner Einschätzung, sie wären nicht notwendig gewesen, um im Geschäft zu bleiben.»

Darum also steht Cormack jetzt im Büro der Finanzchefin: um sie weichzuklopfen, damit sie die fälligen Millionen unverzüglich überweist. Sonst, so droht Cormack, müsse er sein hundertköpfiges KPMG-Team mit Honoraren bis zu 1700 Franken – pro Stunde, wohlgemerkt – abziehen. Der Berater hat leichtes Spiel. Er weiss, dass Fouse auf KPMG angewiesen ist. Und er kennt ihre sensible Natur aus Nestlé-Zeiten, wo der Engländer ebenfalls Mandatsleiter ist.

Anweisung per Zettel

Es geschieht, was geschehen muss. Fouse bittet ihren Mitarbeiter Frank Witter noch am selben Abend via Nachricht auf dessen Combox, 28 Millionen Franken an KPMG zu zahlen. Zur Sicherheit überlässt sie KPMG-Manager Cormack einen Handzettel mit den Worten «26. 9. Frank – pay this tomorrow – in CHF, thanks (previously planned for Friday). Jackie». Damit und mit einer Lis-te der offenen Rechnungen unter der Überschrift «KPMG – outstanding fee notes» kreuzt Cormack am nächsten Tag bei Witter auf, der die Überweisung anordnet, obwohl er ursprünglich dagegen war. «Weil das der Anweisung von Frau Fouse entsprechend die Umsetzung war», begründet er später.

In seiner Einvernahme sagt der ebenfalls vor dem Bülacher Strafgericht angeklagte Scott Cormack, dass Corti und Fouse wohl gefühlt hätten, was die Swiss-air «in der Luft» gehalten habe. «Das eine war Treibstoff, und das andere war die KPMG.» Fouse selbst gibt an, dass «niemand in der SAirGroup» das Wissen der Engländer gehabt hätte. «Wir benötigten KPMG, damit sie (die Berater) auch über das Wochenende arbeiteten und auch die folgende Woche wieder kamen», gibt sie der Untersuchungsbehörde zu Protokoll. Laut Swissair-Finanzmann Beat Lehmann habe Fouse in einem Meeting in der letzten September-Woche 2001 die Zahlung mit den neu ausgehandelten Konditionen mit KPMG begründet. «Sie hat uns zum Abschied gesagt: «I help you guys where I can.» Sie war überzeugt, dass sie einen guten Deal für uns gemacht hat», sagt Lehmann der Zürcher Staatsanwaltschaft im März 2004.

Doch die will nichts von hehren Motiven wissen. «Bewusst» hätten Corti und Fouse KPMG bevorzugt, was «eine krasse ungerechtfertigte Ungleichheit zwischen den Gläubigern» sei, schreibt sie in ihrer Anklageschrift und klagt die zwei deshalb wegen Gläubigerbevorzugung an.

Erst vier Jahre später, im August 2005, zahlte KPMG insgesamt 35,5 Millionen Franken Honorar an Swissair-Sachwalter Beat Wüthrich zurück.


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