Beflissener Kontakter

Die Boulevardzeitung «Blick» aus dem Hause Ringier steht wieder einmal in der Krise ­ – wegen oder trotz Frank A. Meyer?

Wer Frank A. Meyer das erste Mal das Telefon abnehmen hört, dem fällt auf, wie dieser das E in der Mitte seines Namens in breitem Berndeutsch in die Länge zieht. Sogleich stellt man sich am anderen Ende der Leitung einen gemütlichen älteren Herrn vor, den es zufällig aus der Provinz ins Schweizer Medienzentrum verschlagen hat, wo er keiner Fliege etwas zuleide tut.

Dabei gehen aufs Konto von FAM, wie ihn die Zürcher Kommunikations-Schickeria nennt, mehr Opfer als auf jenes von Grimms tapferem Schneiderlein. Bekannte und erfolgreiche Macher wie der heutige Axpo-Chef Heinz Karrer, der Werber Walter Bosch oder der Chefredaktor der welschen Boulevardzeitung «Le Matin», Peter Rothenbühler, gehören dazu. Sie alle besetzten einst wichtige Posten beim grössten Schweizer Zeitungsverlag, Ringier; einer nach dem anderen wurden sie von FAM aus dem Hause hinauskomplimentiert.

«Meine Rolle?», fragt der 63-Jährige mit gespielter Überraschung. «Ich sehe mich als Verteidiger des Primats des journalistischen Handwerks.» Für dieses berufliche Selbstverständnis setze er sich ein, als einer, der an entscheidender Stelle mitdiskutieren könne ­ in den publizistischen Gremien, beim Konzernleiter und natürlich beim Verleger. Diese Reihenfolge dürfte von FAM bewusst gewählt sein. Tatsächlich nimmt der Chefberater laut Beobachtern seinen Einfluss umgekehrt wahr: von oben nach unten, zuerst beim Verleger, erst danach im publizistischen Ausschuss. Ohne Michael Ringier keinen FAM, lautet die Kurzformel von Meyers privilegierter Stellung.

Meyer hatte instinktsicher aufs richtige Pferd gesetzt. Christoph Ringier, der ihn holte, stolperte schon bald über den Kauf einer maroden Grossdruckerei in den USA und musste Michael das Steuer überlassen. Von da an ging es mit dem jungen Journalisten-Berater im Hause Ringier steil bergauf. Während Jahren mietete FAM eine Suite im Berner Hotel Bellevue und hielt regelrecht Hof. Neben anderen Grössen des helvetischen Politbetriebs hingen selbst die Bundesräte Adolf Ogi und Flavio Cotti an den Fäden des Medienmanns. Der Bieler Schriftsetzer und Sohn eines Uhrmachers war Mitte der neunziger Jahre am Ziel seiner Träume: Er war im Zentrum der politischen Macht.

Der Niedergang setzte dort ein, wo Zahlen statt Worte den Ausschlag gaben. Mit dem «Blick» ging es finanziell bergab, weil er für die EU und gegen Blocher antrat, was dem Stammpublikum nicht einleuchten wollte. Hinzu kam, dass FAMs Einfluss in Bern ohne Ogi schmolz. Nach dem jüngsten Köpferollen im Ringier-Pressehaus soll der «Blick» laut FAM eine «lebenssaftige Zeitung» werden, für die man «gerne bezahlt». Sagt es ­ und fliegt ab in sein neues Operationsgebiet Berlin.

Die Guten und die Schlechten

FAM nimmt Einfluss, ohne für die Folgen seiner Taten geradestehen zu müssen. «Ein unmögliches Konstrukt», moniert ein Ex-Ringier-Manager. «Ach was», kontert der Angeschossene, «es ist gerade der Sinn meiner Position, nicht aus einer Interessengebundenheit heraus zu argumentieren.» Unter dem Mantel des Verfechters freier Meinungsäusserung steckt ein kleiner Machiavelli. FAM gelingt dies durch geschickte Personalpolitik. Bernhard Weissberg ist ein langjähriger FAM-Mann, der nun eine neue Erfolgsformel für den «Blick» finden soll. Weissberg ersetzt FAMs einstigen Liebling Werner De Schepper, der als «Blick»-Chef zurückgetreten ist. Während Meyers Getreue am Ruder bleiben, ist es um seine Gegenspieler wie «Cash»-Gründer Thomas Trüb ruhig geworden.

Unberechenbar

Solange FAM bei Ringier das letzte publizistische Wort habe, seien alle Rettungsversuche für «Blick» und «SonntagsBlick» zwecklos, behaupten Kritiker. Was aber führen Ringiers Jungtürken im Schilde? Gemeint sind Schweiz-Chef Thomas Landolt und Zeitungschef Patrick Vogt. Letzterer könnte zwar hinter dem Köpferollen in der «Blick»- und «SonntagsBlick»-Chefredaktion stehen. Doch wer immer den Machtwechsel bei Ringier erzwingen wollte, der hat bisher gegen FAM den Kürzeren gezogen.

„I bi ä Berliner“

Der Ringier-Chefpublizist sei ein wahrer Weltmeister, wenn es darum gehe, sich einflussreichen Leuten an die Brust zu werfen. Das sagt ein Manager, der einst bei FAM in Ungnade gefallen ist. Nicht Talent, sondern Fleiss sei dessen Rezept. «90 Prozent seiner Energie verwendet er auf die Pflege seiner Kontakte», sagt der Mann. Zurzeit beackert Frank A. Meyer Berlin, wo er Gerhard Schröder schon zu dessen Kanzierzeit für sich eingenommen hat. Nun trifft sich der Schweizer mit Entscheidungsträ-gern in Restaurants, wo er auf Stühlen sitzt, die schon mal seinen Namen zieren. Das Werkzeug, um sich Zugang zur Elite unseres nördlichen Nachbarlandes zu verschaffen, heisst «Cicero». So manchem deutschen Spitzenpolitiker und Meinungsmacher löst die Aussicht auf einen Auftritt in Meyers Intellektuellenblatt die Zunge. Darüber hinaus hat FAM auch einen Auftritt in seiner Sendung «Vis-à-vis» im Schweizer Fernsehen anzubieten. Die Neubesetzung seiner SF-2-Sendung «Standpunkte» mit dem einstigen Radiopiraten Roger Schawinski wusste der stets in feines Tuch gekleidete Ringier-Publizist kürzlich zu verhindern.


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