Ärger mit den Schweizern

Der Übernahmeangriff auf Sulzer bereitet dem Chef der Deutschen Bank Sorgen. Denn im Visier der EBK steht mit Simon Biner auch der Derivatechef des Schweizer Ablegers des deutschen Geldinstituts.

In Tom Wolfes Bestseller «Fegefeuer der Eitelkeiten» verliert ein junger Börsenhändler Ruf, Frau und Karriere. Auch Zürich kennt seine «Masters of the Universe». Schon bald wird sich weisen, ob einer der einflussreichsten unter ihnen ein ähnliches Schicksal erleidet oder ob sein Weg weiter nach oben führt.

Die Rede ist von Simon Biner (36). Der junge Banker spielte eine zentrale Rolle bei den Übernahmeangriffen auf die Industriefirmen OC Oerlikon, Sulzer , Ascom und weitere Unternehmen. Er zimmerte massgeschneiderte Optionskonstrukte für potente Investoren, damit diese zu Einfluss und Reichtum gelangten.

Biners Arbeitgeberin, der Schweizer Ableger der Deutschen Bank, ist eines der Institute, die von der Überwachungsstelle Bankenkommission ( EBK ) derzeit unter die Lupe genommen werden. Laut Marcel Aellen von der EBK wird der Bericht im sogenannten Fall Sulzer in diesen Tagen fertig gestellt, der Befund wird sodann den betroffenen Banken vorgelegt. Im Zentrum steht die Frage, ob die Finanzhäuser bei der versteckten Jagd auf den Traditionskonzern die Vorschriften missachteten. Es geht um illegale Absprachen unter Marktteilnehmern und um die Verletzung von Meldepflichten.

Überzeugt von der Unschuld seiner Schweizer Mitarbeiter ist Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Am Industrietag des Branchenverbands Swissmem sagte Ackermann diesen Sommer: «Ich bin fest der Meinung, dass wir alles richtig gemacht haben.»

Biner ist kein unbeschriebenes Blatt: Schon vor zehn Jahren tauchte sein Name auf dem Radarschirm der Behörden auf. Wegen Verdachts auf einseitige Begünstigung zum Schaden von Kunden liefen sowohl ein Gewährsverfahren der Bankenaufsicht als auch ein Strafverfahren gegen den Händler, der damals für die UBS tätig war. Jahre später wurden beide Untersuchungen mangels Beweisen eingestellt.

Der EBK -Bericht muss zeigen, ob die Deutsche Bank (DB) die treibende Kraft beim Aufbau des Sulzer -Pakets für die Investoren Viktor Vekselberg und Ronny Pecik war. Während die viel gescholtene ZKB nur gut 8 Prozent zum 32-Prozent-Paket der Sulzer -Jäger beisteuerte, stammten 22 Prozent von der DB.

Der junge Walliser gilt in Schweizer Finanzkreisen als grosse Nummer. Selbst ein Sulzer -Manager sagt im vertraulichen Gespräch, er habe grossen Respekt vor der Leistung des Derivatehändlers. Für den Zürcher Finanzmarkt-Professor Martin Janssen handelt es sich bei Biner & Co. um «hochintelligente Leute». Manche von ihnen haben in den neunziger Jahren bei Professor Janssen studiert.

Die Arbeitsweise der neuen Finanzexperten unterscheide sich von jener der älteren Semester durch exzellentes Fachwissen, hohe Arbeitsteilung und ausgeprägten Teamspirit, sagt ein Weggefährte. Eine komplexe Optionsstrategie mit schwieriger Preisgestaltung sei viel anspruchsvoller als das simple «buy and hold», wie es einst Martin Ebner vormachte.

Simon Biner ist der kreative Anreisser, ihm zur Seite stehen «Brains», intelligente Spezialisten. Biners Team von zehn Leuten hat die DB Schweiz seit Frühling 2006 zur führenden Schweizer Derivateadresse gemacht. Rapportiert wird direkt an die Spitze der Sparte Investment Banking in London.

Dank einem Zufall erfährt die Öffentlichkeit nun erstmals, worauf Biners Erfolg bei den Investoren basiert. Aufschluss gibt die persönliche Agenda des schweizerisch-bulgarischen Financiers Rumen Hranov. Diese wurde von der Zürcher Staatsanwaltschaft

im Zuge des Wirbels um die Swissfirst beschlagnahmt. Sie belegt mehr als ein Dutzend Treffen mit Biner in der Zeit vom 1. September 2005 bis Ende September im Folgejahr. (Es fehlen in der Agenda die letzten Wochen im Juli 2006, als die Medienlawine gegen Swissfirst ausgelöst wurde.)

Insgesamt 14-mal trafen sich in dieser Zeitspanne Biner und Hranov, der sein auf gegen 300 Millionen Franken geschätztes Vermögen nach eigener Aussage mit Optionsgeschäften erwirtschaftet hat. Praktisch jeden Monat speisten die beiden zusammen, besprachen sich am Morgen oder beim Kaffee. Manchmal gab es mehrere Treffen in kurzer Zeit.

Los ging es mit den Zusammenkünften im Herbst 2005. Nach einer Pause folgte eine intensive Phase mit drei Sitzungen Anfang Februar 2006. Hranov und der Optionenhändler Biner sahen sich erneut Ende Februar, im März, im April, im Mai und mehrmals im August. Einige Male fanden die Unterredungen in der «Hummerbar» im Zürcher Hotel St. Gotthard statt.

Was Biner und Hranov besprachen, ist vom ersten verbrieften Treffen bekannt, weil dieses Teil der laufenden Strafuntersuchung im Fall Swissfirst ist. Am 13. September 2005 assen die beiden Finanzexperten im noblen Italo-Restaurant Orsini beim Zürcher Paradeplatz zu Mittag. Thema war die am Vortag publik gemachte Fusion der Bank Swissfirst mit der Bank am Bellevue, einem Zürcher Investmenthaus. Simon Biner versuchte, seinem Gegenüber den Kauf von Optionen auf Swissfirst schmackhaft zu machen. Der Bankier, der damals noch im Sold der ZKB stand, war für solche Deals auf Financiers vom Kaliber eines Rumen Hranov angewiesen. Ohne Lancierungspartner hätte Biner nicht so rasch Optionsscheine auf die Swissfirst-Aktie emittieren können.

Kaum war das Essen zu Ende, gab Biner grünes Licht für die erste Option auf die neue Swissfirst. Die Papiere stiessen auf rege Nachfrage, insgesamt waren in den ersten fünf Handelstagen gegen 2,7 Millionen Stück im Umlauf. Auch Hranov zählte zu den Käufern.

Fragen weicht Biner aus. Seine Stärke sei halt, dass er wisse, was der Markt wolle. Zur Untersuchung der Bankenkommission, die auch ihn betrifft, meint Biner: «Von Absprachen weiss ich nichts.»

Was für eine Schlüsselstellung Biner bei den feindlichen Übernahmeversuchen zufällt, könnte aus dessen Beziehung zum österreichischen Investor Ronny Pecik geschlossen werden. Pecik hat zusammen mit Geschäftspartnern zuerst die Industriefirma OC Oerlikon und später Sulzer mit massiven Optionskäufen in die Enge getrieben. Im Unterschied zum bestimmenden Pecik war Rumen Hranov lediglich ein Trittbrettfahrer.

Ob und, wenn ja, wie häufig sich Optionenmeister Biner und Financier Pecik in den heissen Monaten der Jahre 2005 und 2006 getroffen haben, ist nicht bekannt. Hingegen gehen aus Hranovs Agenda fünf Treffen mit Pecik hervor. Somit ist zumindest klar, dass Pecik und Biner in Hranov einen wichtigen gemeinsamen Bekannten haben.

Bei der ZKB schufen sich Biner und seine Leute rasch den Ruf von Draufgängern. Die Chefs sahen den Jungtürken ihr Auftreten nach. Schliesslich bescherten sie ihren Vorgesetzten hohe Boni, nachdem sich der Handelsgewinn der ZKB innert kurzer Zeit auf fast eine halbe Milliarde Franken vervielfacht hatte, wovon rund die Hälfte von Biners Derivateteam stammte. Ob Biner, wie der Börsenmakler Sherman McCoy in Wolfes Roman hart landen wird oder ob er zum nächsten Höhenflug ansetzt, wird vom Inhalt des EBK -Berichts abhängen. Dieser dürfte noch vor Ende Jahr vorliegen.


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